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Berufliche Ausbildung

Flexibel gestalten

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Die Ausbildung für leistungsstarke und für schwächere Azubis sowie auch für die Unternehmen attraktiver machen: Dies soll mit dem Modell „Dual mit Wahl plus“ gelingen.

Die Bildungsexperten, die bestehende Berufe anpassen oder neue Berufsbilder entwickeln müssen, stehen vor einem Dilemma: Wie kann der Ausbildungsberuf schwächeren und leistungsstarken jungen Leuten gleichermaßen gerecht werden und darüber hinaus die Erwartungen der Unternehmen abdecken? Außerdem: Wie fachspezifisch sollen die Berufsbilder ausgestaltet werden? Denn sie sollen auf der einen Seite den Anforderungen der einzelnen Branchen gerecht werden, aber auf der anderen Seite nicht zu einer Zersplitterung des Angebots führen. Denn eine Vielzahl von Ausbildungsberufen mit jeweils nur wenigen Azubis würde das Ausbildungsangebot unübersichtlich machen. Außerdem stellt dies vor allem die Berufsschulen oft vor große Schwierigkeiten, weil dann ein flächendeckender Berufsschulunterricht kaum mehr angeboten werden kann.

Auf diese Herausforderungen reagierte die IHK-Organisation vor zehn Jahren mit dem Modell „Dual mit Wahl“. Daran arbeitete maßgeblich auch Udo Göttemann mit, bisheriger Leiter des Geschäftsbereichs Berufsbildung der IHK Nürnberg, der vor Kurzem in den Ruhestand ging. Der Grundgedanke des Modells, das im Jahr 2007 vorgestellt wurde: Die Ausbildung wird im Wesentlichen in zwei Abschnitte eingeteilt. Im ersten Abschnitt werden die Kernkompetenzen einer Branche oder verwandter Ausbildungsberufe gemeinsam vermittelt, sodass – ungeachtet der späteren Spezialisierung – alle Azubis gemeinsam an der Berufsschule unterrichtet werden. Im zweiten Ausbildungsabschnitt wählen die Auszubildenden dann aus einem Kanon von Wahlpflicht- und Wahlfächern, um sich das in ihrem Betrieb besonders gefragte Wissen anzueignen. Ein Paradebeispiel für diesen flexiblen Ansatz sind die Ausbildungsberufe „Kaufmann/-frau im Einzelhandel“ und „Kaufmann/-frau für Büromanagement“, der im Jahr 2014 den „Kaufmann/-frau für Bürokommunikation“ und den „Bürokaufmann/-frau“ ablöste und sich großer Beliebtheit bei den Ausbildungsbetrieben erfreut.

Nach zehn Jahren wird dieses Modell nun unter der Bezeichnung „Dual mit Wahl plus“ weiterentwickelt: Damit reagiert die IHK-Organisation auf die Erfahrungen der letzten Jahre. Es hat sich gezeigt, dass zum einen schwächere Auszubildende häufig immer noch nicht die Abschlussprüfung schaffen, zum anderen aber starke Bewerber gleich nach der Ausbildung an eine Hochschule wechseln und den Betrieben damit wieder „verloren“ gehen. Außerdem werden Ausbildungsordnungen damit flexibler, um rechtzeitig auf technologische Entwicklungen reagieren zu können.

Deutscher Qualifikationsrahmen

Die Ausbildungsberufe sollen in Zukunft daher möglichst so gestaltet werden, dass sie drei Abschlussebenen ermöglichen, die sich an den Vorgaben des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR) orientieren:

  • Die meisten Azubis werden wie bisher in drei- bzw. dreieinhalb Jahren ausgebildet und schließen mit der IHK-Abschlussprüfung ab (DQR-Niveau 4; sogenannter „Leistungsabschluss“).
  • Schwächere Bewerber, die der üblichen Ausbildungsdauer nicht gewachsen sind, erlangen schon dann einen „Basisabschluss“ (DGR-Niveau 3), wenn sie den Teil 1 der Abschlussprüfung erfolgreich absolvieren, der in der Regel nach der Hälfte der Ausbildungszeit abgelegt wird. Dieser erste Teil der Abschlussprüfung hat in den meisten Ausbildungsberufen die frühere Zwischenprüfung abgelöst, die nur der Kontrolle des Leistungsstandes diente, aber nicht in die Abschlussnote einging.
  • Starke Bewerber, die sich mit dem Ausbildungsplan unterfordert fühlen und schon während der Ausbildung zusätzliches Fachwissen erwerben wollen, sollen künftig dazu schon während der Ausbildung Gelegenheit haben. Sie können sich Kenntnisse aneignen, die sonst erst bei Abschlüssen der höheren Berufsbildung vermittelt werden (z. B. in den Lehrgängen für Industriemeister, Fachkaufleute und Fachwirte). Auf diese Weise können sie bereits mit der beruflichen Ausbildung einen sogenannten „Vertiefungsabschluss“ erreichen, der dem DQR-Niveau 5 entspricht.

In den nächsten Jahren sollen die Ausbildungsberufe konsequent auf dieser Basis weiterentwickelt werden. Zwei wesentliche Ziele verfolgt die IHK-Organisation damit nach Worten von Stefan Kastner, neuer Leiter des IHK-Geschäftsbereichs Berufsbildung: Erstens solle der Basisabschluss, der schon nach zweijähriger Ausbildung erworben werden kann, schwächeren Azubis mehr Sicherheit geben. Er bilde einen guten Grundstock für eine dauerhafte Beschäftigung und eröffne zudem die Möglichkeit, später doch noch den gängigen IHK-Abschluss zu erwerben – also den „Leistungsabschluss“ nach DQR 4. Zweitens solle der neue vertiefte Abschluss dazu beitragen, dass sich noch mehr Abiturienten für eine duale Ausbildung entscheiden und den Betrieben danach auch als Fachkräfte erhalten bleiben.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2018, Seite 20

 
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