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Internet-Adressen

Neue Postleitzahlen für das Web

Dem Internet gehen die Adressen aus, deshalb soll nun das neue Adress-Schema „IPv6“ eingeführt werden. Für die Unternehmen besteht jetzt Handlungsbedarf.

Das Internet funktioniert wie ein Kurierdienst: Pakete werden von Ort zu Ort geschickt, dazu sind Adressen nötig. Diese Adressen gehen langsam zur Neige, sodass ein neues Adress-Schema eingeführt werden muss – ähnlich wie die neuen Postleitzahlen Anfang der 1990er Jahre in Deutschland. Im Internet heißen die neuen Postleitzahlen „IPv6“ (Internet-Protokoll Version 6).

Die öffentliche Verwaltung Deutschlands hat bereits im Jahr 2009 einen auf lange Sicht ausreichenden, zusammenhängenden IPv6-Adressraum beantragt und auch erhalten. Eine Arbeitsgruppe mit Vertretern von Bund und Ländern hat Strategien für die Einführung entwickelt. IPv6 wird heute schon in wichtigen Infrastrukturen der öffentlichen Verwaltung eingeführt, diese Aktivitäten koordiniert zentral das Bundesministerium des Innern. Die Bundesregierung sieht in der Einführung von IPv6 einen wesentlichen Beitrag auf dem Weg zu neuen Internet-Technologien mit modernen, sicheren Kommunikationsinfrastrukturen. Auch für die Bürger werden neue Anwendungsszenarien – etwa in den Bereichen E-Government (also Online-Abwicklung von Verwaltungsvorgängen) und Gesundheitswesen – erschlossen.

Jetzt reagieren

Für viele Unternehmen besteht Handlungsbedarf: Nur wer jetzt mit dem Umstieg auf das neue Schema beginnt, kann weiter mit dem Internet wachsen. Die Einführung des neuen Adress-Schemas ist vor allem eine strategische und eine kaufmännische Entscheidung.

Zunächst zu den technischen Grundlagen: Jede Kommunikation zwischen zwei Computern, Smartphones, iPads und anderen internetfähigen Geräten setzt voraus, dass beide Seiten eindeutige Adressen des gleichen Schemas verwenden. Wenn eine Seite nur die alten „Postleitzahlen“, die andere aber nur die neuen beherrscht, können beide nicht miteinander kommunizieren. Übersetzt auf ein Unternehmen bedeutet das: Wenn man eine E-Mail erhält, die auf dem neuen Adressschema von IPv6 basiert, das man aber selbst nicht verwendet, kann die E-Mail nicht zugestellt werden. Dies gilt für den Einkauf in einem Online-Shop genauso wie für den Aufruf einer Webseite: Ein Besucher, der mit einer neuen Adresse ein altes System aufruft, erhält eine Fehlermeldung.

Die Lösung: Bieten Sie beide Adress-Schemata parallel an. Dabei muss noch nicht einmal das komplette Netzwerk des Unternehmens sofort umgestellt werden. Wichtig ist die Kommunikation nach außen zu Kunden, Lieferanten und anderen Geschäftspartnern. Das betrifft zuerst die E-Mail-Infrastruktur des Unternehmens, die Webseite und, sofern vorhanden, den Online-Shop. Da diese Dienste oft ausgelagert sind, muss sichergestellt werden, dass der Dienstleister das neue Adress-Schema unterstützt. Auch sollten Sie mit Ihrem Internet-Anbieter sprechen, denn der muss Ihnen neue Adressen bereitstellen. Da es sehr viele Adressen des neuen Schemas gibt, dürfte dafür nur ein geringer oder gar kein Aufpreis anfallen.

Die aktuellen Betriebssysteme (Windows, Apple/Mac OS und Linux) unterstützen die neuen Adressen schon seit längerer Zeit. Die Unternehmen müssen also kein Geld in neue Geräte oder Software investieren. Lediglich bei einigen Komponenten des Netzwerks ist es möglicherweise notwendig, neue Geräte anzuschaffen.

Individuelle Vorgehensweise

Für die Einführung der neuen Adressen gibt es keine pauschale Lösung. Hier muss jedes Unternehmen seinen eigenen Weg finden. Die EDV- oder IT-Abteilung bzw. externe Dienstleister des Hauses treiben meist die Umstellung voran. Wichtig ist, dass die Geschäftsleitung die Einführung unterstützt. Denn es geht um grundlegende Entscheidungen:

  • Das neue Adress-Schema muss erlernt werden. Dafür sind Zeit und Testgeräte nötig, beides kostet Geld.
  • Neuanschaffungen müssen das neue Schema beherrschen. Die Geschäftsleitung sollte in Absprache mit der Fachabteilung eine Einkaufsrichtlinie beschließen, die die Kompatibilität mit dem neuen Schema bindend von allen Lieferanten verlangt.
  • Der parallele Betrieb beider Schemata erfordert oft doppelte Arbeit, besonders in punkto Sicherheit.
  • Je länger ein Unternehmen wartet, desto hastiger, teurer und fehleranfälliger wird der Umstieg.

Die Kosten für die Einführung des neuen Adress-Schemas hängen stark vom Unternehmen ab, dürfen aber nicht vernachlässigt werden: Das Training der Mitarbeiter, sei es extern, intern oder im Selbststudium, kostet Zeit und Geld, ist aber unverzichtbar. Und wenn Mitarbeiter Furcht vor Neuerungen haben, kann nur mit „Wissen“ dem entgegengewirkt werden. Hier muss die Geschäftsleitung fördernd wirken.

Die Einführung des neuen Schemas ist unverzichtbar für alle Unternehmen. Jedes Unternehmen muss eine klare Strategie für das neue Adress-Schema haben, andernfalls wird die Kommunikation über das Internet der Zukunft unmöglich werden. Es ist damit zu rechnen, dass es neue Applikationen und Ideen geben wird, die das Potenzial des neuen Schemas voll ausschöpfen werden. Wer daran teilhaben möchte, muss sich rechtzeitig damit befassen, auch wenn es ein auf den ersten Blick rein technisches Thema ist.

Internet-Adressen: Technischer Hintergrund

Das Adress-Schema des Internets, das sogenannte Internet-Protokoll (IP), wurde in den 1970er Jahren in Version 4 (IPv4) konzipiert und in den 1980er Jahren eingeführt. Damals war das Internet fast ein reines Forschungsobjekt und daher nur an einigen Universitäten bekannt und noch so klein, dass eine Einführung zu einem Stichtag möglich war. Das Protokoll hat Platz für ca. 4,3 Mrd. Computer, wobei jeder Rechner eine eindeutige Adresse erhalten kann. Das Wachstum des Internets seit Anfang der 1990er Jahre war damals nicht vorhersehbar. Und so wurden aus dem großen Netz großzügig Bereiche an Unternehmen, Regierungen und Universitäten vergeben. Ein anderer Teil wurde für besondere Anwendungen reserviert. Da Internet Adressen ähnlich einer Telefonnummer (Landesvorwahl + Ortsvorwahl + Anschlusskennung) immer einmalig sein müssen, werden diese Adressen weltweit zentral aus einem Pool vergeben. Und dieser globale Pool an Adressen ist am 3. Februar 2011 ausgeschöpft worden.

Der Hunger nach Internet-Adressen ist in Asien besonders groß. Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass dort schon bald neue Gerät ausschließlich per IPv6 kommunizieren – E-Mails an deutsche Firmen, die nur IPv4 können, kommen dann nicht mehr an. Einkäufe in Web-Shops sind nicht mehr möglich, auch die Website lässt sich dann nicht mehr aufrufen

Autor/in: Wilhelm Boeddinghaus ,leitet das Netzwerk der Telekom-Tochter Strato AG und ist Mitglied im Deutschen IPv6 Rat (www.strato-rz.de).
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 06|2011, Seite 36

 
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