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Türkei

Wie geht es weiter?

Türkei Istanbul © emregologlu - ThinkstockPhotos.de

Unsicherheit kennzeichnet die Stimmung vieler Unternehmer, die Geschäftskontakte mit der Türkei unterhalten.

Die Nachrichten aus der Türkei sind derzeit nicht gut: Der gescheiterte Putschversuch und die anschließende Verhaftungswelle, der autoritäre Führungsstil von Präsident Recep Tayyip Erdogan, Terroranschläge und der Konflikt in den Kurdengebieten sorgen für negative Schlagzeilen. Christian Hartmann, Türkei-Experte der IHK Nürnberg für Mittelfranken, stellt deshalb eine Verunsicherung bei mittelfränkischen Unternehmen fest, die Geschäftskontakte mit der Türkei unterhalten. Im Tagesgeschäft macht sich dies allerdings noch nicht bemerkbar: Die Zahl der Außenhandelsdokumente, die die IHK für Geschäfte mit der Türkei ausstellt, sei gleichbleibend. Um ein klareres Bild von der aktuellen Lage zu erhalten, hatte er gemeinsam mit dem Deutsch-Türkischen Unternehmerverein in der Europäischen Metropolregion Nürnberg (Tiad) zu einem Austausch eingeladen.

Peter Heidinger, Chef der Beratungsgesellschaft FMConsulting in Istanbul, berichtete ebenfalls von weitgehend normalen Geschäften. Einige deutsche Unternehmen verzeichnen nach seiner Beobachtung sogar glänzende Umsätze, weshalb die Führungskräfte vor Ort gerne ihre Fertigungsstandorte ausbauen würden. Von den deutschen Zentralen erhalten sie aber derzeit kein grünes Licht für größere Investitionen. Durch die deutsche Brille würden vor allem die Probleme der türkischen Wirtschaft gesehen, etwa die zweistelligen Minusraten im Tourismus, sagte Heidinger. Andere Praktiker erklärten beim Erfahrungsaustausch, die politische Verunsicherung sei nicht zu leugnen, aber angesichts einer wachsenden Bevölkerung und des kaufkräftigen Mittelstands gebe es weiter eine hohe Nachfrage. Zudem profitierten die Unternehmen von den zahlreichen Infrastruktur-Großprojekten. Als nach wie vor starke Branchen nannte Heidinger die Bauwirtschaft, den Maschinenbau sowie die Automobilindustrie und deren Zulieferer. Unverändert sei die Brückenkopf-Funktion der Türkei bei Geschäften mit den Ländern des Nahen Ostens. Seine Beratungskunden berichten jedenfalls von unverändert guten Umsätzen mit der sogenannten Mena-Region (Middle East and North Africa).

Wie unterschiedlich die wirtschaftliche Lage allerdings wahrgenommen wird, wurde durch die Erfahrungsberichte bei dem Unternehmertreffen deutlich: Ein Logistiker stellte keinerlei Veränderungen bei der Auslastung seine Transporte aus der und in die Türkei fest. Dagegen registrierte ein anderer Spediteur seit dem Putschversuch einen Rückgang von 15 Prozent beim Export in die Türkei, die Lieferungen aus der Türkei seien aber unverändert hoch. Ein Unternehmer beklagte Verzögerungen bei der Zollabwicklung vor Ort, weil ein Teil der Beamten durch Zwangsbeurlaubung oder Verhaftung außer Dienst sind. Berichtet wurde von einer türkischen Geschäftspartnerin, die zwei Wochen inhaftiert war und dann als unschuldig entlassen wurde. Auch eine Episode, von der ein anderer Unternehmer berichtete, zeigt die Nervosität: Beim Leiter einer türkischen Niederlassung riefen besorgte Kunden an und wollten zunächst ein Lebenszeichen vom türkischen Chef, bevor sie ihre Geschäfte fortsetzten. Grundsätzliche Kritik wurde geäußert an den öffentlichen Ausschreibungen in der Türkei, die nicht transparent seien. Tiad-Vorstandsvorsitzender Erdal Çeç berichtete zusammenfassend ebenfalls von der Unsicherheit und einen hohen Beratungsbedarf deutscher Unternehmer. Es gebe sicher Risiken im Türkei-Geschäft, die sich aber bei guter Vorbereitung minimieren ließen.

Dass sich die politische Lage noch nicht messbar in einer Verschlechterung der deutsch-türkischen Wirtschaftsbeziehungen niederschlägt, geht aus einer Umfrage hervor, die die Deutsch-Türkische Handelskammer in Istanbul (AHK) unter ihren Mitgliedsunternehmen durchgeführt hat. Demnach hielten drei Viertel der Betriebe trotz der angespannten Lage an ihren Jahreszielen fest, so AHK-Geschäftsführer Jan Noether. Die Mehrheit der Teilnehmer an der Befragung gab an, dass sie bereits getroffene Investitionsentscheidungen auch umsetzen wollen. Über die Hälfte der befragten Unternehmen würden auch Geschäftspartnern weiterhin empfehlen, in der Türkei zu investieren.

Nach Beobachtung Noethers funktionieren die Lieferbeziehungen bislang einwandfrei. Allerdings komme es bisweilen zu Problemen, weil durch die Entlassungswelle nach dem Putschversuch in Ämtern und Behörden einige der bisherigen Ansprechpartner fehlen und es deshalb zu Verzögerungen bei Verwaltungsverfahren kommt. Zudem empfiehlt Noether deutschen Firmen bei Lieferungen in die Türkei Vorsorge gegen mögliche Zahlungsausfälle zu treffen. Es sollte eine umgehende Zahlung verlangt werden, statt wie bisher üblich Geldtransfers in die Zukunft zu verlagern. Um sich angesichts der noch unsicheren Lage gegen Lieferausfälle abzusichern, sollten Teile, die von Zulieferern aus der Türkei importiert werden, bevorratet werden.

Autor/in: 

tt.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 11|2016, Seite 28

 
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