Telefon: +49 911 1335-1335

Tunesien

Arabischer Hoffnungsträger

Das nordafrikanische Land hat unter allen arabischen Ländern die größten Fortschritte auf dem Weg zur Demokratie gemacht. Das lässt darauf hoffen, dass sich auch die Wirtschaft erholt.

Vor vier Jahren war Tunesien der Ausgangspunkt des sogenannten Arabischen Frühlings. Heute gilt die Republik unter den Ländern, in denen es zur „Arabellion“ kam, als Hoffnungsträger: Ende Januar 2014 wurde nach langer Vorarbeit und kontroverser Diskussion die neue Verfassung verabschiedet, die in der Region als wegweisend und als wesentlicher Schritt im demokratischen Prozess gilt. Zudem wurde eine mehrheitlich aus Technokraten bestehende Übergangsregierung unter Premierminister Mehdi Jomaa gebildet.

Diese Erfolge scheinen erste positive Auswirkungen auf die Wirtschaft zu haben, die sich noch nicht von den turbulenten drei Jahren seit dem Sturz von Präsident Ben Ali erholt hat. Der lange währende Kursverfall des tunesischen Dinars (tD) scheint nicht nur gestoppt zu sein, die Landeswährung erstarkte sogar wieder gegenüber Euro und US-Dollar und entzog sich damit dem Trend in anderen Schwellenländern.

Darauf weist die Germany Trade and Invest – Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing mbH (GTAI) hin, die bereits von einer „Demokratiedividende“ spricht. Trotzdem stehe die neue Regierung vor großen Herausforderungen und einem schwierigen Jahr 2014. Das Land sei makroökonomisch geschwächt und die Wirtschaft müsse wieder angekurbelt werden.

Für Unsicherheit sorgen auch gelegentliche Gefechte mit terroristischen Gruppen, die in den letzten Jahren stark gewachsene Schattenwirtschaft und die soziale Spannungen angesichts hoher Inflationsraten. Zudem laufen die Wirtschaftsprogramme für die benachteiligten Regionen im Landesinneren offensichtlich nur schleppend an.

Leoni ist größter Arbeitgeber

Zumindest die Wirtschaftsbeziehungen der mittelfränkischen Wirtschaft zu dem nordafrikanischen Land, das von Europa aus in ein oder zwei Flugstunden erreichbar ist, sind in den letzten Jahren weitgehend stabil geblieben. 140 Unternehmen unterhalten nach der Außenhandelsstatistik der IHK Kontakte mit tunesischen Geschäftspartnern, 31 von ihnen sind dort langfristig mit Vertretungen, Niederlassungen, Produktionsstätten oder Joint-Ventures aktiv.

Hinter dieser auf den ersten Blick geringen Zahl verbergen sich große Engagements: So ist die Nürnberger Leoni AG, die weltweit als Anbieter von Drähten, optischen Fasern, Kabeln und Kabelsystemen präsent ist, mit 12 000 Beschäftigten der größte private Arbeitgeber in Tunesien.

Auf dem „Bayerisch-Tunesischen Automotive Tag“ in der IHK Nürnberg für Mittelfranken wies der Botschafter der Republik Tunesien, Elyes Ghariani, darauf hin, dass mittlerweile 2,2 Prozent der Weltproduktion an Kabel- und Kabelbäumen in seinem Heimatland hergestellt wird. Im Automotive-Bereich gebe es außerdem Stärken bei Sicherheitsgurten und Bordcomputern.

Überhaupt biete Tunesien gute Bedingungen für ausländische Investoren, weil es neben dem traditionell wichtigen Maschinenbau auch eine etablierte Elektro- und Elektronikindustrie gebe. „Wir sind eine junge Demokratie mit außergewöhnlichem Potenzial“, so der Botschafter.

Hichem Elloumi, Chef der Coficab Group und zugleich Vizepräsident des Dachverbands der tunesischen Industrie-, Handels- und Handwerkskammern, erklärte, sein Land forciere die industrielle Forschung und Entwicklung, außerdem zeichne sich die Wirtschaft durch eine hohe Qualitätskultur aus. Dies liege auch daran, dass Tunesien den höchsten Bildungsstand auf dem afrikanischen Kontinent habe.

Das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland bestätigt diese Einschätzung: Die Schulausbildung sei gut, der Alphabetisierungsgrad im Vergleich mit anderen Staaten der Region relativ hoch, die Einschulungsquote liege bei fast 100 Prozent. Deutsch wird als dritte Wahl-Fremdsprache an vielen Schulen unterrichtet. Ein Problem ist allerdings die hohe Arbeitslosigkeit, weshalb es an entsprechenden Beschäftigungsmöglichkeiten für die Schulabsolventen und für die jährlich rund 70 000 Hochschulabsolventen mangelt.

Alles in allem werden die wirtschaftlichen Aussichten für das Land jedoch positiv eingeschätzt: Für das laufende Jahr könnte das Wirtschaftswachstum laut GTAI bei über drei Prozent liegen, sollte sich die neue Regierung als handlungsfähig erweisen. In der Landwirtschaft, in der rund 18 Prozent der Beschäftigten arbeiteten, und in der Nahrungsmittelindustrie wird mit einer Verbesserung gerechnet. Man hofft darauf, dass sich auch der Tourismus wieder erholt, von dem rund 400 000 Arbeitsplätze abhängt.

AHK Tunesien

Die Deutsch-Tunesische Auslandshandelskammer (AHK) mit Sitz in Tunis informiert über Wirtschaft, Investitionsbedingungen und Arbeitsmarkt in dem nordafrikanischen Land. Zudem begleitet sie Unternehmen bei der Markterschließung und bei der Teilnahmen an Fachmessen. Der AHK, die im Jahr 1979 gegründet wurde, gehören rund 700 deutsche und tunesische Unternehmen an.

Autor/in: 
tt.
Externer Kontakt: AHK Tunesien
info@ahktunis.org
www.ahktunis.org
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 03|2014, Seite 26

 
Device Index

Alle Ansprechpartner/innen auf einen Blick