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Kennzeichnung

Made in Irgendwo

Die EU-Kommission will für fast alle Produkte eine verpflichtende Herkunftsbezeichnung vorschreiben. Was bedeutet das für die Qualitätsangabe „Made in Germany“?

Die verpflichtende Herkunftsbezeichnung soll es ab 2015 geben, Lebensmittel und Medikamente wären davon aber ausgenommen. Im Mittelstand sorgt dies für gehörige Unruhe, denn bislang ist die „Made in“-Kennzeichnung freiwillig. Derzeit ist der letzte wesentliche Produktionsschritt entscheidend dafür, ob die Herkunftsangabe auf den Produkten aufgebracht werden darf.

Das sogenannte „Marktüberwachungs- und Verbraucherproduktesicherheitspaket“ der EU sieht nun vor, dass sich die zwingende Herkunftsangabe an den neuen Zollvorschriften orientiert. Künftig zählt damit nicht mehr, dass ein Produkt in Deutschland entwickelt, endgefertigt und kontrolliert wurde, sondern welche Zulieferkomponente den höchsten Warenwert besitzt.

Zweifel an der Wirksamkeit

Begründet wird der Entwurf damit, dass in der EU für ein hohes Maß an Gesundheitsschutz und Sicherheit der Verbraucher gesorgt werden soll. Doch die IHK-Organisation hat starke Zweifel, dass dies durch die geplante Verordnung gelingen kann.

„Wir versuchen, die Neuregelung zu verhindern“, sagt Armin Siegert, Leiter des IHK-Geschäftsbereichs International. Denn in zahlreichen exportorientieren Unternehmen herrsche deswegen „Sturmwarnung“. Es wird befürchtet, dass die Warenmarkierung „Made in Germany“ gefährdet und dadurch die deutsche Exportwirtschaft in Mitleidenschaft gezogen wird.

Neuregelung wäre eine Zäsur

Das wäre eine historische Zäsur, denn die Kennzeichnung ist schon weit über 100 Jahre alt. Die Briten hatten 1887 mit dem Gesetz „Merchandise Marks Act“ versucht, Importware aus dem industriell aufstrebenden Deutschland zu brandmarken. Im Laufe der Zeit entwickelte sich der zunächst negativ besetzte Begriff aber zu einem besonderen Qualitätszeichen. Insbesondere das Wirtschaftswunder nach dem Zweiten Weltkrieg machte Produkte „Made in Germany“ international begehrt.

Bislang werden Herkunftsbezeichnungen wie „Made in Germany“ als Thema des Wettbewerbsrechts behandelt, dies würde sich durch das Vorhaben der EU ändern und einen Paradigmenwechsel bewirken. Denn nun soll die Kennzeichnung über das Zollrecht geregelt werden. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) kann diesen Kurswechsel nicht nachvollziehen, denn das Zollrecht diene der Steuererhebung und nicht dem Verbraucherschutz. Konsumenten erwarten bei der „Made in …“-Kennzeichung eine Art Gütesiegel für Entwicklung, Technik, Qualität und Design, was die geplante Regelung aber nicht leiste.

Unverständnis bei Experten

Um weiterhin Produkte mit „Made in Germany“ auszeichnen zu dürfen, müssten künftig 45 Prozent der Wertschöpfung – und zwar die letzte, wesentliche Weiterverarbeitung – in Deutschland stattfinden. Oder es findet eine sogenannte Tarifierung statt, bei der Ware zollrechtlich in eine andere Kategorie wechselt. Die Prozentregelung stößt bei DIHK-Expertin Doris Möller auf Unverständnis.

Denn wenn in einer deutschen Produktion der handwerkliche Anteil durch eine Investition in hochwertige Maschinen ersetzt wird, würde der produktbezogene Wertschöpfungsanteil sinken, weil die Handarbeit bezogen auf die Stückkosten im Vergleich zu maschineller Herstellung teurer ist.

„Die Regelungswut der EU-Kommission trifft den Mittelstand“, erklärten die bayerischen IHKs im letzten Jahr vor den Brüsseler Parlamentariern. Der Wechsel von der freiwilligen Herkunftsangabe hin zu einer zwingenden Herkunftsangabe auf Basis von Zollvorschriften führe in die Irre.

Künftig zähle dann nicht mehr, dass ein Produkt in Deutschland entwickelt, endgefertigt und kontrolliert wurde, sondern welche Zulieferkomponente den höchsten Warenwert besitzt. „Das ist in Zeiten globaler Lieferketten nicht nur völlig realitätsfremd, es führt auch dazu, dass das bisherige Qualitätssiegel ‚Made in Germany‘ zur Bedeutungslosigkeit verkommt“, sagte Peter Driessen, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Industrie- und Handelskammertages (BIHK).

Verwaltungsaufwand sinkt nicht

Laut dem EU-Entwurf soll die Neuregelung den Verwaltungsaufwand vor allem für kleine und mittlere Unternehmen senken. Das kann IHK-Außenwirtschaftsexperte Armin Siegert aber nicht nachvollziehen, zumal sich in der Praxis völlig neue Schwierigkeiten ergeben würden. Die Ermittlung einzelner Wertpositionen in einer globalen Lieferkette werde beispielsweise durch schwankende Wechselkurse erschwert.

Deswegen wäre ein permanentes Monitoring notwendig, das die Bürokratiekosten in den Betrieben hochtreiben würde. Ähnliches dürfte für die häufig stark schwankenden Rohstoffpreise gelten, etwa für Metall oder Kunststoff. Es könnte also zu Verzerrungen kommen, denn diejenige Zulieferkomponente mit dem höchsten Wert bestimme automatisch die Herkunftsbezeichnung. Auch BIHK-Chef Driessen befürchtet ein aufwändiges und kostspieliges Nachweisverfahren: „Mit Verbraucherschutz hat dieser Irrsinn nichts zu tun.“

Keine Verbesserung beim Verbraucherschutz

Ebenfalls nicht aufgehen werde der Plan der EU-Kommission, mit den neuen Regelungen die Verbraucher schützen und gefährliche Produkte zurückzuverfolgen. Laut DIHK reicht die bestehende Produktsicherheits-Verordnung für Hersteller und Importeure völlig aus, um gefährliche Produkte zügig zu verfolgen und gegebenenfalls aus dem Markt zu nehmen.

Die geplanten Vorschriften würden auch nicht wie beabsichtigt den Schutz vor Produkt- und Markenpiraterie verbessern, weil Wirtschaftskriminelle dann eben außer Marken-Logos, Designs und Prüfzeichen auch die Angaben zum Ursprungsland fälschen werden.

DIHK-Expertin Möller weist auf eine Lücke der Neuregelung hin, um – in diesem Fall – das Label „Made in Italy“ zu bekommen: In der norditalienischen Stadt Prato, die Anfang Dezember durch ein Feuer in einer Textilfabrik in die Schlagzeilen geraten ist, leben schätzungsweise 35 000 Chinesen in der Illegalität und unter menschenunwürdigen Bedingungen. Sie produzieren dort billigst „italienische“ Mode für Boutiquen in ganz Europa.

Autor/in: 
tt.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 01|2014, Seite 14

 
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