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Inklusion

Wir lassen uns nicht behindern!

Ein neues Förderprogramm unterstützt dabei, schwerbehinderte Mitarbeiter in den Betrieb zu integrieren.

Schlaganfall, Krebserkrankung oder psychische Probleme: 85 Prozent aller Behinderungen werden durch Krankheiten verursacht. Auch Unfälle im Straßenverkehr, in der Freizeit oder im Berufsleben sind häufig Gründe dafür, dass sich mittelständische Unternehmen plötzlich mit einer Behinderung ihrer Mitarbeiter auseinandersetzen müssen. Wieder andere Betriebe würden bei Neueinstellungen gerne mehr Menschen mit Behinderungen berücksichtigen, wissen aber nicht, wie sie dies in der Praxis bewerkstelligen sollen. In all diesen Fällen will die IHK Nürnberg für Mittelfranken mit dem neuen Projekt „Implementierung von Inklusionskompetenz“ Hilfestellung leisten.

Eva Didion, die das Projekt bei der IHK koordiniert, weist darauf hin, dass sich auch Mittelständler aufgrund von alternden Belegschaften mit der Thematik beschäftigen sollten. Deshalb wolle die IHK mit der Initiative, die aus dem Ausgleichsfonds des Bundesarbeitsministeriums gefördert wird, Barrieren für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung abbauen. Man wolle konkrete Hilfe dabei leisten, Mitarbeiter mit Schwerbehinderung weiter zu beschäftigen oder neu einzustellen.

Interessierte Unternehmen können Beratungsgespräche mit einem IHK-Experten bzw. einem qualifizierten Berater vereinbaren, um sich u.a. über Fördermöglichkeiten und finanzielle Unterstützung zu informieren. Die Berater vermitteln geeignete Ansprechpartner bei Arbeitsagenturen, Rentenversicherung oder Integrationsamt, bei denen z.B. Eingliederungszuschüsse oder Förderungen für technische Umbauten und Weiterbildungen beantragt werden können. Zudem werden Kontakte hergestellt zu Integrationsfachdiensten, Werkstätten oder Beratungsstellen, die bei der Inklusion von behinderten Mitarbeitern am Arbeitsplatz behilflich sind.

Wie gut sich behinderte Mitarbeiter in den Betrieb integrieren lassen, zeigen zwei Beispiele aus Mittelfranken:

Härtha Weißenburg GmbH

Seit 2002 arbeitet Robert Lankes bei dem Weißenburger Unternehmen Härtha – Weißenburg GmbH, das Präzisionsteile aus Stahl härtet. Im April 2007 erlitt der damals 41-Jährige bei einem Verkehrsunfall auf dem Weg zur Arbeit ein Schädel-Hirn-Trauma. Nach den medizinischen Reha-Maßnahmen kehrte er in seinen alten Job als Fahrer zurück, der sich jedoch schon bald als zu anstrengend herausstellte. Auch eine Beschränkung auf kürzere Fahrten brachte keine Besserung. Geschäftsführer Thomas Bückert schlug deshalb einen Umstieg auf einen Arbeitsplatz im Betrieb vor. Deshalb wurde für ihn ein neuer Arbeitsplatz geschaffen, an dem er Teile für die Härtung vorbereitet. Außerdem wurde der Mittwoch als freier Tag eingeführt, sodass er die verkürzte und geteilte Arbeitswoche nun gut bewältigen kann. Seitdem stimmt für beide Seiten – Mitarbeiter und Firma – Leistung und Belastung. Das Fazit von Robert Lankes: „Ich kann froh sein, dass ich diese Stelle bekommen habe. Seit ich den Job mache, geht es mir viel besser.“

Auch die anderen Mitarbeiter haben diesen Fall positiv aufgenommen. Sie wissen, dass sie von ihrem Arbeitgeber auch in schwierigen Situationen nicht fallen gelassen werden. Die daraus resultierende Motivation macht sich auch in einer Krankheitsquote von gerade einmal zwei Prozent bemerkbar. Das Unternehmen investiert in ein eigenes betriebliches Gesundheitsmanagement und räumt den Mitarbeitern viel Spielraum bei der Gestaltung der Arbeitsplätze und der Abläufe im Betrieb ein. Geschäftsführer Bückert fasst es so zusammen: „Man muss den Menschen in den Vordergrund stellen. Wenn man auch in schlechten Zeiten zusammen steht, dann können es wieder gute Zeiten werden.“

Geologie Veith, Wilburgstetten

„Es ist machbar“, so lautet das Fazit von Armin Veith, der in Wilburgstetten acht Mitarbeiter in seinem Unternehmen Geologie Veith beschäftigt, das u. a. Bodengutachten, Bodenprüfungen auf Altlasten und Baustoffprüfungen durchführt. Seit September 2014 gehört der Auszubildende Niklas Hüner zum Team, der auf den Rollstuhl angewiesen ist. Er leidet an einer Muskelerkrankung, die dazu führt, dass er seine Sitzposition nicht von alleine verändern kann. Nach vielen Absagen auf seine Bewerbungen ergab sich über eine gemeinsame Bekannte der Kontakt zur Fima Veith. Zunächst wurde ein einwöchiges Praktikum vereinbart, nach dem sich beide Seiten auf eine Ausbildung zum Kaufmann für Bürokommunikation einigten. Vorab wurde eine Rampe im Außenbereich errichtet, alle Böden im Büro wurden erneuert und in der Höhe angeglichen. Ein technischer Reha-Berater der Arbeitsagentur half dabei, den Arbeitsplatz mit einem speziellen Schreibtisch sowie mit geeigneten Bürogeräten behindertengerecht einzurichten. Die Kosten für die Rampe und die besondere Arbeitsplatzausstattung wurden von der Arbeitsagentur übernommen.

Bianka Engelhardt vom Integrationsfachdienst (IFD) kennt Niklas Hüner schon seit der Berufsorientierungszeit an der Mittelschule, an der er die Mittlere Reife absolvierte. Sie unterstützte Ausbildungsbetrieb und Azubi bei Terminen beispielsweise mit der Arbeitsagentur. Die Integrationsberaterin hat die Kollegen von Niklas Hüner sensibilisiert und über sein Handicap informiert. Jeden Monat kommt sie persönlich vorbei und hilft in allen anstehenden Fragen. Dank dieser Unterstützung ist Niklas Hüner voll ins Team integriert und koordiniert beispielsweise die Tourenplanung der Geologen, besonders gefällt ihm die Buchhaltung. Über das vom IFD betreute Programm „Berufsorientierung individuell – Übergang Schule Beruf“ bekommt das Unternehmen zudem eine Sonderprämie in Höhe von 10 000 Euro.

Auch wenn es ein erheblicher organisatorischer Mehraufwand ist, die Teilnahme am alljährlichen Betriebsausflug ist selbstverständlich. „Wir gehen nur, wenn Niklas auch mitkommt“, betont Ausbilderin Dagmar Veith. So konnte er im vergangenen Jahr bei einem Ritteressen dabei sein. „Mein Mann und ich sind sehr stolz auf unsere Mitarbeiter, die so zusammenhalten und helfen.“ Aktuell erwägt Niklas Hüner, den Führerschein zu machen, um damit noch selbstständiger zu werden. Dagmar Veith sagt auch dabei die Hilfe des Unternehmens zu: „Wir möchten ihn unterstützen, dass er erreichen kann, was er möchte.“

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2016, Seite 46

 
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