Telefon: +49 911 1335-1335

Österreich

Alpine Herausforderungen

Bergsteiger Herausforderung Hürde © Ingram Publishing - Thinkstock.com

Die Wirtschaftsgesetze des Nachbarlandes weisen Unterschiede zu Deutschland auf. Beispielsweise bei der Entsendung von Mitarbeitern.

Was uns Österreicher von den Deutschen trennt, ist die gemeinsame Sprache“: Mit diesem Bonmot brachte Karl Kraus, der bedeutendste österreichische Schriftsteller des beginnenden 20. Jahrhunderts, die Unterschiede zwischen beiden Ländern auf den Punkt. Diese sind auch auf geschäftlichem Gebiet zahlreich. Dennoch verleitet die räumliche Nähe und die deutsche Sprache Geschäftsleute zu der Fehleinschätzung, in der Alpenrepublik sei alles so wie in Deutschland. Zudem wird aus der EU-weiten Reise- und Niederlassungsfreiheit irrtümlich geschlossen, alle gewünschten Geschäftsaktivitäten seien unbeschränkt möglich.

Dass Karl Kraus recht hat, lässt sich auch bei wirtschaftlichen Fachbegriffen feststellen: Florian Höland, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Deutschen Auslandshandelskammer in Österreich (DHK AT), nannte bei einer IHK-Informationsveranstaltung in Nürnberg einige Beispiele: Wird etwas „in Evidenz gehalten“, liegt es auf Wiedervorlage. Bei „Urgenz“ ist eine Frist versäumt, bei „Nostrifikation“ ist eine formale Anerkennung von Qualifikationen gefragt. Zu Missverständnissen führt auch die „Musterzeichnung“, wie Höland bei seiner Beratungstätigkeit erfahren hat: Ein deutscher Zulieferer hatte sich an einer Ausschreibung für die florierende Bauwirtschaft in Österreich beteiligt. Für die als Anlage geforderte Musterzeichnung fügte er den Querschnitt einer Lüftungsanlage bei und erhielt seine Unterlagen umgehend als abgelehnt weil fehlerhaft zurück. Der Grund: Mit „Musterzeichnung“ ist in Österreich eine beglaubigte Unterschriftenprobe gemeint.

Entsendung von Arbeitnehmern

Häufig stolpern deutsche Unternehmer auch bei der Entsendung von Arbeitnehmern über bürokratische Fallstricke: Viele bayerische Unternehmen verletzen im grenzüberschreitenden Geschäft mit Österreich in Unkenntnis der Rechtslage die Vorschriften des Nachbarlandes, berichtete Frank Dollendorf, Bereichsleiter Außenwirtschaft der IHK für München und Oberbayern. Denn wenn deutsche Betriebe Mitarbeiter auf Dienstreise nach Österreich schicken, sind verschiedene Melde- und Nachweispflichten zu erfüllen. „Selbst ein Messebesuch oder ein Kundendiensttermin in unserem Nachbarland ist nach den österreichischen Vorschriften spätestens eine Woche im Voraus in Wien anzumelden“, so Dollendorf. Zuständig für diese sogenannte ZKO-Meldung ist das österreichische Bundesfinanzministerium („Zentrale Koordinationsstelle des Bundesministeriums für Finanzen für die Kontrolle illegaler Beschäftigung“). Außerdem müssen die entsendeten Mitarbeiter im Vorfeld eine aktuelle deutsche Sozialversicherungsbescheinigung (A1-Bescheinigung) besorgen und diese mit sich führen. Zusätzlich haben sich Arbeitnehmer aus Deutschland innerhalb von drei Tagen nach Ankunft in Österreich beim zuständigen Gemeindeamt oder Magistrat zu melden. Dollendorf kennt sowohl den erheblichen bürokratischen Aufwand als auch Fälle von Strafzahlungen.

Außerdem haben deutsche Arbeitnehmer für die Zeit der Tätigkeit in Österreich einen Entgeltanspruch, wie er von vergleichbaren österreichischen Arbeitgebern an deren Arbeitnehmer gezahlt wird. Er kann durch gesetzliche Vorschriften, Verordnung oder kollektivvertragliche Regelungen festgelegt sein. Regelmäßig umfasst das in Österreich gezahlte Entgelt auch ein 13. und 14. Monatsgehalt. Zusätzlich haben entsandte deutsche Arbeitnehmer für die Dauer ihrer Entsendung zwingend Anspruch auf bezahlten Urlaub nach dem österreichischen Urlaubsgesetz, sofern das Urlaubsmaß nach den deutschen Rechtsvorschriften geringer ist. 

Die österreichische Gewerbeordnung fordert außerdem bei einem reglementierten Gewerbe eine Anzeige über die Erbringung grenzüberschreitender Dienstleistungen bzw. deren Kenntnisnahme durch das Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend. Bei Messen oder Verkaufsveranstaltungen für Privatkunden gilt für den Verkauf die österreichische Umsatzsteuer, die an den österreichischen Fiskus abzuführen ist. Beim Versandhandel an Privatpersonen ins Nachbarland gelten wiederum andere Vorschriften. Im Baugewerbe sind weitere Regularien, wie zum Beispiel die zwingende Mitführung der Lohnunterlagen, zu beachten.

Trotz trennender Aspekte zwischen den beiden Nachbarländern nimmt Bayern laut Höland eine Sonderstellung ein. Bayerische Unternehmen erhalten von österreichischen Betrieben häufig den Vorzug gegenüber potenziellen Geschäftspartnern aus anderen Teilen Deutschlands. Unterschiede gebe es auch innerhalb Österreichs, am stärksten zwischen der Hauptstadt Wien, zugleich Sitz sämtlicher Bundesbehörden, und dem Rest der Republik. In der Donaumetropole werde auch die Titelkultur mit Hofrat, Kommerzialrat, Doktor oder Magister nach wie vor kultiviert. Es gehe insgesamt etwas förmlicher, langsamer und indirekter zu als in anderen Teilen des Landes.

Über 1 200 Unternehmen aus Mittelfranken pflegen wirtschaftliche Kontakte mit österreichischen Geschäftspartnern. Rund 340 von ihnen sind mit längerfristigen Engagements wie Produktionsstätten, Vertretungen oder Niederlassungen im Nachbarland präsent. Laut der German Trade & Invest (GTAI), der Gesellschaft der Bundesrepublik für Außenwirtschaft und Standortmarketing, soll die österreichische Wirtschaft in diesem Jahr um rund 1,5 Prozent wachsen. Für das Land mit seinen 8,8 Mio. Einwohnern ist Deutschland der mit weitem Abstand wichtigste Exportmarkt, rund 30 Prozent der Ausfuhren gehen dorthin. Beim Import liegt der deutsche Anteil an Maschinen, Autos und Kfz-Teilen und weiteren Produkten sogar bei über 37 Prozent.

Autor/in: 
tt.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 11|2014, Seite 22

 
Device Index

Alle Ansprechpartner/innen auf einen Blick