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Tarifliche Ausschlussfristen

Wann läuft die Zeit ab?

Uhrzeit Uhr Zahnrad © Colin Anderson - Thinkstock

Nahezu alle Tarifverträge und viele Arbeitsverträge enthalten sogenannte Ausschlussfristen. Sie regeln, bis wann und auf welche Weise eventuelle Ansprüche geltend gemacht werden müssen. Von Dr. Gabriele Hußlein-Stich

Bei arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen sind Ausschlussfristen häufig von großer Bedeutung: Beispielsweise dann, wenn ein Arbeitnehmer gegen seine Kündigung klagt und gleichzeitig noch ausstehenden Lohn einfordern will. Die Ausschlussfristen legen fest, wann solche berechtigten (Lohn-)Ansprüche erlöschen und dann nicht mehr eingefordert werden können.

Zu finden sind die Ausschlussfristen in Tarifverträgen, aber auch in Arbeitsverträgen und in zahlreichen Betriebsvereinbarungen. Auch in standardisierten Formulararbeitsverträgen, die von vielen Arbeitgebern gerne verwendet werden, sind solche Fristen enthalten. Grundsätzlich wird zwischen zwei Arten unterschieden: Bei der einstufigen Ausschlussfrist wird lediglich verlangt, dass der Anspruch schriftlich geltend gemacht wird. Die zweistufige Ausschlussfrist erfordert darüber hinaus, dass der Kläger seinen Anspruch auf gerichtlichem Wege und innerhalb einer bestimmten Frist geltend macht, wenn die Gegenseite die Erfüllung ablehnt.

Komplexes Verfahren

Für die Arbeitnehmer, die die zweistufige Frist beachten mussten, war es in der Vergangenheit oft schwierig, ihre Ansprüche in der Praxis auch durchzusetzen – zu komplex und unübersichtlich war das Verfahren für den juristischen Laien. Denn zusätzlich zum Kündigungsschutzprozess mussten sie ein gesondertes Verfahren anstrengen, um ausstehende Löhne geltend zu machen und um keine Fristen zu versäumen. Dadurch wurden die Rechtsstreitigkeiten aufgebläht, in die Länge gezogen und verteuert.

Dieser Missstand wurde durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Dezember 2010 korrigiert. Folgenden konkreten Fall hatten die Verfassungsrichter zu beurteilen: Ein Arbeitnehmer, der befristet beschäftigt war, klagte auf eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und vergaß, zusätzlich auch den laufenden Lohn innerhalb der festgesetzten Ausschlussfrist mit einzuklagen. Deshalb wurde ihm der ausstehende Lohn vom Arbeitsgericht nicht zugesprochen. Das wurde vom Bundesverfassungsgericht beanstandet: Das umständliche juristische Prozedere stelle zu hohe Anforderungen an den Arbeitsnehmer, erklärten die Richter. Das Grundrecht auf Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes sei deshalb verletzt worden.

Erleichterung für Arbeitnehmer

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) folgte dem Spruch des Bundesverfassungsgerichts und hat in den letzten Jahren seine Rechtsprechung in diesem Bereich deutlich verändert, insbesondere was die zweistufige Ausschlussfrist anbelangt. Neuerdings reicht eine Bestandschutzklage aus, um sowohl die erste als auch die zweite Stufe einer Ausschlussfrist zu wahren. Das bedeutet: Wer Lohnsprüche geltend machen will, muss nicht zusätzlich zum Kündigungsschutzverfahren ein weiteres Verfahren anstrengen. Der Anspruch auf eventuell ausstehenden Lohn bleibt bis zum Ende des Kündigungsschutzverfahrens erhalten.

Das Bundesarbeitsgericht hatte schon davor die hohe Komplexität bei der zweistufigen Ausschlussfrist bemängelt: So beispielsweise im Jahr 2006 im Falle eines außertariflich beschäftigten Angestellten. Dieser hatte es mit einer Betriebsvereinbarung zu tun, die wiederum auf einen Manteltarifvertrag mit einer zweistufigen Ausschlussfrist verwies. Der Mitarbeiter war deshalb gezwungen, bereits während eines laufenden Kündigungsschutzprozesses seine Gehaltsansprüche durch ein zweites Gerichtsverfahren geltend zu machen. Die Richter vertraten die Auffassung, dies belaste den Arbeitnehmer in unverhältnismäßiger Weise, und erklärten die Betriebsvereinbarung deshalb als unwirksam.

Dies ist nun die gängige Linie der Rechtsprechung: Wenn ein Kündigungsschutzantrag gestellt ist, dann wird damit gleichzeitig das ausstehende Gehalt mit geltend gemacht. Außerdem hat das Bundesarbeitsgericht festgelegt, dass für alle Stufen der Ausschlussfristen eine Mindestdauer von drei Monaten (früher: zwei Monate) eingehalten werden muss, um dem Kläger genügend Zeit für die Anmeldung der Ansprüche einzuräumen. Trotz dieser Erleichterungen empfehlen Arbeitsrechtler, die Lohn- und Gehaltsansprüche dennoch parallel innerhalb der Verjährungsfrist von drei Jahren einzuklagen. Dies hat den Vorteil, dass damit die Verjährungsfrist gehemmt ist und dem Kläger zugleich ein Vollstreckungstitel verschafft wird, aus dem dieser zeitnah Vollstreckungsmaßnahmen einleiten kann.

Autor/in: Rechtsanwältin Dr. Gabriele Hußlein-Stich, ist Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Dr. Scholz & Weispfenning in Nürnberg (kanzlei@scho-wei.de, www.scho-wei.de).
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 02|2014, Seite 32

 
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