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Schausteller

Alles dreht sich

Der Besuch von Volksfesten ist bei den Deutschen nach wie vor sehr beliebt. Die Betreiber von Fahrgeschäften und Buden müssen sich allerdings darauf einstellen, dass sich die Wünsche der Gäste schnell ändern.

Die deutschen Schausteller erfinden sich gerade neu. Zwar ist Deutschland mit seinen traditionsreichen Kirchweihen und Weihnachtsmärkten das Volksfestland Nummer eins in der Welt, aber die Branche ist besorgt über die Zukunft des beliebten Freizeitvergnügens. „Wir müssen uns weiterentwickeln“, konstatiert der Vizepräsident des Deutschen Schaustellerbundes, Lorenz Kalb. Denn der wirtschaftliche Druck ist hoch: „Wir stehen in Konkurrenz zu knapper Freizeit und zu Budgets, die auch gern für Handy, Kino oder anderes ausgegeben werden.“

Dabei scheinen die Traditionsveranstaltungen bei den Besuchern hoch im Kurs zu stehen. Und das, obwohl im vergangenen Jahr das schlechte Wetter die Zahl der Volksfestbesucher von etwa 178 Mio. auf 170 Mio. nach untern drückte. „Das ist nach wie vor eine Spitzenstellung in der Freizeitwirtschaft“, betont Kalb, der zugleich auch Vereinschef des Süddeutschen Verbands Reisender Schausteller und Handelsleute mit Sitz in Nürnberg ist. Der Studie zufolge folgen auf Platz zwei gut 160 Mio. Besucher von Bädern, dann etwa 159 Mio. Kinogänger, in die Stadien der 1. Fußball-Bundesliga kommen gut zehn Mio. Fans.

Um bei den Besuchern zu punkten, haben die Nürnberger Schausteller seit Jahren ein Sicherheitskonzept erfolgreich umgesetzt: „Wir sind bundesweit das sicherste und sauberste Volksfest.“ Dafür sorge eine eigene Volksfestwache, die Volksfestordnung, die jegliches Mitbringen von Alkohol verbietet, oder die generelle Absage an „Ballermann-Angebote bis hin zum Flatrate-Saufen“, so Kalb, der selbst Schausteller in siebter Generation ist.

Musik im Gleichklang

In Nürnberg sind viele Mosaiksteine umgesetzt worden, die teilweise eine deutschlandweite Vorbildfunktion hatten. Dazu gehören beispielsweise das Frühstück im Riesenrad oder das Abspielen der gleichen Musik an allen Fahrgeschäften, sodass akustische Misstöne vermieden werden. Dieses System, das die Musik über einen Sender an Empfangsgeräte bei den einzelnen Schaustellern übermittelt, wird jetzt von Nürnberg an das Aschaffenburger Volksfest verliehen. Gut angekommen ist auch der Themenabend mit jeweils einer Nürnberger Partnerstadt, der erstmals 2011 inszeniert wurde. Vorbildcharakter könnte auch das Modell der Nürnberger Kinderweihnacht haben – einem Gemeinschaftsprojekt mehrerer Schausteller. Da Frequenz und Ertrag je nach Bude oder Fahrgeschäft unterschiedlich ausfallen, hat Kalb mit seinen Mitstreitern ein besonderes Modell beim Platzgeld vereinbart, sodass alle Betriebe auf ihre Kosten kommen.

Digitale Angebote

Die Festwirte und Schausteller rüsten auch digital auf: Seit Jahren kann man sich beim Volksfest am „Fotopoint“ fotografieren lassen und das Bild dann via Volksfest-Homepage suchen und versenden. Eine Live-Cam gibt einen Überblick über das Geschehen und über eine App für das iPhone sind aktuelle Programmtipps, Wetterauskunft und Hintergrundinfos abrufbar. Neu war beim diesjährigen Frühlings-Volksfest „The Game“, bei der Besucher mit einer 3-D-Brille in die virtuelle Datenwelt entführt werden.

„Alle Feste, die sich weiterentwickeln, funktionieren“, zeigt sich Kalb zuversichtlich. „Wir sind Berufsoptimisten.“ Wer aber nicht nach neuen Wegen suche, bekomme enorme Probleme. Jüngste Idee des findigen Vollblutschaustellers Kalb: Der Liebeszaun, an dem Verliebte ein Vorhängeschloss nach italienischer Sitte als Zeichen der Verbundenheit anbringen und den Schlüssel in einem Wasserfass versenken können. Während in der Nürnberger Altstadt etwa am Schönen Brunnen die Schlösser regelmäßig entfernt werden, bleiben die Schlösser dort hängen.

Nicht gut zu sprechen ist Kalb auf die „steigende Verrechtlichung“ der Volksfeste mit immer neuen oder teureren Abgaben und Auflagen. Das Nürnberger Volksfest müsse etwa 46 000 Euro für die Feuerwehr vor Ort zahlen, obwohl die nächste Feuerwache direkt am anderen Ende der Großen Straße bei der Messe stationiert ist. In anderen Städten gebe es Schwierigkeiten mit der Umweltzone, da die teils alten Zugmaschinen nicht in die Innenstädte einfahren dürfen.

Davon will sich Kalb aber nicht entmutigen lassen. Er setzt auf Qualitätsstandards, konzeptionelle Verbesserungen und spezielle Themenangebote beispielsweise für Frauen oder für über 50-Jährige. Selbst Schüler werden angesprochen, die im Zuge des Physikunterrichts hinter die Kulissen der Fahrgeschäfte blicken können.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 05|2012, Seite 32

 
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