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Bayerisches Wirtschaftsarchiv

Eine Zukunft für die Vergangenheit

Der Hauptmarkt, Ölgemälde von Lorenz Strauch © Der Hauptmarkt, Ölgemälde von Lorenz Strauch

Das Bayerische Wirtschaftsarchiv sichert seit 20 Jahren wertvolle Dokumente und Gegenstände der Wirtschaftsgeschichte. Von Dr. Eva Moser

Alter: 18 Jahre, Größe: 5 Fuß 3 Zoll, Haare: braun, Stirne: hoch, Augen: grau, Nase: dick“: Diese genaue Beschreibung anstelle eines Passfotos stand im Reisepass, den 1825 die „Polizey“ des Königreichs Bayern für den Hafnergesellen Xaver Mittermayr ausgestellt hatte, der als Töpfer und Ofenbauer unterwegs war. Diese Rarität vertraute Schauspielerin und Grimme-Preisträgerin Michaela May zusammen mit anderen wertvollen historischen Dokumenten aus der Überlieferung des familieneigenen Unternehmens, der Münchner Hafnerei Mittermayr, dem Bayerischen Wirtschaftsarchiv an. Dies ist ein Beispiel aus dem reichhaltigen Fundus der Gemeinschaftseinrichtung der bayerischen Industrie- und Handelskammern, die im Oktober ihr 20-jähriges Bestehen mit einem Festakt und einer Ausstellung im Bayerischen Landtag feierte.

1994 hatten sich die bayerischen IHKs entschlossen, gemeinsam ein regionales Wirtschaftsarchiv für ganz Bayern aus der Taufe zu heben. Die Bayerische Staatsregierung begrüßte diese IHK-Initiative zur Rettung, Sicherung und Erschließung von Archivmaterialien aus Unternehmen, Kammern und Verbänden. In den letzten vier Generationen hatte sich Bayerns Wirtschaft grundlegender verändert als in vielen Jahrhunderten zuvor. Aus dem stark agrarisch geprägten Königreich wurde eine moderne Demokratie mit einer leistungsstarken Industrie- und Dienstleistungswirtschaft. 1882 arbeiteten noch 60 Prozent aller bayerischen Erwerbspersonen in der Landwirtschaft, rund 90 Jahre später waren es nur noch sechs Prozent. Gleichzeitig stieg die Industriedichte – also die Zahl der Industriebeschäftigten je 1 000 Einwohner – um das Sechsfache. Diese „Erfolgsstory“ Bayerns hatten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nur wenige für möglich gehalten, denn die  Ausgangsbedingungen waren denkbar schlecht: Randlage und Eiserner Vorhang, unsichere Energieversorgung, kaum Rohstoffvorkommen, kriegszerstörte oder demontierte Industrieanlagen.

Die Beschäftigung mit diesem „bayerischen Wirtschaftswunder“ lohnt sich also. Jedoch wären Dokumentation und Analyse dieses Entwicklungsprozesses ohne Zahlen, Daten und historische Materialien nicht möglich. Mit Hilfe von Anschauungsstücken will das Bayerische Wirtschaftsarchiv die Wirtschaftsgeschichte des Freistaats zum Leben erwecken. In den 20 Jahren seines Bestehens konnte es inzwischen einen Quellenfundus von mehr als 5 500 laufenden Regalmetern an historisch bedeutsamen und einmaligen Schrift-, Bild- und Tondokumenten zusammentragen. Die Palette reicht von der Brauereiwirtschaft über schwäbische Textilunternehmen bis hin zur fränkischen Chemieindustrie oder Betrieben des Maschinenbaus. Unternehmen und Verbände können auf die Archivbestände für Jubiläumsvorbereitungen, Festschriften oder Werbemaßnahmen zurückgreifen. Darüber hinaus ist das Wirtschaftsarchiv auch Anlaufstelle für wirtschafts-, technik- und sozialgeschichtliche, aber auch heimatkundliche Forschung.

Rettung historischer Schätze

 Gerade im Mittelstand sind selten Mittel für Archivspezialisten oder Magazinräume vorhanden. Wichtige Dokumente der Firmengeschichte führen daher häufig ein Schattendasein in Kellern oder Speichern. Und bei Insolvenzen oder Betriebsverlagerungen beginnt für die Archivmitarbeiter oft der Wettlauf mit dem Reißwolf. Die Expeditionen in die bayerische Wirtschaftsgeschichte gestalten sich zum Teil sehr abenteuerlich. Taschenlampe und Stemmeisen sind unverzichtbare Hilfsmittel für die Archivmitarbeiter. Dabei konnte so mancher Schatz vor dem endgültigen „Aus“ gerettet werden, so z.B. historische Geschäftsunterlagen und umfangreiches Bildmaterial der Emil Kränzlein AG in Erlangen, der ehemals größten Bürstenfabrik Bayerns. Dieses Engagement der bayerischen Industrie- und Handelskammern wäre nicht möglich ohne die Unterstützung eines gemeinnützigen Sponsorenvereins, denn das Bayerische Wirtschaftsarchiv arbeitet ohne öffentliche Mittel oder Zuschüsse. Dem Förderkreis Bayerisches Wirtschaftsarchiv e.V. gehören rund 200 Unternehmen, Organisationen und Persönlichkeiten der Wirtschaft an.

Autor/in: 

Dr. Eva Moser ist Leiterin des Bayerischen Wirtschaftsarchivs in München (eva.moser@muenchen.ihk.de, www.bwa.findbuch.net).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 12|2014, Seite 18

 
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