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Historischer Kaufmannszug

Der Geschichte auf der Spur

Touristen und Nürnberger staunten am 2. Juni 2011 nicht schlecht: Emsig beluden Mägde und Knechte auf dem Hauptmarkt Planwagen mit Handelsgütern, bewaffnete Reiter sattelten ihre Pferde und Gaukler führten ihre Kunststücke auf.

Reich gewandete Kaufleute – im Mittelalter auch als „Pfeffersäcke“ bezeichnet – überwachten die Vorbereitungen und wickelten letzte Geschäfte ab. Das bunte Treiben zwischen IHK-Gebäude und historischem Rathaus erweckte die perfekte Illusion eines mittelalterlichen Kaufmannszuges.

Natürlich waren die fleißigen Männer und Frauen keine Zeitreisenden aus dem Mittelalter, sondern Mitglieder des Heimatbundes der hessischen Gemeinde Seligenstadt. 2003 hatten einige Einwohner der Stadt beschlossen, die Tradition der Kaufmannszüge von Nürnberg nach Seligenstadt wieder aufleben zu lassen. Die Seligenstädter machten sich also ans Werk: Alle Fuhrwerke wurden von den Teilnehmern selbst gebaut oder restauriert, Kostüme wurden angeschafft und überlieferte Strecken und Ladelisten recherchiert. Beim ersten Kaufmannszug war die Zahl der Teilnehmer noch gering, doch mittlerweile hat das Mittelalter-Fieber in Seligenstadt und Umgebung um sich gegriffen: Mehr als 200 Akteure machten sich in diesem Jahr auf den Weg.

Abschied vor würdiger Kulisse

Pünktlich um 10 Uhr nahm der Kaufmannszug vor dem Wandgemälde „Kaufmannszug mit Geleite“ am Kammergebäude Aufstellung. Das Gemälde von Georg Kellner, das im letzten Jahr 100 Jahre alt wurde (siehe WiM 9/2010), stellte die ideale Kulisse für die feierliche Verabschiedung des Zuges durch IHK-Präsident Dirk von Vopelius dar. In seiner kurzen Ansprache betonte er die große Bedeutung, die derartige Kaufmannszüge seit dem 12. Jahrhundert für die Stadt Nürnberg hatten: „Nürnberg war schon im Mittelalter eine bedeutende Handelsmetropole, von der aus mutige Unternehmer und ehrbare Kaufleute in die Welt zogen.“ Aus der Tradition dieser Züge heraus sei nicht zu Unrecht das Sprichwort „Nürnberger Tand geht durch alle Land“ entstanden, das auch auf dem IHK-Gebäude zu lesen ist.

Vopelius sprach den Teilnehmern der langen Reise, die den Zug über 200 Kilometer von Nürnberg bis zurück nach Seligenstadt führte, seine Anerkennung aus: „Auch wenn Überfälle von Räubern mittlerweile doch seltener geworden sind, so ist eine solche Strecke auch heute noch ein abenteuerliches Unterfangen.“ Als Geschenk gab er den Fahrensleuten einen „Ehrbaren Kaufmann“ in Form eines Teddy-Bären mit auf die Reise. Der traditionelle Löffeltrunk, bei dem ein großer Holzlöffel voller Wein in einem Zuge geleert werden muss, blieb dem Präsidenten erspart: Der goldene Löffel, der früher zur feierlichen Aufnahme in die „löbliche Companie“ ausgetrunken werden musste, war nur zur Zierde dabei.

Trommelwirbel und Jubelrufe

Zu guter Letzt musste – damit auch alles seine Ordnung hatte – noch ein in mittelalterlicher Sprache verfasstes Erlaubnisschreiben vom „Geleits-Syndikus“ verlesen beziehungsweise „allmänniglich kundgetan“ werden. Anschließend machte sich der Kaufmannszug unter Trommelwirbel und Jubelrufen auf den Weg aus der Stadt.

Drei Tage später trafen sich die Reisenden in Aub mit dem anderen Teil des Kaufmannszuges, der bereits Ende Mai in Augsburg gestartet war, um dann gemeinsam das letzte Stück bis nach Seligenstadt weiterzuziehen. Die hessische Stadt war im Mittelalter der letzte Rastplatz, bevor die Händler und Kaufleute den Markt in Frankfurt erreichten. Dort verkauften die Nürnberger Kaufleute regelmäßig ihre Waren und den „Nürnberger Tand“ – die allseits gefragten Produkte der Nürnberger Handwerker wie beispielsweise Spielwaren, kleine Metallerzeugnisse und Waffen.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 07|2011, Seite 17

 
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