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Vorstellungsgespräch

Heikle Fragen

Ein Arbeitgeber will möglichst viel von einem Bewerber erfahren, um ihn gut einschätzen zu können. Aber wie weit darf seine Neugierde gehen? Von Sandra Voigt

Frage nach Krankheiten: Der Arbeitgeber hat ein berechtigtes Interesse daran, zu wissen, ob der Bewerber gesundheitlich in der Lage ist, die ausgeschriebene Tätigkeit auszuüben. Hätte eine Krankheit des Kandidaten also Auswirkungen auf den normalen Betriebsablauf oder besteht eine Ansteckungsgefahr für Kollegen oder Kunden, ist eine Frage nach Krankheiten zulässig (z.B. in Bereichen wie Gesundheitswesen und Pflege oder beim Umgang mit Lebensmitteln). Dagegen darf er sich nicht danach erkundigen, wie oft der Arbeitsuchende krank war oder woran er gelitten hat, wenn keinerlei Bezug zwischen der Tätigkeit und der Krankheit hergestellt werden kann. Derartige Fragen sind unzulässig.

Frage nach einer (Schwer-)Behinderung: Grundsätzlich sind die Fragen nach einer Behinderung bzw. Schwerbehinderung unzulässig. So schreibt etwa § 81 II SGB IX (Sozialgesetzbuch IX) vor, dass Schwerbehinderte nicht benachteiligt werden dürfen. Auch das AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) verbietet eine Diskriminierung (schwer-)behinderter Menschen. Dagegen ist eine Frage nach einer (Schwer-)Behinderung zulässig, wenn ihretwegen die ausgeschriebene Tätigkeit nicht vertragsgemäß ausgeübt werden könnte. Problematisch ist die Frage aber, wenn sie der Arbeitgeber stellt, weil er mit einer Einstellung seiner Pflicht zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen nach § 71 SGB IX nachkommen möchte. In diesem Fall ist nach dem aktuellen Stand der Rechtsprechung eher davon auszugehen, dass die Frage unzulässig ist. Wie das Bundesarbeitsgericht am 16. Februar 2012 (Aktenzeichen 6 AZR 553/10) urteilte, darf der Arbeitgeber zwar zu Beginn des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich nicht nach einer Behinderung fragen, er darf dies aber in Erfahrung bringen, wenn das Arbeitsverhältnis sechs Monate bestanden hat. Denn der Arbeitgeber muss bei schwerbehinderten Mitarbeitern bestimmte arbeitsrechtliche Vorgaben einhalten.

Frage nach einer Schwangerschaft: Der potenzielle Arbeitgeber darf eine Bewerberin nicht fragen, ob sie schwanger ist. Das hat das Landesarbeitsgericht Köln sogar auch bei einer schwangeren Bewerberin so gesehen, die sich für eine Schwangerschaftsvertretung beworben hatte (Urteil vom 11. Oktober 2012, Aktenzeichen 6 Sa 641/12), weil damit eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts vorliege (gemäß § 3 I 2 AGG). Selbst die Frage, wie die Familienplanung einer Bewerberin aussieht, ist unzulässig, denn auch damit würde sie wegen ihres Geschlechts benachteiligt werden. Nicht erlaubt sind dementsprechend auch Fragen zur aktuellen Lebenssituation oder zur Lebensplanung allgemein. Deshalb ist beispielsweise auch die Frage nicht zulässig, wer sich um die (kranken) Kinder kümmert, wenn die Bewerberin arbeitet.

Frage nach dem bisherigen Gehalt: Diese Frage darf nicht gestellt werden, denn sie schwächt den Arbeitssuchenden bei den Gehaltsverhandlungen mit dem potenziellen Chef. Lässt das Gehalt aber Rückschlüsse auf die Qualifikationen des Bewerbers zu (weil etwa auf Provisionsbasis gearbeitet wird), kann die Frage nach der Höhe des bisherigen Lohns zulässig sein. Übrigens: Nach den Vermögensverhältnissen des Bewerbers darf auch nicht gefragt werden.

Frage nach Vorstrafen: Sie ist in der Regel unzulässig. Anderes gilt nur, wenn sie in das polizeiliche Führungszeugnis aufzunehmen sind und mit der Tätigkeit, die der Bewerber ausüben möchte, im Zusammenhang stehen. Wird beispielsweise ein Verkäufer gesucht, so darf der potenzielle Chef fragen, ob der Bewerber wegen eines Vermögensdeliktes (z.B. Diebstahl) verurteilt wurde oder ob ein Ermittlungsverfahren gegen ihn läuft. Dagegen ist eine Frage nach einem abgeschlossenen Ermittlungsverfahren, bei dem der Arbeitssuchende nicht verurteilt wurde, unzulässig (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 15. November 2012, Aktenzeichen 6 AZR 339/11).

Sonstige Fragen: Grundsätzlich unzulässig sind laut dem AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) Fragen nach sexueller Orientierung, Religionszugehörigkeit, Weltanschauung, Rasse, ethnischer Herkunft, Gewerkschaftszugehörigkeit und Alter.

Reaktionsmöglichkeiten des Bewerbers

Wird beim Vorstellungsgespräch eine unzulässige Frage gestellt, muss der Bewerber nicht antworten. Da dies aber wahrscheinlich vom Arbeitgeber negativ bewertet wird, steht dem Arbeitsuchenden das sogenannte Recht auf Lüge zu – er darf die Frage also absichtlich falsch beantworten. Lügt der Bewerber jedoch, obwohl die Frage zulässig war, kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis anfechten, sobald er von der Täuschung erfährt. Voraussetzung ist aber, dass das Arbeitsverhältnis gerade aufgrund der Lüge zustande gekommen ist, z.B. weil der Bewerber bei seinem Lebenslauf oder den beruflichen Qualifikationen geschwindelt hat.

Autor/in: Assessorin Sandra Voigt, ist Redakteurin bei der anwalt.de services AG in Nürnberg (www.anwalt.de).
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 02|2013, Seite 44

 
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