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E-Commerce

Der Einzelhandel darf nicht abtauchen

Viele Kunden lassen sich im Geschäft beraten, kaufen aber online. Wie kann der stationäre Handel gegenhalten?

Die rund 7 900 Verkaufsstellen des mittelfränkischen Einzelhandels haben im vergangenen Jahr 1,4 Prozent mehr umgesetzt und 9,45 Mrd. Euro eingenommen. „Das ist kein Grund zum Jammern, aber auch kein Grund zu Euphorie“, erklärte Uwe Werner, Geschäftsführer des mittelfränkischen Bezirks des Handelsverbandes Bayern (HBE).

Grundsätzlich sei das Konsumklima zwar positiv, was an der niedrigen Arbeitslosigkeit, den steigenden Einkommen und der angesichts niedriger Zinsen etwas gesunkenen Sparquote liege. Aber das mache sich nicht in allen Regionen und Einzelhandelssegmenten durch eine höhere Nachfrage bemerkbar. Immerhin gebe es im mittelfränkischen Einzelhandel mit seinen 47 800 Beschäftigten sowie rund 2 600 Auszubildenden eine leichte Entspannung bei der Ertragslage.

Gespaltene Lage im Handel

Die gespaltene Situation im Einzelhandel spiegelt sich auch in einer aktuellen HBE-Umfrage wider: Fortgesetzt hat sich der Trend, immer mehr in den größeren Städten einzukaufen, während es den Geschäften in Kleinzentren mit bis zu 30 000 Einwohnern „tendenziell schlechter“ gehe.

Insgesamt berichten etwa 40 Prozent der mittelfränkischen Betriebe von einem Umsatzwachstum, aber deutlich mehr als ein Drittel verbuchte ein Minus (u.a. die Sparten Unterhaltungselektronik, Heimwerkerbedarf sowie Uhren und Schmuck). Mehrheitlich gute Geschäfte verzeichnen die Bereiche Nahrungs- und Genussmittel, Textil sowie insbesondere Versand- oder Internet-Händler. Damit ist auch ein Thema benannt, das vielen Einzelhändlern auf den Nägeln brennt: die Konkurrenz durch Online-Shops.

Ein Drittel der Kunden zieht es nach Erkenntnissen des Handelsverbandes weniger zum Shopping in die Läden, sie erledigen ihre Besorgungen lieber per Mausklick. Nach Worte von Uwe Werner dürfte der Online-Handel im vergangenen Jahr in Mittelfranken um rund neun Prozent zugelegt und seinen Marktanteil auf knapp acht Prozent erhöht haben. Prognosen zufolge werde in zehn Jahren ein Viertel der Einkäufe vom heimischen Sofa aus getätigt. Händlern in den Kleinzentren drohe dann ein Umsatzeinbruch von rund 30 Prozent.

Jürgen Oriold, der neue Bezirksvorsitzende des Handelsverbandes und Inhaber des Fotofachgeschäftes Ringfoto Oriold in Lauf, beklagte eine Wettbewerbsverzerrung zugunsten der Online-Händler. Sie würden weniger in die Qualifizierung ihrer Mitarbeiter investieren, zudem gelte für sie kein Ladenschlussgesetz. Das macht sich laut Uwe Werner insbesondere auch im Weihnachtsgeschäft bemerkbar: An Adventssonntagen werde „millionenfach“ am Bildschirm eingekauft, während die bayerischen Einzelhändler an den Sonntagen im Dezember die Ladentür geschlossen halten müssten.

Marktriesen wie Amazon zahlen laut IHK-Vizepräsidentin Erika Gruber, die ebenfalls dem HBE-Bezirksvorstand angehört, außerdem kaum Steuern in Deutschland. Darüber hinaus gelten für sie auch keine Straßenausbausatzungen und sie unterstützen weder Kindergärten noch Schulen in der Nachbarschaft. Gruber forderte deshalb „gleiche Rahmenbedingungen für Internet- und klassischen Handel“. Oriold plädierte angesichts des drohenden Ladensterbens für eine gesellschaftliche Diskussion, um die Bedeutung des Handels für Stadtentwicklung und Lebensqualität deutlich zu machen. Ein Kunde, der nicht mehr in die Innenstadt komme, gehe auch nicht ins Café oder ins Kino. „Letztlich verarmt die gesellschaftliche Kommunikation“, sagte Oriold.

Nicht aufgeben

Der Einzelhandel will sich aber der Konkurrenz aus dem Netz nicht kampflos geschlagen geben: Mit einer Service-Offensive sollen sich die Geschäfte gegen den sogenannten Beratungsklau zur Wehr setzen. Damit ist gemeint, dass sich Verbraucher ausgiebig im stationären Handel beraten lassen, um danach im Internet das billigste Angebot zu kaufen.

Gerade in Läden mit teurer Unterhaltungselektronik, Turnschuhen oder Möbeln zücken viele Kunden vor dem Regal ihr Smartphone, um über den gescannten Barcode Vergleichspreise im Internet abzurufen. Wie hoch der Schaden für die Geschäfte ist, lässt sich nicht beziffern. Manche gehen davon aus, dass Verkäufer in beratungsintensiven Fachgeschäften bis zu zwei Stunden am Tag von Beratungsdieben ausgenutzt werden. Andere vermuten sogar, dass der nicht strafbare Beratungsdiebstahl von Zeit und Wissen einen ähnlich hohen Schaden anrichtet wie der tatsächliche Diebstahl von Waren aus dem Geschäft.

Der HBE rät dem stationären Handel allerdings, sich nicht mit Jammern aufzuhalten und die Kunden des Online-Handels nicht von vorne herein als verloren zu betrachten. Außerdem sei der Weg „offline schauen, online kaufen“ keine Einbahnstraße: Denn in der Praxis würden sich Kunden fünfmal häufiger im Netz informieren und dann im Laden einkaufen.

Auch ein hauseigenes Verbot, Barcodes im Regal zu scannen, sieht man beim Handelsverband als nicht zielführend. Vielmehr sollte man es als Chance begreifen, dass der Kunde überhaupt in das Geschäft gekommen ist. Im Modebereich könnte man beispielsweise offensiv mit den Thema Smartphone umgehen, indem man den Kunden anbietet, sie vor der Umkleidekabine im Anzug oder Kleid zu fotografieren und die Bilder zur Begutachtung an Freunde oder Partner zu schicken. Das sei gelebter Service und schaffe Lösungen für Kunden, die ein Online-Shop nicht bieten könne.

Online nicht immer günstiger

Überhaupt sollte der Handel nicht immer ohnmächtig auf angebliche Tiefstpreise im Internet starren. Denn diese würden oftmals nur für Sonderpositionen und nicht mehr aktuelle Ware gewährt, so Uwe Werner. Der stationäre Handel sollte lieber seine spezifischen Stärken ausspielen. Dazu zählen der persönliche Kontakt und die Möglichkeit, genau auf die Wünsche der Kunden zu hören.

Dazu kommt eine wichtige Option, die der unpersönliche Online-Shop nicht bieten kann: Im persönlichen Gespräch neue Lösungen und Wege für die Kunden zu finden. Zum Service gehört demnach auch, Zusatzbedarf zu erkennen, auf fehlende Batterien beim Spielzeug hinzuweisen oder praktische Zubehörartikel anzubieten.

Zudem sollte sich der stationäre Handel klar machen, dass es weitere Hürden beim E-Commerce gebe, wie auch eine Studie des IFH Instituts für Handelsforschung ergeben habe: Demnach schrecken viele Internet-Nutzer angesichts der Versandkosten vor dem Online-Kaufabschluss zurück, andere brechen den Kauf per Mausklick ab, weil das bevorzugte Zahlungsverfahren fehlt.

Handelsexperten empfehlen dem Einzelhandel außerdem die Online-Anbieter mit den eigenen Waffen zu schlagen und ebenfalls auf Online-Instrumente und Social Media zu setzen. Mehr Schlagkraft könnten die Geschäfte beispielsweise durch sogenannte standortbezogene Dienste (Location-based Services) gewinnen, bei denen die Nutzer beim Gang durch die Stadt aktuelle Informationen und Angebote aus der unmittelbaren Umgebung auf ihr Smartphone bekommen. Auch lokales Suchmaschinen-Marketing, lokale Anzeigen in Social Media und kleine Online-Shops von regionalen Geschäften können die Läden im Wettbewerb mit den Internet-Anbietern stärken.

Autor/in: 
tt.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 06|2014, Seite 14

 
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