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Hybrid-TV

Web im Wohnzimmer

Mit Fernsehgeräten der neuen Generation kann man auch im Internet surfen. Die Standardisierung dieser Geräte macht Fortschritte. Von Roland M. Stehle

Zwischen Tatort und YouTube liegt nicht mehr als ein Tastendruck auf der Fernbedienung: Die jüngste Generation der Fernsehgeräte, Hybrid-Fernseher genannt, zappt direkt ins Internet. Schon über 100 Online-Dienste bringen so ihre Inhalte auf die Bildfläche und das Angebot wächst. Ob Net TV, Yahoo Widgets, VieraCast, Applicast oder Aquos Net – all diese technischen Lösungen unterschiedlicher Hersteller haben eines gemeinsam: Sie kombinieren in einem Gerät, was eigentlich schon längst zusammengehört. Denn das klassische Fernsehen und das moderne Internet beeinflussen und ergänzen einander immer stärker: Das Internet hat das bewegte Bild längst integriert. Umgekehrt kommt der Rundfunk nicht mehr ohne Interaktivität aus. Die Sender stellen immer mehr zusätzliche Informationen auf ihre Webseiten, Video-Portale wie die Mediatheken bieten Nachrichten, Reportagen und Serien unabhängig vom Zeitraster des Sendeplans an.

Was liegt also näher, als Internet und Fernsehen auch in den Empfangsgeräten zu integrieren? Die ersten Versuche, beide Medienwelten auf dem Bildschirm im Wohnzimmer zu vereinen, gab es bereits Mitte der 1990er Jahre. Man bot separate Internet-Boxen an oder baute die Elektronik kompletter PCs in Fernsehgeräte ein – mit allen Nachteilen solcher aufwändigen Lösungen. Eine Betriebssoftware musste hochfahren, oft musste ein eingebautes Modem noch die Wählverbindung zum Internet-Provider aufbauen. Wenn dann am Ende Web-Seiten auf dem Bildschirm auftauchten, brauchte man ein Opernglas, um sie vom Sessel aus entziffern zu können.

So unbefriedigend diese frühen Versuche auch waren, sie zeigten, welche Kriterien wirklich überzeugende Lösungen erfüllen müssen. Fernsehzuschauer erwarten, Web-Inhalte ohne umständliche Bedienprozeduren und Zeitverzögerung aufrufen zu können. Das ist heute kein Problem mehr: Der Breitband-Zugang zum Netz samt Flatrate-Tarif gehört inzwischen zu den Selbstverständlichkeiten. Das drahtlose W-LAN knüpft die Verbindung zum Internet sogar ohne zusätzlichen Kabelsalat. Ebenso wichtig ist die grafische Präsentation der Inhalte. Schriften müssen groß genug und in gut lesbarer Typografie auf dem Bildschirm erscheinen, Bilder und Symbole sollten nicht zu filigran sein und die Navigation muss mit einer normalen Fernbedienung funktionieren. Dies setzt voraus, dass die Anbieter ihre Internet-Inhalte speziell für die Darstellung auf Fernsehbildschirmen aufbereiten – in enger Kooperation mit den Geräteherstellern.

Heute sind alle Voraussetzungen verfügbar, um mit modernen Fernsehern das Internet als Quelle zu erschließen. Hybrid-Fernseher haben ein bedeutendes Wachstumspotenzial: Im Jahr 2009 wurden bereits 500 000 solcher Geräte in Deutschland verkauft. Aktuell haben rund 15 Prozent der verkauften Geräte in Deutschland einen direkten Internet-Zugang, in Japan sind es bereits 46 Prozent (Stand Ende April 2010).

Anbieter einigen sich

In vollem Umfang kann sich Hybrid-TV allerdings erst entfalten, wenn sich standardisierte Lösungen durchsetzen und eine einheitliche Basis für alle Marktteilnehmer entsteht. Müssen Internet-Anbieter ihre Inhalte künftig nur ein einziges Mal gestalten und technisch aufbereiten, um alle Hybridgeräte des Markts erreichen zu können, wird das Angebot wesentlich schneller wachsen als bisher. Die Grundlagen für einheitliche Technik sind bereits verfügbar: Unter dem Namen „Hybrid Broadcast Broadband TV“, kurz HbbTV, haben große europäische TV-Sender, die Geräteindustrie, Software-Häuser, der Satellitenbetreiber Astra und das Münchener Institut für Rundfunktechnik einen umfassenden Vorschlag erarbeitet. Im September 2009 wurden die HbbTV-Spezifikationen dem European Telecommunications Standards Institute (ETSI) vorgelegt. Mit dem Abschluss des Verfahrens wird in Kürze gerechnet.

Die HbbTV-Vorschläge stützen sich weitgehend auf etablierte Technologien und Standards – etwa auf einen sogenannten CE-HTML-Browser. Dieser ist speziell für die Darstellungsmöglichkeiten auf TV-Bildschirmen ausgelegt, unterscheidet sich ansonsten aber kaum von normalen Web-Browsern. Ein weiteres Element sind bestimmte Festlegungen der DVB-Standards (Digital Video Broadcast) für digitales Fernsehen. Sie beschreiben, wie sich Zusatzdaten gemeinsam mit den bewegten Bildern übertragen lassen. So können die Sender Fernseh- und Web-Angebote inhaltlich verzahnen. Sind im Internet ergänzende Informationen zur Sendung abrufbar, genügt ein Druck auf die rote Taste der Fernbedienung, um die entsprechende Webseite auf den Bildschirm zu holen. HbbTV unterstützt auch grafisch wesentlich anspruchsvoller gestalteten Videotext.

TV-Sender bereiten sich vor

Neben den öffentlich-rechtlichen Medienhäusern setzten sich auch die privaten TV-Sender bereits intensiv mit den attraktiven Möglichkeiten der HbbTV-Spezifikationen auseinander. So hat der Standardisierungsvorschlag große Chancen, Zukunftssicherheit zu bieten und auf breiter Front Unterstützung zu finden. Damit kann sich das Hybrid-Fernsehen künftig als unverzichtbare Weiterentwicklung der Mediennutzung im Heimbereich etablieren.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 06|2010, Seite 42

 
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