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Stiftungen

Nachfolge geregelt

Unternehmer Vogel Papier © weerapat1003 - Fotolia.de

Stiftungen werden meist mit der Förderung des Gemeinwohls verbunden. Sie sind aber auch für die Nachfolgeregelung von Unternehmen interessant.

Es gibt eine große psychologische Hürde, sich mit den Themen Krankheit und Tod auseinanderzusetzen. Unternehmer bilden da keine Ausnahme.“ Diese Erfahrung macht Jürgen Belian häufig, der bei der IHK Nürnberg für Mittelfranken Unternehmer rund um das Thema Nachfolgeregelung berät. Und dieses Problem beschäftigt derzeit immer mehr Betriebsinhaber, weil die Babyboomer der Jahrgänge 1950 bis 1965 allmählich ans Aufhören denken. Ihre Kinder aus der Generation Y haben jedoch häufig andere Vorstellungen vom beruflichen Glück und betrachten die Übernahme des Familienbetriebs längst nicht mehr als Automatismus.

Vor diesem Hintergrund appelliert Belian an seine Klienten, sich rechtzeitig mit der Nachfolge auseinanderzusetzen: „Es geht schließlich um das Lebenswerk, um die Sicherung von Vermögen und um Arbeitsplätze.“ Dabei gibt es verschiedene Optionen für die Gestaltung der Nachfolge. Horst Brandstätter, der im Juni 2015 verstorbene Alleininhaber des Playmobil-Herstellers Geobra Brandstätter, hatte schon 2004 in einem Interview erklärt: „Die Überführung der Firma in eine Stiftung ist angedacht.“ Damit hatte er eine Option angesprochen, die – von Großunternehmen abgesehen – bislang noch selten als Instrument der Nachfolgeregelung in Erwägung gezogen wird. Dabei ist Deutschland das Land mit den meisten Stiftungen in Europa: Nach Angaben des Bundesverbands Deutscher Stiftungen gibt es 20 784 rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts (Stand 2014) mit einem Gesamtvermögen von rund 100 Mrd. Euro. In Bayern sind fast 3 800 Stiftungen registriert, davon rund 500 in Mittelfranken.

Die Einrichtung von Stiftungen hat eine lange Tradition: Die 1503 gegründete Dr. Lorenz Tucher’sche Stiftung des Nürnberger Patriziergeschlechts zählt zu den ältesten Familienstiftung Deutschlands. Heute setzt sie den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit auf die Verwaltung und Entwicklung ihrer Liegenschaften. Die Förderung des Denkmalschutzes sowie von Kunst und Kultur obliegt der 2012 gegründeten gemeinnützigen Tucher’schen Kulturstiftung. Sie unterstützt beispielsweise die Arbeit von Nachwuchswissenschaftlern und engagiert sich im Patronat des Windsbacher Knabenchors.

Stiftungen im Wirtschaftsleben

In dieser Rolle als Unterstützer sozialer Projekte und als Mäzene von Kultur und Wissenschaft haben sich Stiftungen im Non-Profit-Bereich fest etabliert. Aber Stiftungen können auch im Wirtschaftsleben wichtige und vielfältige Rollen übernehmen, beispielsweise als Investoren und Verwalter im Immobiliensektor, als Instrument der Nachfolgeplanung, als Anleger auf den Kapitalmärkten oder als Gesellschafter von Unternehmen.

Ein Beispiel dafür ist das Nürnberger Traditionsunternehmen Staedtler: Der Hersteller von Schreib-, Zeichen- und Kreativprodukten zählt zu den ältesten Industrieunternehmen Deutschlands. Seit 1997 werden sämtliche Anteile der Staedtler Gruppe von der Staedtler Stiftung gehalten, einer öffentlichen Stiftung des bürgerlichen Rechts, die der Gemeinnützigkeit verpflichtet ist. In ihrer Satzung sind die Unterstützung kultureller Projekte und die Förderung der inländischen wissenschaftlichen Forschung als Stiftungszweck festgeschrieben. Im Fokus stehen dabei die Universität Erlangen-Nürnberg und die Technische Hochschule Nürnberg – nach dem Leitmotto „Ideen und Wissen sind das Kapital der Zukunft“. Seit ihrer Gründung hat die Staedtler Stiftung über zehn Mio. Euro für mehr als 300 gemeinnützige Projekte in Wissenschaft und Kultur gespendet.

Wie bei der Staedtler Gruppe können sogenannte Unternehmensverbundene Stiftungen alle oder wesentliche Anteile an einem Unternehmen halten oder es selbst betreiben. Diese Anwendungsvariante der Stiftung taucht unter verschiedenen Bezeichnungen auf: Stiftungsunternehmen, Unternehmensstiftungen, gewerbliche oder unternehmensbezogene Stiftungen. Im Kontext der Nachfolgeregelung kommen solche Konstruktionen in der Regel dann zum Einsatz, wenn eine Zersplitterung der Unternehmensanteile dauerhaft vermieden werden soll. Über die Stiftung und ihre Organe wird der Fortbestand des Unternehmens auch bei mehreren Nachkommen sichergestellt. Sie profitieren weiterhin von den Erträgen, während die Führung, Verwaltung und Kontrolle des Unternehmens mittel- oder unmittelbar durch die Stiftung erfolgt.

Doppelstiftung

Eine interessante Variante der Unternehmensstiftung ist die Doppelstiftung, eine Kombination aus den Stiftungsformen Familienstiftung und gemeinnützige Stiftung, die Jan Jungclaussen, Rechtsanwalt und Steuerberater bei Rödl & Partner in Nürnberg, erläutert: „Dabei hält die Familienstiftung die Mehrheit der Stimmrechte an einem Unternehmen und sichert der Familie des Unternehmens dauerhaft den Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen. Die daneben bestehende gemeinnützige Stiftung erhält den Großteil der Ausschüttungen des Unternehmens und verfolgt mit diesen ihre steuerbegünstigten Zwecke.“ So könnten sich die Organe der gemeinnützigen Stiftung ganz auf die gemeinnützige Zweckverfolgung konzentrieren, ohne unternehmerische Entscheidungen zu treffen – das übernehmen die Organe der Familienstiftung. Allerdings gibt Jungclaussen zu bedenken, dass die Ausgestaltung einer Doppelstiftung extrem anspruchsvoll ist, weil sowohl zivilrechtliche und steuerliche Gesichtspunkte als auch die Besonderheiten des Gemeinnützigkeitsrechts zu berücksichtigen sind.

Ein weiteres Instrument der Nachfolgeregelung im Rahmen einer Unternehmensstiftung ist die Stiftung & Co. KG. Als Sonderform der Kommanditgesellschaft handelt es sich um eine Personengesellschaft. Der persönlich haftende Gesellschafter (Komplementär) ist dabei keine natürliche Person, sondern eine Stiftung. Diese Konstruktion findet sich bei einigen Traditionsunternehmen aus der Region, beispielsweise bei Kurz, dem in Fürth ansässigen Spezialisten für Heißpräge- und Beschichtungstechnologie. Karl Diehl, der Patriarch des gleichnamigen Technologiekonzerns, hat den Fortbestand des Familienunternehmens ebenfalls über ein Stiftungskonstrukt sichergestellt: Die Geschäftsführung der Kommanditgesellschaft Diehl Stiftung & Co. KG liegt in den Händen der Komplementärin, der Diehl Verwaltungs-Stiftung.

Aktuelles Beispiel für die Errichtung einer Stiftung & Co. KG im Zuge der Nachfolgeregelung ist die Geobra Brandstätter Stiftung & Co. KG. Der Hersteller der weltbekannten Playmobil-Figuren und der Lechuza-Kunststoff-Pflanzgefäße wird seit dem Tod von Alleininhaber Horst Brandstätter im Juni 2015 als Unternehmensstiftung weitergeführt.

Bei kleinen und mittleren Betrieben ist das Interesse an Stiftungen als Instrument der Nachfolgeregelung verhalten. In seiner Berater-Praxis bei der IHK Nürnberg sind Belian bislang kaum Fragen zu Stiftungen gestellt worden. Allerdings zählen zu seinen Klienten vor allem Betriebe mit einem durchschnittlichen Jahresumsatz von rund 300 000 Euro – und diese Klientel bevorzugt einfachere Varianten der Nachfolgeregelungen. „Eine personengebundene Übergabe an einen direkten Nachfolger wird meistens favorisiert“, so der IHK-Experte. Dennoch sieht er für größere, inhabergeführte Mittelständler die Stiftung durchaus als Möglichkeit, die Kontinuität des Unternehmens sicherzustellen. „Aber sie müssen wissen, dass es bei der Gestaltung von Stiftungen keine Lösungen von der Stange gibt“, betont Belian. In jedem Einzelfall müssten unterschiedliche wirtschaftliche, steuerliche, rechtliche und persönliche Voraussetzungen berücksichtigt werden, was in der Regel die Beratung durch spezialisierte Anwälte, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer voraussetzt.

Autor/in: 

aw.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 02|2016, Seite 42

 
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