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Gastronomie

Neue Chefs für die Wirtschaft

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Viele Hoteliers und Wirte in Mittelfranken hören in den nächsten Jahren aus Altersgründen auf. Wie finden sie geeignete Nachfolger?

Es ist nie zu früh, aber häufig zu spät.“ − Yvonne Stolpmann erlebt immer wieder, dass die Regelung der Unternehmensnachfolge gern verdrängt wird. „Die Mischung aus Betriebswirtschaft und Psychologie macht dieses Thema so komplex und hoch emotional“, stellt die Leiterin des Referats Gründungsförderung und Mittelstandsfinanzierung bei der IHK Nürnberg für Mittelfranken fest. Wer mit Herzblut und Leidenschaft einen Betrieb aufgebaut hat, dem fällt es schwer, sein Lebenswerk loszulassen.

Dieser Herausforderung müssen sich mehr und mehr Unternehmer stellen: Bis 2021 wird in Mittelfranken über alle Branchen hinweg bei circa 16 000 Unternehmen mit rund 78 000 Mitarbeitern die Übergabe anstehen. Davon gelten über 3 600 Betriebe mit insgesamt 62 700 Beschäftigten für potenzielle Nachfolger als besonders „wirtschaftlich attraktiv“, so die Studie „Erhebung und Analyse zur Unternehmensnachfolge in Bayern“ des Bayerischen Wirtschaftsministeriums. Kriterium für die wirtschaftliche Attraktivität war dabei unter anderem ein Mindestgewinn von 50 000 Euro pro Jahr.

Ein erfolgreicher Generationenwechsel ist nicht nur für die betroffenen Unternehmer und deren Beschäftigte von Bedeutung: Wenn ein Betrieb vom Markt verschwindet, droht der Verlust von Know-how und Arbeitsplätzen. Die IHK sehe es als Teil ihrer Verpflichtung gegenüber dem Wirtschaftsstandort, hier gegenzusteuern und umfassend zu informieren, wie Stolpmann betont. Die IHK Nürnberg für Mittelfranken hatte vor Kurzem mit Unterstützung der Wirtschaftsförderung Nürnberger Land eine vierteilige Seminarreihe zu verschiedenen Aspekten der Nachfolgeregelung angeboten. Den Abschluss bildete eine Veranstaltung in Lauf, die speziell die Situation in der Gastronomie beleuchtete. Der große Sitzungssaal im Landratsamt war fast bis auf den letzten Platz besetzt – was durchaus als Gradmesser für die Brisanz des Themas gedeutet werden kann.

Das Gastgewerbe hat in Bayern einen besonderen Stellenwert: In der Hotellerie und Gastronomie arbeiten etwa fünf Prozent aller Erwerbstätigen im Freistaat. Als standortgebundene Unternehmen mit engen Verflechtungen zum örtlichen Handwerk und zu Lebensmittelerzeugern spielen Hotels und Gaststätten für die regionale Wirtschaft eine wesentliche Rolle.

Hinzu kommt die sozio-kulturelle Bedeutung des traditionellen Wirtshauses „als Ort der Begegnung, des Austausches und der Geselligkeit“, wie Dr. Florian Kohnle, Co-Autor der Studie „Wirtshaussterben in Bayern“, feststellt. Aber durch den Strukturwandel in ländlichen Regionen und veränderte Freizeitgewohnheiten sei die Gaststätte nicht mehr der Knotenpunkt im Kommunikationsnetz. „Junge Leute leben ihr Bedürfnis nach sozialer Begegnung nicht mehr in der Dorfwirtschaft aus“, so der Wissenschaftler. Seit der Jahrtausendwende sind mehr als 3 000 gastgewerbliche Betriebe verschwunden. Vor allem die Schankwirtschaften in ländlichen Regionen haben zugesperrt. Meistens kommt der Exitus, wenn der Alt-Inhaber aufhört und potenzielle Nachfolger feststellen, dass das Gasthaus zu wenig abwirft, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Aber selbst für Restaurants oder Cafés, die bestens laufen, ist der Generationenwechsel eine große Herausforderung: „Wir bewegen uns hier in einer hochsensiblen Branche. Die Wirtin oder der Wirt ist die Seele eines Betriebes“, erklärt Dr. Uwe Kirst. Der Berater unterstützt Unternehmen bei Nachfolgeregelungen und weiß aus Erfahrung, dass die Gastronomie „ein extrem personenbezogenes Geschäft“ ist. Persönlichkeit und Ausstrahlung des Inhabers fallen bei der Kundenbindung stärker ins Gewicht als in anderen Branchen. Egal, ob ein Nachfolger aus der eigenen Familie oder von außen kommt: Der „menschliche Faktor“ macht die Übergabe eines Gastro-Betriebs zu einer besonderen Herausforderung.

Sechs-Stufen-Plan für die Übergabe

Dementsprechend hoch sollte die Messlatte für Nachfolge-Kandidaten gelegt werden; idealerweise sollten sie eine einschlägige Berufsausbildung, kaufmännische Kenntnisse, Branchenerfahrung und vor allem Lust auf die Selbstständigkeit mitbringen. „Wollen allein reicht nicht, es geht auch um das Können“, unterstreicht Uwe Kirst. Nicht immer bringe der Nachwuchs die nötigen Voraussetzungen mit („Sohn ist keine Qualifikation“), und manchmal hätten die Kinder auch schlichtweg keine Lust, den elterlichen Betrieb zu übernehmen. Aber daran brauche eine Übernahme nicht zu scheitern: „Es muss nicht immer Familie sein“, betont der Unternehmensberater. In jedem Fall gilt die Regel, dass die gründliche Vorbereitung über den Erfolg einer Übernahme entscheidet, so Kirsts Erfahrung. Er empfiehlt einen Sechs-Stufen-Plan mit den Phasen Kennenlernen, Testen, Orientierung, Reife, Übergang und Übergabe. Als Zeitrahmen veranschlagt er mindestens fünf Jahre.

Peter Bauer steckt in den letzten Etappen dieses Prozesses. 1980 hat er im „Café Bauer“ in der Hersbrucker Altstadt angefangen, das seine Eltern 1955 gegründet hatten. Unter seiner Leitung hat es sich zu einem Hotel und einem großen Restaurant entwickelt. Die Weichen für die Übergabe wurden in der Familie Bauer schon kurz nach der Jahrtausendwende gestellt, als sich die Tochter und ein Sohn für Berufswege im Gastgewerbe entschieden: Christina absolvierte eine Ausbildung als Hotelfachfrau, Michael lernte als Koch. Beide sammelten Erfahrungen in anderen Häusern, ehe sie nach Hersbruck zurückkehrten. Heute leitet Michael die Küche, Christina das Hotel und den Service im Restaurant.

Für Peter Bauer war es wichtig, seinen Kindern schrittweise mehr und mehr wirtschaftliche Verantwortung zu übertragen. Deshalb wandelte er seinen Betrieb vor einigen Jahren in eine GmbH um, an der beide Kinder Anteile halten. Peter Bauer wirkt sehr glücklich, dass nun die dritte Generation die Geschichte des „Café Bauer“ fortschreibt. Und für andere Familienunternehmer hat der Kreisvorsitzende des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga Bayern e. V. einen wichtigen Rat: „Versklaven Sie Ihre Kinder nicht.“ Die „plus/minus 30-Jährigen“ bringen Euphorie und Engagement mit, wollen aber nicht Tag und Nacht arbeiten.

Diese Einschätzung teilt Doris Reck-Hartmann. Sie hat den Anspruch, „höchste Qualität zu schaffen ohne sich totzuarbeiten“. Die gelernte Köchin und Hotelfachfrau hatte im Jahr 2012 das Gasthaus Fischküche Reck in Möhrendorf von ihrer Mutter Irmgard Reck übernommen und wurde 2017 für die gelungene „Verbindung von Tradition und Moderne“ mit dem IHK-Gründerpreis ausgezeichnet. Für (potenzielle) Nachfolger hat sie einen wichtigen Rat: „Schauen Sie genau hin und entscheiden Sie, was Sie beibehalten und was Sie anders machen wollen.“ Das Konzept des Vorgängers zu konservieren, funktioniere nur selten. Der Übernehmer müsse eigene Akzente setzen – und gegebenenfalls korrigieren, wenn es nicht funktioniert. An die Übergeber appelliert Doris Reck-Hartmann: „Lassen Sie Ihre Nachfolger eigene Fehler machen.“

Die Chefin der Fischküche Reck hat außerdem einen wichtigen Tipp für Nachwuchs-Gastronomen: nicht über veränderte Rahmenbedingungen jammern, sondern die Perspektive des Gastes einnehmen und entsprechend handeln. „Die jungen Leute kommen nicht mehr zum Stammtisch am Sonntagvormittag. Aber vielleicht bringt man sie am Samstagabend ins Lokal, weil sie doch lieber Karpfen statt Pizza essen.“ Dabei sei die Rolle der sozialen Medien nicht zu unterschätzen: „Was früher der Nachbar empfohlen hat, läuft heute über das Netz.“ Deshalb sei ein professionell gestalteter und aktueller Web-Auftritt extrem wichtig. Doris Reck-Hartmann empfiehlt Nachfolgewilligen, sich intensiv mit der betriebswirtschaftlichen Situation des Übernahmeobjekts zu beschäftigen: „Schauen Sie sich die Zahlen an. Und wenn Sie die nicht verstehen, lassen Sie sich von einem unabhängigen Fachmann beraten.“

Eine wichtige Anlaufstelle für Ratsuchende ist die IHK Nürnberg für Mittelfranken, die intensiv über die Themen Gründung und Unternehmensnachfolge berät. Die Palette umfasst neben Seminaren auch individuelle Beratungen, die jährlich von über 150 Unternehmen in Anspruch genommen werden. Außerdem besteht die Möglichkeit, ein Vorgründungs- oder Nachfolgecoaching zu absolvieren, wobei Zuschüsse für das Honorar eines externen Beraters beantragt werden können.

Nachfolge-Börse

Kostenlos sind Inserate auf der Unternehmensbörse www.nexxt-change.org: Für alle, die einen Nachfolger außerhalb der Familie suchen oder Interesse an der Übernahme eines Betriebs haben, ist das Portal die richtige Adresse (siehe WiM 1/2018, Seite 20). In dieser bundesweit größten Unternehmensbörse werden regionale Angebote und Nachfragen zusammengeführt; Inserenten können ihre Anzeigen anonym veröffentlichen (Inserate aus Mittelfranken, siehe Seite 57). Diese Plattform ist eine gemeinsame Initiative des Bundeswirtschaftsministeriums, der KfW Mittelstandsbank sowie von IHKs, Handwerkskammern, Verbänden und Kreditwirtschaft.

Zusammen mit den bayerischen Industrie- und Handelskammern und den bayerischen Handwerkskammern hat das Bayerische Wirtschaftsministerium die Offensive „Unternehmensnachfolge.Bayern“ initiiert, um das Thema Nachfolge stärker im Bewusstsein der Unternehmen zu verankern. Unter dem Motto „Nachfolge planen – Erfolg sichern“ soll der Mittelstand für die Unternehmensnachfolge frühzeitig sensibilisiert und über die zahlreichen Unterstützungsangebote in Bayern informiert werden. Ein wichtiges Medium ist das Online-Portal www.unternehmensnachfolge-in-bayern.de, das umfassende Informationen zu Themen wie Nachfolgeprozess, Finanzierung, Förderprogramme usw. bereit hält. Außerdem werden Unternehmen vorgestellt, die die Nachfolge beispielhaft geregelt haben.

Autor/in: 

(aw.)

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 03|2018, Seite 14

 
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