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Auszubildende

Unternehmen als Bewerber

Wie macht man als Ausbildungsbetrieb Eindruck auf junge Leute? Wie gewinnt man sie als Azubis?

Für die Betriebe wird es immer schwieriger, alle Ausbildungsstellen zu besetzen. Die demografische Entwicklung und der Trend zum Hochschulstudium verringern die Zahl der Bewerber. Vier Handlungsfelder bieten Unternehmen Möglichkeiten zum Gegensteuern:

Arbeitgebermarke stärken: Die Unternehmen müssen die eigene Bekanntheit und ihre Attraktivität als Arbeitgeber steigern, um mehr geeignete Bewerber zu bekommen. Eine starke Arbeitgebermarke ist nicht nur für die Gewinnung von hoch qualifizierten und erfahrenen Fachkräften entscheidend, sondern auch, um das Profil als Ausbildungsbetrieb zu schärfen. Eine Marke muss aber immer von innen ausstrahlen, d.h. schöne Worte bei der Öffentlichkeitsarbeit bringen nichts, wenn das Arbeitsklima und die Bedingungen für die Mitarbeiter schlecht sind. Wenn die eigenen Azubis unzufrieden sind, wird sich das herumsprechen und abschreckend auf Bewerber wirken.

Deshalb sollte man herausfinden, was für die Zufriedenheit der Auszubildenden wichtig ist, und sich von ihnen und anderen jungen Mitarbeitern Rückmeldungen geben lassen. Anlässe für die Öffentlichkeitsarbeit können besondere Erfolge der Auszubildenden sein, aber auch Projekte und Aktionen der Azubis. Wichtige Multiplikatoren für solche Meldungen sind die Azubis selbst, die in ihren Communities glaubwürdiger für ihren Ausbildungsbetrieb werben können als ihr Arbeitgeber. Wenn das Unternehmen in den sozialen Netzwerken aktiv ist, sollten die jungen Mitarbeiter also mit einbezogen werden. Zeigen Sie Ihren Auszubildenden, dass das Management an ihnen interessiert ist und kommunizieren Sie das.

Nach Kompetenzen suchen, nicht nach Zeugnisnoten: Wenn die Bewerber mit den tollen Zeugnissen schon vergeben sind, müssen Unternehmen aus der Not eine Tugend machen. Dann braucht es intelligente Auswahlverfahren, um die guten Bewerber auch dann zu erkennen, wenn sie nicht auf den ersten Blick glänzen. Gute Noten sind zwar ein Indikator für geeignete Bewerber, aber auch unter Bewerbern mit weniger guten Zeugnissen finden sich erfahrungsgemäß geeignete Auszubildende. Wer Zeugnisnoten als ersten Filterschritt verwendet, nimmt sich die Chance auf überraschende Erkenntnisse über die jungen Menschen, die sich bewerben.

Auch das Zwei-Klassen-Auswahlsystem hilft hier nicht weiter: Wenn man nach dem ersten Filtern Bewerbern mit schlechteren Noten großzügig noch eine Chance gibt, hat man den Blick auf die echten Qualitäten bereits vernebelt. Diese Bewerber bleiben zweite Wahl – egal wie gut sie sind.

Deshalb die Empfehlung: Die Noten sollten frühestens bei der engeren Auswahl der Bewerber genauer betrachtet werden. „Bitte schicken Sie uns keine Zeugnisse“ wäre eine Aufforderung, die unter Absolventen und ihren Familien Neugier und Aufmerksamkeit erregt. Ring frei für die echten Kompetenzen! Stellen Sie den Bewerbern eine Aufgabe, die jeder Kandidat zu Hause löst und an Sie sendet. Oder besser noch: Laden Sie alle interessierten jungen Leute und deren Familien an einem Samstag zur Azubi-Rallye mit Betriebsbesichtigung ein und überreichen Sie allen Teilnehmern dieses offenen Assessment-Centers ein Zeugnis. Für das Unternehmen hat diese Veranstaltung zwei Vorteile: Es kann die Jugendlichen, die sich anschließend bei ihm bewerben, gut einschätzen. Darüber hinaus lässt sich die Veranstaltung gut für die Öffentlichkeitsarbeit nutzen.

Systematisch einarbeiten: „Learning by Doing“ ist ein wichtiger didaktischer Grundsatz, aber in der Praxis verdeckt er häufig die Tatsache, dass im Betrieb keine Lernpläne (nicht Lehrpläne!) und kein Konzept für eine systematische Einarbeitung vorhanden sind. Eine gute Ausbildung erfordert jedoch konkrete Lernstationen mit Raum für Anleitung, Vormachen, Nachmachen, Fehlermachen, Rückmeldung und Bessermachen. Statt Auszubildende einfach „mitlaufen“ zu lassen, sollten Unternehmen für jede erforderliche Fertigkeit einen Ausbildungsplan erstellen und die Mitarbeiter anleiten, die die Ausbildung in diesem Punkt übernehmen. Nicht jeder Auszubildende wird jede Station in der gleichen Geschwindigkeit lernen. Aber (fast) alle werden ihr Ziel erreichen.

Die Führungsfähigkeit von Vorgesetzten stärken: In Zeiten des Fachkräftemangels ist die Führungsfähigkeit der unmittelbaren Vorgesetzten ein bedeutender Erfolgsfaktor. Persönliche Reife, Stabilität und Einfühlungsvermögen sind zwar hilfreiche Persönlichkeitsmerkmale, aber Führung ist niemandem in die Wiege gelegt. Wer die Mechanismen von Kommunikation, Motivation und Konflikten versteht und das richtige Verhalten in herausfordernden Situationen übt, kann die nötige Führungskompetenz lernen. Das gilt nicht nur für das Top-Management, sondern auch für Meister, Schichtleiter und andere erfahrene Mitarbeiter, die Auszubildende betreuen. Ihnen sollte mit einem Führungstraining die nötige Führungskompetenz vermittelt werden.

In der Vergangenheit haben Unternehmen versucht, überdurchschnittlich fähige Mitarbeiter („die Besten“) zu gewinnen, um mit ihnen auf dem Markt zu bestehen. Heute entscheidet eine andere Fähigkeit über die Zukunft von Unternehmen: mit durchschnittlichen Mitarbeitern überdurchschnittliche Ergebnisse erzielen. Wer sich in dieser Disziplin behaupten möchte, dem bieten die genannten Handlungsfelder viele Chancen.

Autor/in: 

Dr. Rainer Feldbrügge ist Unternehmensberater in Nürnberg und unterstützt Unternehmen bei der Personal- und Organisationsentwicklung (www.feldbruegge.com).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 02|2015, Seite 24

 
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