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Deuerlein Buch Wein Caffè

Espresso, Vino und Bücher

Bereits vor 100 Jahren war im Marientorzwinger eine Buchhandlung zuhause. Eine auf 1913 datierte Sepia-Fotografie des bekannten Nürnberger Bauwerks zeigt im Erdgeschoss die Schaufenster der alteingesessenen Buchhandlung Carl Koch.

Das Wirtshausschild an der Fassade hing über einem Arkadenbogen, der zu den Toiletten führte. Diese „Bedürfnisanstalt“ verbarg sich diskret hinter der Koch’schen Auslage auf der linken Seite des Hauses.

Dort sind 2003 wieder Bücher eingezogen. Sie stapeln sich bis zur Decke, geschützt von Vitrinen im dunklen Holzrahmen. Vor zehn Jahren hat Tom Deuerlein seine „Librothek, Espressothek, Vinothek“ in der Lorenzer Straße 33 eröffnet. Die Mischung aus Antiquariat und Gastronomie im Stil einer italienischen Espressobar, Kaffee- und Weinhandel ist nach seiner Aussage einzigartig. Die mit Marmorboden und Kronleuchter gediegen ausgestatteten Räume ziehen viele Stammkunden an, die auf dem Weg zur oder von der Arbeit ihren Espresso genießen.

Das 100-Jährige des Marientorzwingers und der erste „runde Geburtstag“ seines Antiquariats an diesem Standort sind für den Buchhändler und Italien-Freund Tom Deuerlein ein Grund zu feiern – trotz der Krise des Sortimentsbuchhandels. Eigentlich lässt die Branchenentwicklung bei den meisten Akteuren des stationären Buchhandels keine Partystimmung aufkommen. Sein Marktanteil ist inzwischen auf rund 48 Prozent geschrumpft; immer mehr Kunden ordern ihre Lektüre per Mausklick im Online-Handel statt beim Buchhändler um die Ecke.

Vor allem das Segment Antiquariat hat sich durch das Internet innerhalb von zwei Jahrzehnten völlig verändert. Deuerlein erinnert sich noch lebhaft daran, wie er vor rund 20 Jahren die erste Antiquariats-Software auf seinem Rechner installiert hat. Seitdem hat das Web das traditionelle Geschäftsmodell aus den Angeln gehoben. Früher lebten Antiquare im Wesentlichen von ihrem Wissensvorsprung, den ihnen das Studium von Katalogen und Insider-Kenntnisse über Bezugsquellen verschafften.

Nun tummeln sich auf den diversen Plattformen der virtuellen Verkaufswelt zahlreiche Laien-Verkäufer, deren mangelnde Fachkenntnis eine angemessene Preisfindung sabotiere, so Deuerlein. Außerdem schrumpft die Gemeinde der bibliophilen Sammler, die sich ihre Bücher-Leidenschaft etwas kosten lässt. Als sich Deuerlein 1995 selbstständig machte, hatte er „Stammkunden, die tütenweise Ware mitgenommen haben“.

Der Antiquar erkannte jedoch, dass diese Ära vorbei war, und dachte intensiv darüber nach, wie er die Erosion des Antiquariatsgeschäfts kompensieren könnte. „Das Ergebnis war ein hedonistisches Konzept rund um den Genuss“, erklärt Deuerlein. Er nahm Wein und Kaffee in sein Sortiment auf und fand im Marientorzwinger Räumlichkeiten, die nach gründlicher Renovierung den idealen Rahmen für sein Antiquariat mit kulinarischer Ergänzung abgaben.

Hinter der Entscheidung für italienische Kaffeespezialitäten und Weine standen nicht primär strategische Überlegungen: „Das waren vielmehr meine Hobbies, sodass ich von diesen Produkten Ahnung hatte.“

Obwohl die Geschäfte mit Caffè, Vino und diversen Dolci gut laufen, sieht sich Deuerlein nach wie vor als Buchhändler. Auf der Facebook-Seite seines Antiquariats lautet sein knappes Selbstportrait „Besitzer von Büchern, von Büchern besessen“. Dementsprechend ernst nimmt er dieses Medium, das er nach wie vor als sein Kerngeschäft betrachtet.

Deuerlein deckt das komplette Leistungsspektrum im Buchbereich ab, einschließlich eines eigenen Verlags sowie eines Büchersuchdienstes: Im Modernen Antiquariat mit Rest- und Mängelexemplaren setzt er auf die Schwerpunkte Ortsgeschichte und Kulinarik. Im Bibliophilen Antiquariat sind 10 000 Titel online gelistet; etwa 20 000 Bücher warten im Lager im Stadtteil St. Johannis auf neue Leser. Themen, die dem Antiquar besonders am Herzen liegen, sind im Bibliographischen Antiquariat neben Frankonia die Exilliteratur sowie die Literatur des antifaschistischen Widerstands.

Zum Sortiment von Deuerleins „Librothek“ gehören auch ausgesuchte aktuelle Titel. Was nicht in den Regalen im Marientorzwinger steht, kann auf Kundenwunsch geordert und in ein bis zwei Tagen geliefert werden, denn Deuerlein ist nicht nur ein Antiquariat, sondern auch eine Bestellbuchhandlung.

Deuerlein ist einer der Nürnberger Buchhändler, die an der Pilotphase der Plattform „LChoice“ teilnehmen: Mit einer Einkaufs-App für Smartphones können Kunden mobil Bücher im lokalen Buchhandel bestellen (WiM berichtete). Im Bereich Antiquariat ist Deuerlein auf sämtlichen einschlägigen Vertriebsplattformen aktiv. Gleichzeitig glaubt er fest an die Zukunft des Ladengeschäfts – vorausgesetzt, das Gesamtkonzept stimmt. Dabei will Tom Deuerlein am bewährten Dreiklang Buch, Espresso und Wein festhalten und schmiedet Expansionspläne. Der Buchhändler sucht derzeit nach Räumen, um eine zweite „Librothek, Espressothek, Vinothek“ zu eröffnen.        

Autor/in: 
aw.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 01|2014, Seite 66

 
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