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Flächenrecycling

Neues Leben auf altem Gelände

Nicht immer nur neue Flächen ausweisen, sondern Industriebrachen für Wirtschaft, Verkehr und Wohnen nutzen: Das ist die Idee des Flächenrecyclings. Von Dr. Tatjana Lohmann

Über viele Jahre stieg der Flächenverbrauch in Deutschland stetig an. Nach Angaben des Bundesumweltamtes wurden im Jahr 2000 pro Tag rund 130 Hektar Freiflächen in Siedlungs- und Verkehrsflächen umgewandelt. Gründe waren der Bedarf des produzierenden Gewerbes, eine wachsende Bevölkerung mit immer kleineren Haushalten und Projekte der (Verkehrs-)Infrastruktur. Mittlerweile ist der Flächenbedarf aber deutlich auf knapp 100 Hektar pro Jahr zurückgegangen. Die Bundesregierung will den Flächenverbrauch bis zum Jahr 2020 auf nur noch 30 Hektar pro Tag reduzieren. Dieses Ziel wird jedoch nur durch intensives Flächenrecycling zu erreichen sein. Flächen einzusparen wird zur ökologisch wichtigen und ökonomisch sinnvollen Zukunftsaufgabe, die angesichts des Strukturwandels hin zur dienstleistungsorientierten Wirtschaft auch bewältigt werden kann.

Der Begriff Konversion, der ursprünglich die Umnutzung militärischer Flächen bezeichnete, beschreibt heute die Neuordnung von Flächen in größerem Umfang. Ehemalige Kasernen, Bahnflächen oder Kohleabbaugebiete schaffen Raum für komplett neue Quartiere, ganze Stadtteile oder weitläufige Naherholungsgebiete. Wie die Wiedereingliederung von Brachflächen in den Wirtschafts- und Naturkreislauf erfolgt, hängt immer vom Umfang und der Lage der Flächen sowie von der erwarteten wirtschaftlichen und demografischen Entwicklung in ihrem Umfeld ab. In großem Rahmen wurde eine Neugestaltung ganzer Regionen nach dem Ende des Kohleabbaus in Nordrhein-Westfalen und Brandenburg vollzogen. So entstand beispielsweise das Lausitzer Seenland – Europas größte künstliche Seenlandschaft. Diese Maßnahmen der Konversion gehen natürlich weit über die Aspekte Gewerbe, Wohnen und Stadtentwicklung hinaus, die gemeinhin im Mittelpunkt des Flächenrecyclings stehen.

In der Europäischen Metropolregion Nürnberg kann man am Beispiel der Fürther Südstadt eindrucksvoll nachvollziehen, wie eine innenstadtnahe, ehemalige Militärfläche durch umsichtige Stadtplanung bedarfsgerecht zu einem neuen Stadtteil umgestaltet wurde. Dieser bietet heute Wohnraum für über 3 500 Menschen sowie entsprechende Naherholungs- und Versorgungsangebote. Zahlreiche, heute nicht mehr benötigte Bahnflächen haben diese Entwicklung noch vor sich. Beispiele aus anderen Städten, in denen innenstadtnahe Wohn- und Gewerbequartiere – teilweise auf Basis städtebaulicher Ideenwettbewerbe und mit innovativer Architektur – entstehen oder bereits entstanden sind, wecken Neugier auf das, was in den nächsten Jahren im Umfeld des Nürnberger Nordbahnhofs oder rund um den Rangierbahnhof im Süden entstehen wird.

Selbstverständlich stellt Flächenrecycling in den zuvor beschriebenen Dimensionen die Ausnahme dar. Die Regel sind vielmehr ehemalige Produktionsstätten. Sie eröffnen an verschiedenen Stellen in der Stadt die Chance, Flächen einer neuen Nutzung zuzuführen. Standardmäßiges Flächenrecycling umfasst auch Maßnahmen der Nachverdichtung in innenstadtnahen Gebieten oder die Umnutzung einzelner Gebäude.

Die Neustrukturierung großflächiger Industrieareale erfordert zunächst eine exakte Analyse des Standorts. Meist kann auf vorhandene Infrastruktur und Nahversorgung zurückgegriffen werden. Um eine nachhaltige Stadtentwicklung zu gewährleisten, gilt es, die Recyclingflächen in das vorhandene Umfeld zu integrieren und dieses durch entsprechende Nutzungen optimal zu ergänzen. Im Zuge der Projektentwicklung wird auch der vorhandene Gebäudebestand intensiv geprüft. Beispielsweise müssen folgende Fragen geklärt werden: Sind die vorhandenen Grundrisse und Raumhöhen wirtschaftlich sinnvoll nutzbar? Stehen Altlasten oder Statik einer neuen Nutzung entgegen? Welche städtebaulichen Erfordernisse müssen berücksichtigt werden?

Beispiel Heumann-Areal

Auf dem ehemaligen Produktionsareal von Heumann Pharma, nur wenige Schritte vom Nürnberger Hauptbahnhof entfernt, wurden all diese Fragen bereits beantwortet. Aus ehemaligen Büro- und Produktionsgebäuden wird ein moderner Stadtcampus zum Wohnen und Arbeiten entstehen. Der Teilabbruch einiger Gebäude ermöglicht es nun, auch in den zuvor vom Altbestand verschatteten Produktionsräumen sonnige Wohnungen mit attraktiven Grünflächen zu schaffen. Auswirkungen auf die gesamte „Centralachse Süd“ und damit auf den Erneuerungsprozess des ganzen Stadtviertels sind zu erwarten.

Nachverdichtung ist dort am sinnvollsten, wo bereits eine gute Infrastruktur vorhanden ist. Mit Spannung kann beobachtet werden, wie sich unser Umfeld in Zukunft auch durch dieses Instrument des Flächenrecyclings wandeln wird. Vielleicht wird der eine oder andere vollständig versiegelte Garagen- oder Werkstatthof zur bebauten und doch begrünten Wohn- oder Arbeitsoase, in der stehende Autos eine unter(die Erde)geordnete Rolle spielen. Und das alles ohne neuen Flächenverbrauch auf der grünen Wiese!

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2010, Seite 34

 
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