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Wirtschaftsgeschichte

Nürnberg zwischen Pfeffer und High-Tech

Die Stadt war im Mittelalter ein wirtschaftliches Zentrum und schaffte im Zeitalter der Industrialisierung den Wiederaufstieg. Ein neues Buch beleuchtet die geschichtliche Entwicklung des Standortes.

Für Nürnberg und die Metropolregion gilt: Kreativität und Innovationsfähigkeit von Unternehmern waren der Rohstoff, der hier die Wirtschaft immer wieder zum Blühen brachte. Unternehmerischer Geist war stets als Nährboden vorhanden, um auch schlechte Zeiten zu überwinden. Das breite Spektrum an wirtschaftlichen Aktivitäten, die Vielzahl von „Hidden Champions“, die Messe und der Hafen, Parkanlagen für High-Tech und moderne Dienstleistungsgiganten sind nur einige Steine eines Mosaiks, die optimistische Prognosen für die Zukunft der Region erlauben.

Das ist die Botschaft des Buches „Zwischen Pfeffer und High-Tech“, einem Streifzug durch die Nürnberger Wirtschaftsgeschichte von Frank Thyroff, der 16 Jahre lang Leiter des Amtes für Wirtschaft war, und des Wirtschaftsjournalisten Dr. Wolfgang Mayer. „Das Buch ist ein umfassendes Nachschlagewerk über die Wirtschaftsgeschichte und zugleich eine spannende Lektüre – den Autoren ist damit ein echtes Kunststück gelungen“, so IHK-Präsident Dirk von Vopelius, der das Buch im Nürnberger Fembohaus vorstellte. Laut Nürnbergs Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly, der das Vorwort schrieb, schließt das Werk eine Angebotslücke der Nürnberg-Literatur.

Der Bogen zwischen Vergangenheit und Gegenwart wird breit gespannt. Lange bevor ein erhalten gebliebenes Dokument 1050 die Freilassung der Magd Sigena dokumentiert, drehten sich wohl an der Pegnitz Mühlenräder. Im Mittelalter war Nürnberg nach- und nebeneinander Kompetenzzentrum für etliche Branchen: für Kompasse, Musikinstrumente, Papier und Bücher, Rüstungsartikel und jede Menge Nischenprodukte. Die Vielfalt war das Erfolgsrezept der mittelalterlichen Wirtschaft – und ist es heute wieder. Etliche Beispiele zeigen, wie die Verknüpfung von Wirtschaft und Wissenschaft schon in der Vergangenheit die Wettbewerbsfähigkeit erhöhte. Heute wirkt Wissenschaft wieder als Katalysator.

Der Fernhandel sorgte für den Export der Handwerkserzeugnisse über Hunderte von Kilometern hinweg. Dank der besonderen Geschäftsbeziehungen mit Venedig wurden die Nürnberger Kaufmannszüge zu einer Verlängerung der Karawanen auf der orientalischen Gewürzstraße – damit verband sich eine frühe Form von Globalisierung.

Blüte im Mittelalter

Eine weise Ordnungspolitik des Rates der Reichsstadt war Voraussetzung für die Blüte im Mittelalter. Dazu gehörte Nürnbergs Umgang mit der Reformation: Ablassprediger waren hier unerwünscht, weil sie Kaufkraft abzogen, die besser den Handwerkern zugutekommen sollte. Natürlich profitierte die Reichsstadt von externen Entscheidungen. Vorgeschriebene Reichstage und Turniere waren mehr als simple Daten in der Chronik – sie brachten Massen von Besuchern in die Stadt und verschafften etlichen Gewerben reichliche Umsätze.

Obwohl die Reichsstadt nicht dem Königreich Bayern zugeschlagen werden wollte, wurde Nürnberg dank unternehmerischen Engagements zu seinem industriellen Herzstück. In anderen Darstellungen wird wenig beachtet, dass selbst die Einrichtung der ersten Eisenbahn zwischen Nürnberg und Fürth nur durch private Investitionen und Risikobereitschaft möglich wurde. Doch manchmal kam es anders als gedacht. Die Vorstellung, dass Nürnberg nach dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ zur Drehscheibe im Osthandel würde, war übertrieben.

Zahlreiche Namen aus der jüngeren Geschichte prägen das Profil der Wirtschaftsregion: Theodor von Cramer-Klett, Sigmund Schuckert, Johann Wilhelm Späth, Max Grundig, Gustav und Grete Schickedanz, Karl Diehl, Bernd Rödl, die Wöhrls, Heinz Sebiger und Gerd Schmelzer stehen für sehr unterschiedliche Facetten. Offenheit nicht nur für neue Technik, sondern auch für Zuwanderung trugen stets zum Erfolg bei.

Rückschläge gab es genügend. Der Dreißigjährige Krieg, die Umleitung der Fernhandelswege über die Ozeanrouten, zwei Weltkriege, zuletzt das Desaster der Südstadt-Industriebetriebe, von Triumph-Adler, AEG und der Quelle waren dramatische Einschnitte. Das Buch zeigt, dass Nürnberg auch für die Gewerkschaftsbewegung Akzente setzte und insbesondere die IG Metall eine mitgestaltende Rolle übernahm.

Die Einführung der Selbstverwaltung im Handel 1560 als Wurzel der Industrie- und Handelskammer sehen die Autoren als einen der Meilensteine in der Wirtschaftsgeschichte. Das Buch stellt andererseits heraus, dass es nicht nur die Patrizierdynastien waren, auf deren Risikobereitschaft der Erfolg aufbaute – da waren auch die Ballenbinder und Wagenlenker, die ihren Anteil daran hatten. Frühzeitig kümmerten sich übrigens die Handwerksbetriebe um Nachwuchsförderung. Durch diverse Stiftungen wurde ein soziales Netz geschaffen, das die Fachkräfte unterhalb der Meis-
terebene motivierte, in Nürnberg zu verbleiben. Maßnahmen gegen Altersarmut gehörten mit zur Fürsorge. Heute ist wiederum soziale Verantwortung gefragt, wie die Autoren betonen.

Thyroff und Mayer hatten über Jahrzehnte hautnah Einblicke, die sie nun erstmals weitergeben. Max Grundig beispielsweise erlag bei der Abgabe der Unternehmensführung an Philips einer Selbsttäuschung. Bei den AEG Hausgeräten wurde der Shareholder Value-Gedanke zum Totengräber. Das steht im Kontrast zum Mittelstand, der stets der Rolle als stabiles Fundament der Wirtschaft gerecht wurde. Quellenrecherchen der Autoren brachten Informationen zu Tage, die vorhandenes Wissen abrunden. Viele Akteure der letzten Jahre – Unternehmer, Manager, Politiker und Gewerkschafter – wurden für den aktuellen Teil des Buchs exklusiv interviewt. Die reiche Bebilderung, die Gestaltung durch den Designer Udo Bernstein und szenische Einstiege in die insgesamt 18 Themen lockern den Text auf erfrischende Weise auf. So eignet sich das Buch für Unternehmen als eine Visitenkarte für den Standort, an dem sie Zuhause sind.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 12|2014, Seite 20

 
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