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Produktpiraten

Original oder Fälschung?

Unternehmen, deren Produkte gefälscht werden, erleiden horrende Schäden. Außerdem müssen sie befürchten, dass ihr Image beeinträchtigt wird. Wie kann man sich schützen?

30 000 000 000 000 US-Dollar pro Jahr – etwa ein Zehntel des Welthandelsvolumens – werden mit Produkt- und Markenpiraterie erwirtschaftet. Davon gehen Schätzung von Wirtschaftsexperten aus. Der Diebstahl geistigen Eigentums hat sich weltweit zu einem lukrativen Geschäft entwickelt, bei dem die Dreistigkeit der Kopierer kaum Grenzen kennt: In China wurden sogar Apple Stores und ein komplettes Ikea-Möbelhaus mit viel Liebe zum Detail nachgebaut.

Die „Copy and Paste“-Methode kann für deutsche Unternehmen existenziell bedrohlich werden, denn deren Exportstärke und Positionierung gegenüber internationalen Wettbewerbern basiert vor allem auf Know-how und Innovationsstärke. Markenprodukte „Made in Germany“ sind wegen ihrer Qualität gefragt, aber die hat für die Hersteller auch ihren Preis: Jährlich investiert die deutsche Wirtschaft rund 47 Mrd. Euro in interne Forschung und Entwicklung. Diese Stufen der Wertkette überspringen Produkt- und Markenpiraten und ernten die Erträge, die andere gesät haben. Das ist nicht nur für die betroffenen Betriebe – etwa 75 Prozent aller deutschen Unternehmen – ein gravierendes Problem, sondern auch für die Volkswirtschaft: Fälscher zahlen keine Steuern; und wenn sich Aufwendungen in Forschung und Entwicklung nicht mehr auszahlen, wird die Innovationskraft geschwächt.

Gefälscht wird alles

Ob Konsum- oder Investitionsgüter – gefälscht wird alles, womit sich handeln lässt: Filme und Tonträger, Kleidung, Sportartikel, Spielwaren, Arzneimittel, Ersatzteile und Maschinen. Der Großteil der Fälschungen und Plagiate kommt aus Asien. China, Thailand und Hongkong waren die drei wichtigsten Herkunftsländer der Waren (Wert von 95,9 Mio. Euro), die der deutsche Zoll 2010 wegen Verletzungen gewerblicher Schutzrechte aufgegriffen hat.

Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau geht davon aus, dass etwa zwei Drittel seiner 3 000 Mitgliedsunternehmen von Produkt- und Markenpiraterie betroffen sind; sie beziffern den Schaden auf 6,7 Mrd. Euro. Der Umsatzverlust für die deutsche Wirtschaft insgesamt liegt laut Bundeswirtschaftsministerium bei rund 50 Mrd. Euro. Die Schaeffler AG schätzt den Umsatzschaden auf ca. ein Prozent ihres Gesamtumsatzes. Diese Schätzung sei jedoch „sehr konservativ“, betont Rechtsanwältin Ingrid Bichelmeir-Böhn, die bei dem Technologiekonzern aus Herzogenaurach weltweit die Bekämpfung der Produkt- und Markenpiraterie koordiniert.

Immenser Schaden

Nicht nur der Umsatzverlust und der Know-how-Abfluss schmerzen die Unternehmen. Ebenso schwer wiegt der Image-Schaden durch Fälschungen. Thomas Schatz, Leiter der Abteilung Rechte, Marken & Patente bei der Staedtler Unternehmensgruppe, deren Schreibgeräte weltweit bekannt sind: „Für uns ist es entscheidend, den Schaden für die Marke Staedtler so gering wie möglich zu halten.“ Das rechtzeitige Erkennen von Verletzungsfällen spielt dabei eine Schlüsselrolle. Thomas Schatz: „Wir vertreiben unsere Produkte in über 150 Ländern über ein Netzwerk von Niederlassungen und Vertriebs-partnern, die in ständigem Kontakt mit unseren Vertriebsmitarbeitern sind. Diese Vertriebspartner sind die ersten, die Verletzungen unserer Marken in ihren Ländern entdecken und umgehend an unsere Zentrale in Deutschland melden.“ Außerdem hält Staedtler auf Messen konsequent Ausschau nach Fälschungen.

Bei der Identifikation von Fälschungen setzt auch Schaeffler auf systematisches Monitoring. „Wir arbeiten mit einem Mix an Maßnahmen“, erklärt Ingrid Bichelmeir-Böhn. „Dazu gehören weltweit die Zusammenarbeit mit Ermittlern sowie eigene Recherchen auf Messen und im Internet. Darüber hinaus bekommen wir auch Hinweise von unseren Vertriebspartnern und durch Reklamationen, die dann als gefälschte Teile identifiziert werden.“ Im World Wide Web werden die Fahnder nach Fälschungen immer häufiger fündig, auch bei Schaeffler: „Wir stellen eine Tendenz zum Vertrieb über das Internet fest, vor allem über B2B- und B2C-Plattformen, aber auch über den nicht autorisierten Handel“, erklärt Bichelmeir-Böhn.

Palette von Gegenmaßnahmen

Entdeckt der Nürnberger Schreibgerätehersteller illegale Nachbauten, reagiert Staedtler mit differenzierten Gegenmaßnahmen, wie Thomas Schatz beschreibt: „Es erfolgt eine sorgfältige Analyse verschiedener Faktoren, etwa die Schutzrechtssituation, Art und Umfang der Produktfälschungen, Anbieter der Produktfälschungen etc.“ Dann werden Maßnahmen definiert, die weitere Recherchen, Abmahnschreiben, Veröffentlichung von „Warning Notices“, Einleitung von Verwaltungsverfahren und die Einleitung von Strafverfahren umfassen können.

Allein auf der Herstellerseite ist der Kampf gegen Produkt- und Markenpiraterie aber nicht zu gewinnen, denn der florierende Handel mit getürkten Produkten setzt eine entsprechende Nachfrage voraus. Hier ist Aufklärungsarbeit dringend gefragt, denn offensichtlich fehlt vielen Konsumenten das Unrechtsbewusstsein. Laut einer europaweiten Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young halten 90 Prozent der Verbraucher Fälschungen nicht für verwerflich, 40 Prozent der Europäer unter 35 kaufen Plagiate.

Wer Produkt- und Markenpiraterie für ein Kavaliersdelikt hält, sollte sich klar machen, wie die Schnäppchenpreise zustande kommen: Fälschung als Geschäftsmodell macht nur Sinn, wenn die Herstellungskosten erheblich niedriger sind als die der Originale. Nach dieser Logik sind Sozial-, Umwelt- und Sicherheitsstandards für Produkt- und Markenpiraten nur teurer Ballast. Nicht nur die Grundsätze ehrbarer Kaufleute sprechen deshalb gegen den Erwerb von Produkten aus trüben Quellen, sondern auch das Sicherheitsrisiko. Bei Lagern oder Bremsen können minderwertige Bauteile lebensgefährlich sein. Auch bei gefälschten Medikamenten hat die Geiz-ist-geil-Mentalität erhebliche Risiken und Nebenwirkungen, mitunter endet sie sogar tödlich.

Rechtliches zur Produktpiraterie

Als Produkt- und Markenpiraterie wird „die widerrechtliche Übernahme und Verbreitung von fremdem geistigen Eigentum und die bewusste Verletzung des Urheberrechts“ bezeichnet – so die Definition auf www.original-ist-genial.de. Die juristischen Geschütze zur Verteidigung geistigen Eigentums sind die gewerblichen Schutzrechte: Patente, Gebrauchsmuster, die Marke und Geschmacksmuster.

Ergebnisse individueller geistiger Leistungen (z.B. Bücher, Bilder, Filme oder Computer-Programme) sind Gegenstand des Urheberrechts, das automatisch mit der Schöpfung eines Werkes entsteht; die anderen Schutzrechte muss der Rechteinhaber eintragen lassen. Sie sind grundsätzlich nur in dem Land wirksam, für das der Schutz beantragt wurde. Die Registrierung beim Europäischen Patentamt gewährleistet europaweiten Schutz für Patente; für Marken und Geschmacksmustern existiert eine eigenständige Behörde, das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (HABM). Die Eintragung der Schutzrechte ist die Voraussetzung, damit Rechteinhaber gegen die Verletzung ihres geistigen Eigentums vorgehen und Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz geltend machen können. Für Firmen ist es deshalb entscheidend, mit welchen Schutzrechten sie ihre Produkte und ihr Know-how am besten vor Ideen-Klau bewahren können.

In branchenübergreifende Initiativen arbeiten in Deutschland die führenden Wirtschaftsverbände und -organisationen zusammen, um den Schutz geistigen Eigentums zu verbessern: Der Aktionskreis gegen Produkt- und Markenpiraterie e.V. (AMP) ist eine Gemeinschaftsinitiative des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) und des Markenverbandes. Diese Akteure engagieren sich auch im Rahmen der Initiative BASCAP (Business Action to Stop Counterfeiting and Piracy), die von der Internationalen Handelskammer gegründet wurde. Sowohl BASCAP und AMP betreiben auf ihren Internet-Plattformen Aufklärungsarbeit gegen Produkt- und Markenpiraterie.

Autor/in: 
Andrea Wiedemann
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 03|2012, Seite 12

 
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