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Fernbusse

Auf der ganzen Linie

Seit dem 1. Januar 2013 sind die gesetzlichen Beschränkungen für den innerdeutschen Fernverkehr aufgehoben. Eine Reihe in- und ausländischer Betreiber von Fernbusflotten hat bereits angekündigt, der Schiene Konkurrenz zu machen.

Ein gesetzlicher Passus aus dem Jahr 1934 hat der Verkehrslandschaft in Deutschland jahrzehntelang seinen nachhaltigen Stempel aufgedrückt. Fast 80 Jahre lang sorgte er dafür, dass der Markt für private Linienbetreiber quasi abgeriegelt war. Der Eintrag befand sich im Paragraph 13 Absatz 2 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) und besagte, dass dem Linienverkehr von Kraftfahrzeugen stets dann eine Genehmigung zu versagen sei, „wenn der beantragte Verkehr ohne eine wesentliche Verbesserung der Verkehrsbedienung Verkehrsaufgaben übernehmen soll, die vorhandene Unternehmer oder Eisenbahnen bereits wahrnehmen“. Maßgeblicher Profiteur der Beschränkung war die Deutschen Bahn. Solange sie die entsprechenden Linien auf der Schiene fahrplanmäßig bediente, hielt sie im nationalen Fernverkehr de facto eine Monopolstellung inne.

Wohl auch im Sog der von der EU forcierten Liberalisierung des gesamteuropäischen Markts hatte das Bundesverwaltungsgericht im April 2010 den Riegel schließlich gelockert. So wurde damals entschieden, dass eine günstigere Preispolitik durchaus eine „wesentliche Verbesserung“ im Sinne des Gesetzes darstelle. Im Folgejahr beschloss das Bundeskabinett, das Personenbeförderungsgesetz entsprechend inhaltlich anzupassen. Im September 2012 wurde der Änderungsantrag eingebracht; im November stimmten die Länder, die sich dem Gesetz noch im Vorjahr verweigert hatten, schließlich den Änderungen zu.

Seit dem 1. Januar 2013 sind nun die Weichen neu gestellt, wenn auch nicht in alle Richtungen. So bleibt der öffentliche Personennahverkehr zunächst einmal von Konkurrenz verschont, denn die Restriktionen wurden allein für den Fernverkehr aufgehoben. Die Regel, die nunmehr gilt: Ist die entsprechende Reisestrecke länger als 50 Kilometer oder kann sie vom Schienenverkehrsbetreiber nicht mit Fahrtzeiten unterhalb einer Stunde angeboten werden, so ist Konkurrenz erlaubt.

Marktprognosen

Dass die Deutsche Bahn den Druck von der Straße ernst nimmt, liegt auf der Hand. Musste sie bislang als Alternative nur den individualisierten Pkw-Verkehr fürchten (und konnte ihre Preisgestaltung entsprechend an den steigenden Benzinpreisen ausrichten), so bläst ihr der Gegenwind nun deutlich schärfer ins Gesicht. Vor allem Fernbusse – flexibler und preislich deutlich unter Bahnstandard einsetzbar – könnten ihr in Zukunft das Leben schwer machen. Experten wagen folgende Prognose: Die Geschäftskundschaft der Bahn wird sich wohl auch weiterhin von schnelleren Fahrtzeiten sowie von mehr Bewegungs- und Beinfreiheit überzeugen lassen, dagegen dürfte sich die preissensible Klientel (z.B. Schüler, Auszubildende, Studenten, Rentner) von den günstigen Preisen der Fernbusse angesprochen fühlen.

Wer nun aber geglaubt hatte, im innerdeutschen Fernverkehr werde im neuen Jahr eine neue Zeitrechnung anbrechen, wird sich rückblickend gewundert haben. Der erbitterte Konkurrenzkampf zwischen Bahn und Straße, zwischen Straße und Straße, den einige Experten gleich zu Beginn des Jahres 2013 vorausgesagt hatten, blieb bislang aus. Dass die neuen Anbieter noch nicht allzu stark auf dem Markt sind, hat wohl eher praktische als strategische Gründe. Eine Busflotte mit Hunderten von einsatzbereiten Fahrzeugen zur Verfügung zu stellen und diese logistisch zu betreiben, bedarf einer Vorlaufzeit von mehr als nur wenigen Wochen. Eine weitere Hürde ist der Mangel an verkehrstechnisch günstig gelegenen Parkbuchten, der in einigen Großstädten, unter anderem auch in Nürnberg, ein echtes Problem darstellt.

Trotz der vorerst gemächlichen Entwicklung zweifelt in der Branche niemand ernsthaft daran, dass demnächst tagtäglich viele Fernbusse über deutsche Autobahnen rollen werden. Sechs Wochen nach dem Fall der Beschränkungen eröffnete die Berliner MeinFernbus GmbH den Linienverkehr auf den Strecken Berlin – Leipzig sowie Berlin – Frankfurt und kündigte einen weiteren Ausbau des Streckenverkehrs von den Abfahrtspunkten Hamburg und Berlin an. Darüber hinaus ist MeinFernbus bislang einer von zwei Fernbus-Betreibern, die Nürnberg auf die Streckenlandkarte platziert haben. Bereits seit dem 30. November bedient man von dort aus mehrmals täglich die Route über Heidelberg und Mannheim nach Ludwigshafen. Allein die Nürnberger busandfly steuert von Nürnberg aus Destinationen wie Frankfurt, Bamberg, Memmingen und München an, dort allerdings – der Name verrät es fast – nur die Flughäfen. Zudem gibt es eine Verbindung zwischen Bamberg und dem Flughafen Nürnberg.

Seit dem Januar dieses Jahres wollte die Deutsche Touring auf ihrer Route nach Riga weitere Zwischenstopps in Hannover und Berlin einlegen. Dazu sollten im Verlauf des Jahres weitere Haltepunkte auf internationalen Routen genutzt werden, um den innerdeutschen Verkehr anzukurbeln, auch Strecken mit Nürnberg als Abfahrt- und Ankunftsziel würden folgen. Doch dazu kam es nicht. Man habe angenommen, internationale Konzessionen könnten einfach auf nationale Strecken ausgedehnt werden, hieß es aus der Unternehmenszentrale. Das war jedoch nicht der Fall.

Steigende Nachfrage

Das im März 2009 gegründete Startup DeinBus hingegen war zunächst als eine Art „studentische Fernbus-Mitfahrzentrale“ zwischen Verkehrsknotenpunkten in Deutschland geplant unter der Voraussetzung, dass es stets ausreichend Mitfahrer für die Strecke gibt. Mittlerweile aber hat sich die Nachfrage weiter nach oben entwickelt, sodass das Offenbacher Unternehmen das Streckennetz um fixe Linien erweitert hat. Mittlerweile bedient DeinBus mehrere feste Routen mit den Eckpunkten Düsseldorf, Freiburg, München und Regensburg. Nürnberg steht dabei noch nicht auf dem Plan.

Auch das Münchner Unternehmen Flixbus hat angekündigt, Deutschlands Autobahnen zu beleben. Mit Strecken zwischen den Haltestellen Hamburg und Hannover im Norden, Berlin und Leizpig im Osten, Düsseldorf und Köln im Westen und den südlich gelegenen Haltepunkten Nürnberg, Stuttgart und München geht man ins Rennen. Großes Interesse am innerdeutschen Fernverkehrsmarkt zeigen auch die französische Veolia, der britische Verkehrsgigant National Express sowie, für das kommende Jahr angekündigt, der Verkehrsklub ADAC und die Deutsche Post AG.

Mit 30 nationalen Buslinien zählt die Berlin Linien Bus GmbH seit jeher zu den stärksten Anbietern im innerdeutschen Fernverkehr – und wird sich auch in kommenden Monaten und Jahren dem Konkurrenzkampf kaum verschließen können. Das 1947 gegründete Unternehmen hat eine interessante Vorgeschichte: Denn bereits während des Kalten Krieges hatte es einen Linienverkehr zwischen West-Berlin und westdeutschen Großstädten betrieben. Die Behörden hatten angesichts der schlechten Eisenbahnverbindungen zwischen der geteilten Stadt und Westdeutschland eine Ausnahme gemacht. Heute ist Berlin nach wie vor die wichtigste Destination im Reiselinienverkehr. Experten trauen Berlin Linien Bus eine wegweisende, in jedem Fall spannende Rolle beim Kampf um die Fernverkehrsrouten zu. Denn über die  Bayern Express & P. Kühn Berlin (BEX) ist DB Mobility Logistics AG an dem Unternehmen beteiligt. Und die zählt, der Name sagt es bereits, zur Deutschen Bahn.

Autor/in: 
Markus Kemminer
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2013, Seite 40

 
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