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Krisenunternehmen

Verschuldung begrenzen

Ein Schuldenschnitt bei notleidenden Unternehmen muss mit Bedacht durchgeführt werden. Sonst droht die Besteuerung von Sanierungserträgen.

Um die Sanierung von notleidenden Unternehmen voranzubringen, wird häufig ein sogenannter Schuldenschnitt vorgenommen. Dabei verzichten Gesellschafter oder sonstige Darlehensgeber wie etwa Banken auf einen Teil ihrer Forderungen. Damit wird eine bilanzielle Überschuldung und/oder die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft vermieden. Außerdem dokumentiert der Schuldenschnitt auch in rechtlicher Hinsicht, dass die entsprechenden Forderungen faktisch ganz oder teilweise uneinbringlich sind.

In der Praxis geht der Schuldenschnitt auch über einen sogenannten Debt-Equity-Swap vonstatten: Dabei werden die Forderungen der Gläubiger im Zuge einer Kapitalerhöhung zu neuen Anteilen an der Gesellschaft umgewandelt. Als (Sach-)Einlage zählen sie dann zum bilanziellen Eigenkapital. Dieses Vorgehen ist laut Insolvenzordnung auch im Insolvenzplanverfahren möglich (§ 225a Abs. 2 Satz 1 InsO). Neue Anteile an der Krisengesellschaft können aber nur in dem Umfang gewährt werden, in dem die eingelegte Forderung einbringlich und damit werthaltig ist.

Aus Sicht der zu sanierenden Gesellschaft sinken durch den Forderungsverzicht der Gläubiger die Verbindlichkeiten – buchmäßig entsteht ein sogenannter Sanierungsertrag. Wenn Gesellschafter Schulden erlassen, führt die Höhe des uneinbringlichen Teils der Forderung zu einem steuerlichen Gewinn. Verzichten fremde Dritte auf einen Teil ihrer Forderungen, führt der erlassene Nominalbetrag vollumfänglich zu einem Gewinn; in diesen Fällen ist der erlassene Teil der Forderung naturgemäß in vollem Umfang uneinbringlich.

Nicht abschließend geklärt war über viele Jahre, wie Sanierungsgewinne steuerlich zu behandeln sind, weil es keine ausdrückliche gesetzliche Regelung dafür gab. Das Bundesfinanzministerium (BMF) legte vor einigen Jahren die Grundlage für eine recht großzügige Verwaltungspraxis und begünstigte Sanierungsgewinne steuerlich (BMF-Schreiben vom 27. März 2003 und vom 22. Dezember 2009; sogenannter Sanierungserlass). Damit sollte verhindert werden, dass Steuerzahlungen die positiven Effekte der Sanierungsgewinne konterkarieren und im Ergebnis die Sanierung von krisengeschüttelten Unternehmen doch wieder behindert wird. Bei Vorliegen eines Sanierungsplans wurde die aus einem Sanierungsgewinn resultierende Steuer – nach vorheriger Verrechnung mit etwa bestehenden Verlustvorträgen – auf Grundlage einer typisierenden Betrachtung meist zunächst gestundet und anschließend erlassen.

Urteile des Bundesfinanzhofs

Der Bundesfinanzhof (BHF) hat diese Vorgehensweise aber schließlich für unzulässig erklärt (Beschluss vom 28. November 2016). Da es keine explizite gesetzliche Regelung gebe, widerspreche das Vorgehen dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. In einem weiteren Beschluss sowie zwei Urteilen (8. Februar sowie 23. August 2017) hat der BHF seine Position bekräftigt und u. a. klargestellt, dass auch Altfälle aus der Zeit vor dieser Rechtsprechung – entgegen einer zwischenzeitlich bekannt gemachten Verwaltungspraxis – grundsätzlich keinen Vertrauensschutz und damit keine steuerliche Privilegierung genießen.

Der Gesetzgeber hat darauf im vergangenen Jahr reagiert und die Steuerbegünstigung von Sanierungsgewinnen im Einkommensteuergesetz (EStG) neu geregelt. Allerdings ist die Regelung, die für Schuldenerlasse nach dem 8. Februar 2017 (dem Tag, an dem der BFH-Beschluss vom 28. November 2017 veröffentlicht wurde) gelten soll, noch nicht in Kraft. Die EU-Kommission muss nämlich noch zustimmen. Wann dies genau der Fall sein wird, steht derzeit noch nicht fest. Nach aktuellem Diskussionsstand dürften wohl keine größeren europarechtlichen Bedenken bestehen, da die Regelung keine bestimmten Unternehmen oder Produktionszweige bevorzugt und es sich damit mangels Selektivität nicht um eine europarechtswidrige Beihilfe handelt. Darüber hinaus liegt die Begünstigung von förderungswürdigen Unternehmen im öffentlichen Interesse.

Voraussichtliche Regelung

Vorbehaltlich der Zustimmung der EU-Kommission soll Folgendes gelten: Sanierungserträge sind von vorneherein steuerfrei, wenn sie auf einen Schuldenerlass zurückgehen, der die Sanierung des notleidenden Unternehmens zum Ziel hat (§ 3a Abs. 1 EStG). Die Begünstigung gilt, ohne dass die Gesellschaft einen Antrag stellen muss und ohne dass die Finanzverwaltung einen formellen Steuererlass aussprechen muss. Unabhängig davon muss nachgewiesen werden (beispielsweise durch Vorlage eines Sanierungs- oder Insolvenzplans), dass das Unternehmen tatsächlich sanierungsbedürftig ist und dass von dessen Sanierbarkeit ausgegangen werden kann. Außerdem muss der Schuldenerlass geeignet sein, die Sanierung voranzubringen, und die Gläubiger müssen tatsächlich die Absicht verfolgen, das Unternehmen zu sanieren (§ 3a Abs. 2 EStG).

Gelingt dieser Nachweis, soll Folgendes gelten:

  • Wenn der Sanierungsertrag steuerbefreit ist, entfallen im Gegenzug andere steuermindernde Aspekte bei der Gesellschaft und möglicherweise auch bei nahestehenden Dritten. So fallen nacheinander in einer detailliert festgelegten Reihenfolge z. B. steuerliche Verluste, Verlustvorträge usw. weg.
  • Dies gilt entsprechend auch für die Gewerbesteuer (§ 7b Gewerbesteuergesetz GewStG). Der Vorteil: Die bisher erforderliche, teilweise sehr aufwändige Beteiligung der Gemeinden bei der Festlegung der Gewerbesteuer ist nicht mehr notwendig.
  • Steuerlich nicht abzugsfähig sind Aufwendungen, die im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Sanierungserträgen stehen (§ 3c Abs. 4 EStG).

Auch wenn gemeinhin die Zustimmung der EU-Kommission erwartet wird, besteht bis zum tatsächlichen Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung noch eine erhebliche Rechtsunsicherheit. Zu empfehlen ist bis zum Inkrafttreten, dass betroffene Gesellschaften bei der Finanzverwaltung die Erteilung einer verbindlichen Auskunft beantragen, ob die Nichtbesteuerung eines Sanierungsertrags akzeptiert wird. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Finanzverwaltung solche Auskünfte in der Praxis in Einzelfällen noch immer erteilt. Dafür müssen die Details des Einzelfalls umfassend und nicht nur typisierend vorgetragen werden. Außerdem verlangt die Finanzverwaltung eine Begründung dafür, dass eine Besteuerung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre.

Dabei empfiehlt sich, schon jetzt auf die Kriterien des neuen § 3a EStG Bezug zu nehmen. Sollte eine verbindliche Auskunft doch nicht oder nicht rechtzeitig erteilt werden, bieten sich auch betriebliche Gestaltungsstrategien an, um finanzielle Sanierungen rechtssicher durchzuführen, ohne einen steuerpflichtigen Sanierungsgewinn auszulösen. Allerdings sind solche steuerlichen Gestaltungen in der Regel sehr komplex und erfordern fachliche Beratung. Relativ einfach anzuwenden ist in vielen Fällen die Tranchierung der Forderung: Diese wird zunächst in einen vorrangigen werthaltigen und in einen nachrangigen uneinbringlichen Teil aufgegliedert. Der werthaltige Teil kann dann im Wege einer Kapitalerhöhung durch (Sach-)Einlage steuerlich neutral in die Gesellschaft eingebracht werden. Auf diese Weise entsteht buchhaltungstechnisch kein Sanierungsgewinn.

Autor/in: 

Von Wilfried W. Krauß und Daniel Blöchle

Externer Kontakt:

Wilfried W. Krauß ist Rechtsanwalt und Steuerberater bei PwC PricewaterhouseCoopers in Nürnberg (wilfried.krauss@pwc.com). Daniel Blöchle ist Steuerberater bei PwC (daniel.bloechle@pwc.com).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2018, Seite 38

 
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