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Medizinprodukte

Versorgung der Patienten in Gefahr

Medizinprodukte © Cameravit/GettyImages.de

Zwei neue EU-Verordnungen gefährden die Versorgung der Patienten mit innovativen Medizinprodukten: Davor warnen der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und der Medizintechnik-Industrieverbands Spectaris.

Sie beziehen sich dabei auf die Ergebnisse einer gemeinsamen Umfrage unter Medizintechnik-Unternehmen (zehn Prozent von ihnen kamen aus Mittelfranken). Dabei wurden sie nach den Auswirkungen der neuen EU-Verordnungen zu Medizinprodukten (MDR) sowie zur In-vitro-Diagnostik (IVDR) gefragt. Der Einführungsfahrplan der beiden EU-Verordnungen, die Ende Mai 2017 in Kraft getreten sind, sorge für zusätzliche Bürokratie und erschwere vor allem kleinen und mittleren Betrieben den Marktzugang. Nach einer dreijährigen Übergangszeit muss die MDR ab 26. Mai 2020 verpflichtend angewandt werden, bei der IVDR endet die fünfjährige Übergangsfrist am 26. Mai 2022.

Fast 80 Prozent der Medizintechnik-Unternehmen erwarten laut der Umfrage erhebliche Schwierigkeiten bei der Markteinführung innovativer Produkte. Jedes dritte Unternehmen bange angesichts der verschärften Regelungen sogar um seine Existenz, so der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Achim Dercks, der auf folgende konkrete Probleme hinwies: Immer mehr Unternehmen müssten künftig bei einer sogenannten „Benannten Stelle“ eine Zulassung für ihre Medizinprodukte beantragen. Drei Viertel von ihnen klagten über zu lange Wartezeiten von der Antragsstellung bis zur Zertifizierung, so Dercks. Hinzu komme, dass es in Europa schlichtweg noch zu wenige „Benannte Stellen“ gebe und dass die bereits bestehenden zu wenig Mitarbeiter hätten.

„Diese Kapazitätsengpässe werden mit der neuen EU-Medizinprodukteverordnung weiter verschärft, da nun unter anderem auch die Hersteller von wiederverwendbaren chirurgischen Instrumenten eine Benannte Stelle benötigen“, so Spectaris-Geschäftsführer Jörg Mayer. Ein weiterer Aspekt ist die Unsicherheit über die unklare Rechtslage, die drei Viertel der befragten Unternehmen als Problem bezeichnen. So ist bei einigen Produktkategorien immer noch unklar, welchen Risikoklassen sie am Ende zugeordnet werden.

Der DIHK und der Fachverband unterstützen zwar ausdrücklich das Ziel der EU-Verordnungen, für sichere und verlässliche Medizinprodukte zu sorgen. Schärfere Verordnungen dürften aber nicht den medizinischen Fortschritt gefährden. Kommen die neuen EU-Verordnungen zur Anwendung, könnten lebenswichtige Nischenprodukte – wie etwa Medizinprodukte für Kinder – womöglich nicht mehr wirtschaftlich produziert werden, warnte Dercks. Dies betreffe vor allem die kleineren Unternehmen der Branche.

Dies wird durch die Umfrage bestätigt, an der sich 320 Unternehmen beteiligt haben (die meisten davon aus Baden-Württemberg und Bayern): Rund die Hälfte der befragten Unternehmen gab an, ihre Produktlinien verringern zu wollen. Etwa ein Drittel der Unternehmen, die ihre Produkte gemäß der MDR höher klassifizieren müssen, planen, Produkte aus dem Programm zu nehmen. Viele Produkte könnten zum Geltungsbeginn der MDR im Mai 2020 der Gesundheitsversorgung somit nicht mehr zur Verfügung stehen. Um den Unternehmen zu helfen, sollte die Politik deshalb praktikablere Übergangsphasen, einen Bestandsschutz für bewährte Altprodukte sowie Sonderregelungen für Nischenprodukte wie in den USA umsetzen, fordern DIHK und Spectaris.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2019, Seite 23

 
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