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Marktforschung

Welche Datenschätze birgt das Internet?

Wie können Informationen aus sozialen Netzwerken für die Marktforschung genutzt werden? Diese Frage wird in der Branche intensiv diskutiert. Von Klaus L. Wübbenhorst

Die grundlegenden Fragestellungen, mit denen sich die Marktforschung beschäftigt, haben sich in den vergangenen Jahrzehnten nicht verändert. Es werden auch in Zukunft Antworten darauf gesucht werden, was Kunden motiviert, ein Produkt zu kaufen oder wie Werbung wirkt. Am Ende soll ein möglichst ganzheitliches Bild des Konsumenten entstehen. Aus diesem Bild leiten Marktforscher dann strategische Handlungsempfehlungen für Unternehmen ab.

Was sich allerdings radikal verändert hat, sind die Möglichkeiten, die sich dank des Internets für Unternehmen und speziell für die Marktforschung ergeben. In naher Zukunft wird das World Wide Web die bedeutendste Plattform der Marktforschung sein. Bereits in fünf Jahren werden voraussichtlich rund 70 Prozent der Verbraucherbefragungen online stattfinden. Im Jahr 2008 lag der Anteil weltweit noch bei 20 Prozent und in Deutschland bei 29 Prozent, Tendenz steigend.

Im Zeitalter des Internet findet Kommunikation real und virtuell statt. Jeder Internet-Nutzer kann mit einem geringen finanziellen und technischen Aufwand ein Millionenpublikum erreichen. Ein Privatvideo über ein Produkt oder eine Marke kann beispielsweise innerhalb kürzester Zeit seinen Weg rund um den Globus finden. Damit haben Unternehmen eine ganz neue Art der Konkurrenz in der Hoheit über ihre Markenbotschaft. Zwar werden sich auch in den kommenden Jahren Marketing-Experten, Geschäftsstrategen und Marktforscher damit beschäftigen, Marken zu positionieren und neue Strategien zu entwickeln. Allerdings beschleunigen soziale Netzwerke im Internet die Kommunikation ganz erheblich und können einem Thema schnell eine unvorhergesehene Wendung geben.

Eine wichtige Rolle spielt hier auch das Thema Kundenbewertungen. Sie üben einen hohen Einfluss darauf aus, für welches Produkt sich Konsumenten letztendlich entscheiden. Mittlerweile sind zu fast allen Themen und Produkten einschlägige Bewertungsportale im Internet zu finden. Oder Online-Händler haben entsprechende Kommentar- und Bewertungsfunktionen gleich in ihren Shops integriert.

Schwierige Auswahl der Datenquellen

Zu den spannendsten Themen gehört die Frage, wie Informationen in sozialen Netzwerken für die Marktforschung genutzt werden können. Es sind dort anonymisierte Informationen vorhanden, von denen Marktforscher nur träumen können – Altersverteilung, Wohnort, Geschlecht, Sprache, Interessen. Die Mitglieder beteiligen sich aktiv an der digitalen Welt und bringen bereitwillig ihre Meinungen, Gefühle und Kenntnisse ein. Die Aufgabe der Marktforschung besteht darin, die verfügbaren Daten professionell aufzubereiten. Dahinter steckt allerdings mehr als eine reine Datensammlung. Sachverstand ist schon im ersten Schritt, bei der Auswahl der richtigen Portale, Blogs und Netzwerke notwendig. Auch die Verdichtung der Kommentare und die Identifizierung der Meinungsführer ist etwas, was rein softwarebasierte Lösungen nicht liefern können. Hier sind Marktforscher mit Branchen- und Internetkompetenz gefragt.

Ihren Mehrwert kann die Marktforschung außerdem beweisen, wenn es im Anschluss darum geht, aus den Informationen Wissen zu machen, das für Unternehmensentscheidungen praktikabel und unverzichtbar ist. Im gegenwärtigen Markt tummeln sich aber viele technische Anbieter ohne Marktforschungskompetenz. Die Folge davon ist, dass Unternehmen, die Pilotprojekte mit diesen Anbietern durchgeführt haben, ihre hohen Erwartungen nicht erfüllt sahen.

Die Erforschung sozialer Netzwerke steht zwar derzeit noch an ihrem Anfang, bietet für die Zukunft aber vielversprechende Entwicklungsmöglichkeiten. Mit Hilfe des sogenannten Web Content Mining (auch Netnography) können beispielsweise systematisch Inhalte von Nutzern auf sozialen Online-Medien analysiert werden. Typische Zielsetzungen sind dabei u.a. die Verbesserung von Produkten, die Neuentwicklung von Produkten, der Vergleich mit Wettbewerbern, die Optimierung von Kampagnen sowie ein Frühwarnsystem für Unternehmen. Die Vorteile der Methode bestehen u.a. darin, dass die geäußerten Meinungen sehr authentisch sind und keine Einflüsse von Interviewern vorliegen.

Zu den Nachteilen zählen bisher die fehlende Repräsentativität, unvollständige soziodemografische Daten sowie der Umstand, dass die Forscher nicht direkt nachfragen können. Daher muss im Einzelfall geprüft werden, inwieweit Ansätze aus dem Bereich des Web 2.0 Vorteile im Vergleich zu klassischen Methoden bieten. Ohnehin werden Forschungsansätze im Bereich Social Media auch in Zukunft klassische Methoden der Marktforschung lediglich ergänzen und nicht ablösen. Repräsentative Befragungen sind und bleiben das zentrale Instrument der Marktforschung, seien es Straßeninterviews, telefonische Befragungen oder Online-Studien.

Externer Kontakt: Prof. Dr. Klaus L. Wübbenhorst ist Vorstandsvorsitzender der GfK Gruppe, Nürnberg (www.gfk.com)
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 10|2010, Seite 40

 
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