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Logistikstandort Nürnberg

Mehr Platz!

Mittelfranken spielt unter den deutschen Logistikstandorten in der ersten Liga. Wird diese Position durch den Mangel an passenden Gewerbeflächen verspielt?

Die Fakten sprechen eine deutliche Sprache: Nürnberg ist einer der Top 20 Logistikstandorte in Deutschland. Dies ist das Ergebnis der Studie „Logistikimmobilien und Standorte 2013“, die die Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services (Fraunhofer SCS) im vergangenen Jahr vorgestellt hat. Die Studie erschien nach 2009 und 2011 bereits in der dritten Auflage und analysiert, wie sich Logistikstandorte voneinander unterscheiden und wie attraktiv sie für etwaige Ansiedlungen sind. Nürnberg konnte hinsichtlich der in der Studie gemessenen „Attraktivität“ (Bewertung der Logistikstandortfaktoren) und der „Intensität“ (Messung des Bestands an Logistikimmobilien) in diesem Zeitraum sein hohes Niveau im gesamtdeutschen Vergleich halten. Der Standort ist in etwa auf einer Stufe mit den Regionen Hannover, Bremen oder Stuttgart.

Insbesondere im Bereich der für die Logistikbranche besonders relevanten Infrastruktur punktet der Standort Nürnberg. Herzstück ist dabei das Nürnberger Güterverkehrszentrum (GVZ) am Hafen Nürnberg, das im aktuellen Ranking der Deutschen GVZ-Gesellschaft zusammen mit dem GVZ Bremen den ersten Platz belegt. Weitere Vorteile des Standorts sind die Drehscheibenfunktion mit der multimodalen Anbindung an die Häfen in Nord- und Südeuropa sowie der beachtliche Ballungsraum von etwa einer Mio. Einwohnern im Städtedreieck Nürnberg-Erlangen-Fürth und 3,5 Mio. in der Metropolregion Nürnberg. Ein starker Ballungsraum bringt auf der Handelsseite stets eine starke Nachfrage nach logistischen Leistungen mit sich. Auch die angesiedelte Industrie mit Großunternehmen wie Siemens sorgt zusätzlich für hohe Anforderungen an die regionale Logistikwirtschaft.

Damit ist die Region Nürnberg eine der wenigen in Deutschland, die nahezu alle Nutzergruppen der Logistikwirtschaft ideal anspricht: Die Logistikdienstleister schätzen die Gateway-Funktion des Standortes und nutzen Nürnberg deshalb häufig als Knotenpunkt in ihrem eigenen Netzwerk. Auch die Verlader aus Industrie und Handel, die ihre Logistik noch selbst durchführen, finden in der Region beste Bedingungen vor. Nürnberg ist damit einer der wenigen Allrounder der Logistikstandorte.

Die Branche hat sich in Nürnberg und in Deutschland insgesamt zu einem wichtigen Wirtschaftsmotor entwickelt. Mehr als 2,8 Mio. Menschen arbeiten landesweit in der Logistikwirtschaft, die mit einem Gesamtvolumen von 223 Mrd. Euro insgesamt die drittgrößte Branche in Deutschland ist. In Nürnberg ist fast jeder zehnte sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in diesem Wirtschaftszeig tätig – ein deutlicher Beleg für die immense Bedeutung der Logistik auch für den Arbeitsmarkt.

Ansiedlungen am Hafen

All dies führt zu einer vielfältigen, stetig hohen Nachfrage nach Logistikflächen in der Region. Bisher konnte der Nürnberger Hafen bzw. das GVZ einen Teil dieser Nachfrage professionell bedienen. Im Mai dieses Jahres eröffneten mit Kühne + Nagel und DB Schenker Logistics zwei der weltweit führenden Logistikunternehmen jeweils ein neues Logistikzentrum im GVZ. Diese Ansiedlungen schaffen nicht nur zusätzliche Arbeitsplätze (allein im Hafen sind es mittlerweile insgesamt etwa 5 600), sondern sie sorgen auch für wichtige Synergien, insbesondere bei der Bündelung und lokalen Konzentration von Unternehmen und Verkehren, die so z.B. dem Stadtgebiet fernbleiben. Doch mit solcherlei Ansiedlungen ist vermutlich bald Schluss im Hafen. Es existieren kaum weitere Flächen und es fehlt vor allem von öffentlicher Seite an einer langfristigen Planung. Auch im Gewerbepark Feucht, dem zweiten größeren Areal für Logistik im Nürnberger Raum, ist kein Platz mehr.

Im Juli dieses Jahres hat der Stadtrat entschieden, 30 Hektar Hafenindustriegebiet Süd (HIG-Süd) künftig als Erholungsgebiet zu sichern und als Gewerbefläche aus dem Flächennutzungsplan herauszunehmen. Der gemeinsame Antrag von SPD und CSU erhielt im Stadtrat eine große Mehrheit. Es heißt weiter, „dass alternative Flächen für ein weiteres Wachstum des Güterverkehrszentrums Hafen Nürnberg geprüft werden“ (Nürnberger Nachrichten vom 24. Juli 2014).

Es bleibt allerdings völlig offen, wo eine solche Alternative existieren soll. Im Hafengebiet befindet sich ein leistungsstarkes Container-Terminal, das von den Unternehmen der gesamten Region intensiv genutzt wird. Durch eine Alternativfläche in Form eines GVZ II oder Ähnlichem entstünde unnötiger Zusatzverkehr vom und zum bestehenden GVZ, der die Umwelt belasten würde.

Was in der Region Nürnberg – trotz aller beschriebenen Fakten – fehlt, ist ein klares Bekenntnis zur Logistikbranche und ein dazugehöriger langfristiger Masterplan für die Logistikwirtschaft. Gerade in Bezug auf die Flächenplanung für die Logistik sind vergleichbare Standorte wie etwa Bremen seit Jahren besser aufgestellt. Dort wird die Logistikbranche intensiv unterstützt, das dortige GVZ ist frühzeitig mit Erweiterungsflächen beplant worden und eine eigene Einrichtung „VIA Bremen“ kümmert sich um die Interessen der Branche und um die Vermarktung des Standortes.

Was bedeutet das für die Zukunft der Region Nürnberg? Die Logistik wird sich selbst Flächen suchen müssen. Dies wird dann allerdings zu einer zunehmenden Zersiedelung der Immobilien führen. Die Folgen sind zusätzliche Verkehre und häufig brachliegende Synergiepotenziale, beispielsweise beim Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Ein fundierter Flächennutzungsplan, der Gebiete für bestimmte logistische Nutzungen im Raum Nürnberg vorplant und bedarfsgerecht ausweist, könnte dabei Abhilfe schaffen.

So braucht beispielsweise nicht jedes Logistikzentrum die Terminalangebote des Hafens oder die Nähe zur Innenstadt. Eine Flächenplanung in Kooperation mit den direkt umliegenden Standorten oder den Standorten der gesamten Metropolregion könnte verhindern, dass Interessenten abgewiesen werden müssen und an andere Wettbewerbsstandorte ziehen. Eine erste vorsichtige Kooperation gibt es dahingehend bereits in Form einer gemeinsamen Internet-Plattform (www.logistikportal-nuernberg.de), auf der sich Regionen der Metropolregion gemeinschaftlich den Ansiedlungsinteressenten aus der Logistik vorstellen. Abzuwarten bleiben die Ergebnisse des Gewerbeflächen-Entwicklungsprogramms der Stadt Nürnberg, das sich derzeit noch in Arbeit befindet, und die strategischen Rückschlüsse, die daraus für die Logistik gezogen werden sollen. Dies kann jedoch nur der Anfang sein, um nicht langfristig im Standortwettbewerb ins Hintertreffen zu gelangen.

Autor/in: Dr. Alexander Nehm, ist Geschäftsführer der Logivest Concept GmbH in München, die auf Standortmarketing und Beratung rund um das Thema Logistikstandorte spezialisiert ist. Bis vor Kurzem war der Autor Geschäftsführer der Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services SCS in Nürnberg (alexander.nehm@logivest.de).
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2014, Seite 104

 
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