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Freihandelsabkommen TTIP

Ein weltweites Modell?

Der Investorenschutz könnte zu einem entscheidenden Faktor bei den Verhandlungen für das Freihandelsabkommen werden.

Beeindruckend sind die Zahlen, die das Gewicht der beiden Wirtschaftsmächte verdeutlichen: Sie vereinen rund 50 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts auf sich, 40 Prozent der globalen Kaufkraft und 30 Prozent des internationalen Handels. Zudem werden 65 Prozent aller Investitionen von den beiden Wirtschaftsmächten getätigt. Allein in der EU beläuft sich der Bestand von Auslandsinvestitionen aus Drittstaaten auf rund vier Billionen Euro. Mit diesen Daten veranschaulichte Jai Motwane bei einer IHK-Diskussionsveranstaltung die Bedeutung, die die geplante Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) haben würde. Motwane ist Teil des TTIP-Verhandlungsteams der USA, das gemeinsam mit den europäischen Partnern über das Freihandelsabkommen verhandelt. Motwane hat dabei die Federführung für das „I“ in TTIP übernommen – den Investitionsschutz.

Als Experte für Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit hat Motwane bereits viele solche Abkommen für die USA verhandelt. Die Gespräche mit der EU stellen jedoch auch für ihn ein Novum dar. Denn Amerika und die EU stehen bei den Verhandlungen auf Augenhöhe, das Interesse der Öffentlichkeit ist dementsprechend groß. Motwane und seine 32 Verhandlungskollegen, die sonst nur innerhalb von Expertenkreisen verhandeln, suchen daher verstärkt die Diskussion mit Interessenvertretern in den Partnerländern.

Zu einer solchen Diskussionsrunde hat die IHK Nürnberg deshalb nicht nur Mitgliedsunternehmen eingeladen, sondern auch Vertreter gesellschaftlicher Interessensgruppen. Sie bekamen Informationen zum Stand der Verhandlungen zwischen den USA und der EU, die sich seit offizieller Aufnahme der Gespräche im Juli 2013 mittlerweile in der sechsten Runde befinden. Rund 70 Teilnehmer beteiligten sich an einer engagierten Diskussion, zu der Motwane in Begleitung des US-Generalkonsuls Bill Moeller aus München angereist war.

Streitpunkt Schiedsgerichte

Im Mittelpunkt der politischen und öffentlichen Diskussion stehen derzeit die internationalen Schiedsgerichte, die bei Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Investoren schlichten sollen. Mit Verständnis begegnete Motwane den grundsätzlichen Bedenken, dass die Schiedsgerichtsbarkeit eine von Rechtsanwaltskanzleien dominierte Gerichtsbarkeit abseits der ordentlichen Gerichte darstelle, die zudem für die Öffentlichkeit nicht einsehbar und ohne Revisionsinstanz sei. „Wir sind nicht taub gegenüber solchen Bedenken“, sagte Motwane.

Denn es sei richtig, dass die Schiedsgerichtsbarkeit, wie sie seit dem ersten Abkommen dieser Art zwischen Deutschland und Pakistan im Jahr 1959 und mittlerweile in weltweit ca. 3 000 Investitionsschutzabkommen vereinbart ist, reformbedürftig sei. Die gegen die USA geführten Schiedsverfahren seien deshalb bereits jetzt „komplett öffentlich“ und im Internet einsehbar. In TTIP sei keinesfalls geplant, die Interessen von Investoren über das gesellschaftliche Interesse an hohen nationalen Umwelt- und Gesundheitsstandards zu stellen oder Kommunen zur Privatisierung von öffentlichen Betrieben zu zwingen.

Schutz vor Klagen

Für eine Weiterentwicklung der Schiedsgerichtsbarkeit seien die USA bereits im Jahr 1999 sensibilisiert worden, als Amerika zum ersten Mal vor einem internationalen Schiedsgericht verklagt wurde. Dass Investitionsschutzabkommen nicht nur amerikanische, deutsche oder europäische Investitionen in anderen Ländern mit weniger entwickelten Rechtssystemen schützen, sondern auch die Möglichkeit einer Klage gegen das eigene Land beinhalten, erlebe derzeit auch Deutschland im Fall „Vattenfall“. Der Konzern, der sich in der Hand des schwedischen Staates befindet, klagt auf Grundlage der Europäischen Energiecharta auf Schadensersatz, da Vattenfall im Rahmen des deutschen Atomausstiegs die von ihm betriebenen Kernkraftwerke Brunsbüttel und Krümmel abschalten musste. Ein Urteil des internationalen Schiedsgerichts liegt noch nicht vor.

Dass dieses „Erweckungserlebnis“, wie es Motwane nennt, nun zeitlich mit der Verhandlung eines Investitionsschutzkapitels mit den USA zusammenfällt, erschwert die sachliche Diskussion. Es verstelle zudem den Blick darauf, dass Investitionsschutzabkommen auch in Europa bereits seit Jahrzehnten gelebte völkerrechtliche Realität seien: Die EU-Staaten haben weltweit rund 1 400 solcher Verträge unterzeichnet, 200 davon wurden zwischen EU-Staaten abgeschlossen. Allein Deutschland hat bereits 134 Bilaterale Investitionsschutzabkommen (BITs) unterzeichnet.

Den öffentlichen Konsultationsprozess, den die EU-Kommission zum Investitionsschutzkapitel in TTIP im März 2014 angestoßen hat, haben auch die USA durchlaufen. Nach einer drei Jahre andauernden Konsultationsphase und unter Einbeziehungen aller Interessensgruppen entstand ein „US-Modellvertrag“, der den Amerikanern als Richtlinie für die Verhandlung von Investitionsschutzabkommen dienen soll.

Motwane betonte, dass die EU und die USA nun gemeinsam die Möglichkeit hätten, Investorenschutz neu zu definieren und einen „Goldstandard“ zu setzen, der ein weltweites Vorbild für weitere Abkommen dieser Art sein könne. IHK-Hauptgeschäftsführer Markus Lötzsch gab in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass die EU perspektivisch auch Verhandlungen mit China führen werde. Der Investorenschutz werde dabei – auf Drängen der EU – eine wichtige Rolle spielen. Ein bestehendes Abkommen mit den USA würde die Verhandlungsposition der EU im Verhältnis zu China deutlich verbessern. Obwohl das Verhandlungsmandat für TTIP bei der EU-Kommission liegt, würdigte Motwane in seinem Statement das Gewicht, das Deutschland – aber auch die einzelnen Bundesländer, insbesondere Bayern – in diese Verhandlungen einbrächten. Dies wurde u.a. im April dieses Jahres beim Besuch einer bayerischen Delegation in Washington D.C. deutlich, die von Justizministerin Dr. Beate Merk geleitet wurde und der auch IHK-Hauptgeschäftsführer Markus Lötzsch angehörte. Dabei wurden die beiderseitigen Positionen bei den TTIP-Verhandlungen ausführlich diskutiert.

Motwane ergänzte jedoch, dass das Abkommen zwischen den USA und allen europäischen Mitgliedsstaaten verhandelt werde. Den unterschiedlichen Rechtsstandards, die auch innerhalb der EU bestehen, könne nur mit einem umfänglichen und für alle Mitgliedsstaaten verbindlichen Abkommen Rechnung getragen werden. Das rein bilaterale Verhältnis zwischen den USA und Deutschland sei für die Gesamtdiskussion daher nicht maßgebend.

Stand der Verhandlungen

Auf die abschließende Frage aus dem Publikum, welche konkreten Inhalte zum Investitionsschutz denn bereits in den Verhandlungsrunden behandelt wurden, verwies Motwane auf die gerade erst abgeschlossene EU-Konsultation zu diesem Thema. Sobald die rund 150 000 eingegangenen Stellungnahmen (davon 35 Prozent aus Großbritannien und jeweils rund 22 Prozent aus Deutschland und Österreich) gesichtet seien, könne die EU ihre Position hierzu erarbeiten. Man sei bereits von einer konzeptionellen Diskussion in eine stärker fachliche und technische Verhandlungsphase übergegangen. Dieser Prozess werde auch in den nächsten Verhandlungsrunden fortgesetzt.

EU-Konsultationen Investitionsschutz

Die EU-Konsultationen zum Investitionsschutz sowie zur Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit endeten am 6. Juli 2014. Die Stellungnahme des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) zu diesem Thema ist auf der IHK-Homepage abrufbar.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2014, Seite 30

 
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