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Energieeffizienz

Intelligente Gebäude

intelligente Gebäude © chombosan/Thinkstock.com

Smart Buildings können dazu beitragen, die Stabilität der Stromnetze zu verbessern. Wie geht das und wie sieht die Daten¬sicherheit aus? Von Thomas Vogel

In Deutschland und weiten Teilen der Welt besteht Einigkeit darüber, dass der Klimawandel gestoppt werden muss. Die EU hat sich deshalb dazu verpflichtet, bis 2030 mindestens 40 Prozent weniger Treibhausgase auszustoßen als noch 1990. Hierzulande möchte man die 40-Prozent-Marke bis 2020 erreichen. Gelingen soll das insbesondere durch die Energiewende – den Umstieg von fossilen Brennstoffen und Atomenergie auf erneuerbare Energien. Dieser Schritt ist richtig und notwendig, bringt aber in puncto Netzstabilität und Versorgungssicherheit zahlreiche Herausforderungen mit sich.

Vor der Energiewende floss der Strom nur in eine Richtung: vom Kraftwerk zum Kunden. Heute beziehen die Netze den Strom vermehrt aus dezen­tralen Quellen, beispielsweise aus Windkraft- oder Photovoltaikanlagen. Es liegt in der Natur der Sache, dass dadurch die Planbarkeit erschwert wird. Bei Flaute oder bedecktem Himmel herrscht ein Stromdefizit, das die konventionellen Kraftwerke ausgleichen müssen. Bei viel Wind und Sonnenschein entsteht ein Energieüberschuss, der die Netze bereits heute teilweise bis an die Grenzen belastet. Der zu viel produzierte Strom wird unter dem hiesigen Preisniveau ins Ausland abgegeben. Dieses Ungleichgewicht lässt die Spannung im Netz schwanken, Störungen und Ausfälle drohen.

Um solche Lücken zu verhindern und die Energiewende gleichermaßen stabil wie bezahlbar zu gestalten, müssen Gewerbe- und Privatgebäude multidirektional in das Stromnetz eingebunden werden. Die Umsetzung ist in erster Linie eine Frage der Intelligenz: Es werden intelligente Gebäude (Smart Buildings), intelligente Netze (Smart Grids) und intelligente Zähler (Smart Meter) benötigt. Ein intelligentes Gebäude ist aber mehr als eine Waschmaschine mit WLAN oder die Möglichkeit, das Haus auch im Urlaub per Kamera aus der Ferne zu überwachen. Gemeint ist letzten Endes ein Gebäude, in dem es praktisch keine Insellösungen mehr gibt, sondern alle Gewerke bestmöglich über eine Steuerungssoftware miteinander vernetzt sind. Sämtliche Verbraucher (wie Heizung, Kühlung oder Licht), Erzeuger (wie Blockheizkraftwerk oder Photovoltaikanlage) sowie komfort- und sicherheitsrelevante Funktionen (z. B. Multimedia oder Alarmanlage) werden dabei in einer zentralen Benutzeroberfläche gebündelt und lassen sich bedarfsgerecht steuern.

Im Zusammenspiel mit Smart Grids (einem Hy­brid aus intelligentem Strom- und Datennetz) und Smart Metern (intelligente Stromzählern, die den Stromverbrauch im Gebäude in 15-minütigen Zeitintervallen messen) ermöglichen Smart Buildings ein modernes Verbrauchsmanagement, das nachhaltig für Netzstabilität sorgt. Liegt ein Stromdefizit vor, regelt die Software geeignete Verbraucher wie etwa die Wärmepumpe ab. Zeitgleich speisen Photovoltaikanlagen und Speicher überschüssige Energie in das Netz ein, ohne dass es dabei zu Komforteinbußen im Gebäude kommt. Denn der Nutzer bekommt von alledem nichts mit. Wenn im umgekehrten Fall zu viel Strom im Netz ist, sind intelligente Gebäude in der Lage, Netzlast abzunehmen. Die Software schraubt dann die Photovoltaik-Eigenerzeugung zurück, schickt Netzstrom in den Batteriespeicher und aktiviert Verbraucher, etwa durch das Laden des Elektroautos oder durch die Wärmepumpe, die den Wasserspeicher aufheizt.

Auch unter finanziellen Gesichtspunkten ergeben sich damit interessante Anwendungsszenarien: Wärmepumpen können „netzdienlich“, also netzstabilisierend, und damit besonders günstig betrieben werden. Waschmaschine und Trockner lassen sich automatisch dann starten, wenn die hauseigene Photovoltaikanlage genug Energie erzeugt hat oder Überschussstrom aus dem Netz kostengünstig zur Verfügung steht.

Die Frage nach der IT-Sicherheit

Bei allen Vorteilen, die intelligente Gebäudetechnik bietet, stellt sich immer auch die – berechtigte – Frage nach der IT-Sicherheit und dem Datenschutz. Und zwar in doppelter Hinsicht: Einerseits, weil Smart Meter Verbrauchsprofile messen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat hier jedoch einen Entwurf zum Schutz der Verbraucher erarbeitet, der klare Grenzen setzt: Die Übertragung von Nutzerdaten an den Netzbetreiber ist untersagt. Andererseits sind smarte Haushaltsgeräte im Gegensatz zu ihren analogen Vorgängern auch mögliche Einfallstore für Cyberkriminelle. Zumindest dann, wenn sie nicht ausreichend geschützt sind. Für die Realisierung umfassender und passgenauer Schutzmaßnahmen ist es ratsam, von Anfang an IT-Fachleute mit Erfahrung im Smart-Building-Bereich ins Boot zu holen. Zu den Grundpfeilern eines soliden Sicherheitskonzepts zählen unter anderem:

ganzheitliche Betrachtung: Die Schutzmaßnahmen dürfen sich nicht nur auf den Internet-Zugang oder die zentrale Steuerungssoftware beschränken, sondern müssen immer auch die Peripherie, zum Beispiel IP-Kameras, berücksichtigen.

geschütztes Netzwerk: Zum Schutz des Netzwerks tragen beispielsweise ein sicherer Netzwerkschlüssel und eine verringerte WLAN-Signalstärke bei, die nur innerhalb des Gebäudes zu empfangen ist.

lokales Netzwerk statt Cloud: Nutzerdaten sind in einem lokalen Netzwerk besser geschützt als in einer Cloud-basierten Lösung, die womöglich in einem Land mit lockeren Datenschutzgesetzen gehostet wird. Bei der Wahl des Smart-Building-Dienstleisters sollte dieser Aspekt berücksichtigt werden.

regelmäßige Updates: Durch Software-Updates beheben Hersteller regelmäßig bekanntgewordene Sicherheitslücken. Daher ist es wichtig, alle Komponenten stets auf dem aktuellen Stand zu halten.

Durch die multidirektionale Einbindung von intelligenten Gebäuden in das Stromnetz lässt sich die Energiewende also stabil und wirtschaftlich sinnvoll umsetzen. Den Nutzern bieten sich dabei ein Mehr an Komfort und die Möglichkeit, Energie und Kosten zu sparen. Und mit einer Gesetzgebung, die den Verbraucher schützt, sowie einem umfassenden IT-Sicherheitskonzept ist das Ganze auch datenschutzrechtlich unbedenklich. Bleibt die Frage, wann die Kombination aus Smart Building, Smart Grid und Smart Meter flächendeckend zur Verfügung steht. In der Gebäudetechnik sind die entsprechenden Lösungen sowohl im gewerblichen als auch im privaten Bereich bereits heute vorhanden. Woran es momentan mangelt, sind flexible Stromtarife und Geschäftsmodelle, die auch Anreize dafür schaffen, dass Nutzer bei Überschuss Strom aus den Netzen abnehmen. Hier braucht es gesetzliche Rahmenbedingungen, die es den Energieversorgern und Netzbetreibern ermöglichen, aktiv zu werden.

Vorbild Schweden

Handlungsbedarf besteht zudem bei den Smart Metern: Für 2017 hat die Bundesregierung geplant, unter anderem Industriekunden oder Haushalte, die jährlich mehr als 10 000 Kilowattstunden verbrauchen (zum Vergleich: ein Drei-Personen-Haushalt verbraucht durchschnittlich 3 600 Kilowattstunden), zum Einbau von intelligenten Stromzählern zu verpflichten. Bis 2020 sollen Nutzer mit einem Verbrauch zwischen 6 000 und 10 000 Kilowattstunden und bis 2032 alle weiteren Nutzer folgen. Wegen fehlender Gateway-Zertifizierungen verschiebt sich jedoch bereits die erste Installationswelle – ein Vorgang, der deutlich macht, wie dringend der Gesetzgeber einheitliche Smart-Meter-Standards etablieren muss. Wie das funktionieren kann, zeigt der Blick nach Schweden: Dort wurde bereits 2005 mit der Umrüstung begonnen, heute sind fast alle Haushalte mit einem intelligenten Stromzähler ausgestattet.

Externer Kontakt:

Thomas Vogel ist Geschäftsführer der Zeitgeist Engineering GmbH in Nürnberg, die sich auf die Bereiche Smart Building und Energiekonzeption spezialisiert hat (www.zeitgeist-engineering.de).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2017, Seite 22

 
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