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Tochtergesellschaften im Ausland

Richtig verrechnet?

Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes erhöht die steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten für Unternehmen, die europaweit aktiv sind.

Wie werden grenzüberschreitende Lieferungen und Leistungen innerhalb einer Unternehmensgruppe korrekt berechnet? Und wie wirken sich solche internationalen Verrechnungspreise steuerlich aus? Dies sind häufig strittige Fragen im Rahmen der Betriebsprüfung von Gesellschaften, die in der Europäischen Union (EU) und im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) mit Tochtergesellschaften, Niederlassungen oder Betriebsstätten aktiv sind. 

Eine wichtige Rolle bei der Einschätzung der steuerlichen Konsequenzen spielt die Frage, inwieweit solche Verrechnungspreise „fremdüblich“ sind. Das bedeutet: Ist die Verrechnung zu Preisen erfolgt, die auch bei Geschäften zwischen „fremden“ Unternehmen üblich sind, oder wurden etwa der eigenen Niederlassung in einem europäischen Land niedrigere Preise berechnet? Werden intern solche „Sonderkonditionen“ gewährt, geht die Finanzverwaltung bisher in der Regel davon aus, dass die Verrechnungspreise für steuerliche Zwecke auf angemessenes Niveau korrigiert werden, sodass dieser Vorteil zu versteuern ist. Damit soll verhindert werden, dass durch internationale Verrechnungspreise Gewinne in ein Land verschoben werden, in dem niedrigere Steuersätze gelten.

Durch ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 31. Mai 2018 (Aktenzeichen C-382/16, sogenanntes „Hornbach-Urteil“) wurden nun die bisherige Gesetzeslage beanstandet und die Verwaltungspraxis eingeschränkt. Der konkrete Fall: Die niederländische Tochtergesellschaft der deutschen Hornbach Baumarkt AG befand sich in einer wirtschaftlichen Schieflage. Eine niederländische Bank machte eine weitere Zusammenarbeit mit ihr davon abhängig, dass die deutsche Muttergesellschaft eine sogenannte Patronatszusage ausstellt. Die deutsche AG gab diese Erklärung wie gewünscht ab – jedoch ohne der niederländischen Tochter dafür Kosten in Rechnung zu stellen. Die deutsche Finanzverwaltung sah diesen Vorgang gemäß der bisherigen Rechtsauffassung als „nicht fremdüblich“ an, denn ein externer Sicherungsgeber (z. B. ein Finanzinstitut) hätte eine solche Patronatserklärung nicht unentgeltlich abgegeben. Das Finanzamt setzte deshalb einen fiktiven Verrechnungspreis an, der das steuerliche Einkommen der deutschen Hornbach Baumarkt AG erhöhte und bezog sich dabei auf die entsprechende Vorschrift des Außensteuergesetzes (konkret: § 1 AStG).

Ungleichbehandlung

Gegen die auf dieser Grundlage geforderte Steuernachzahlung klagte die Muttergesellschaft. Die Klage begründete sie damit, dass bei einer ähnlichen Verrechnung zwischen inländischen Gesellschaften keine Korrektur durch das Finanzamt vorgenommen werde. Bei einem reinen Inlandsfall sei dies nämlich nur der Fall, wenn ein bilanzierungsfähiges Wirtschaftsgut zu fremdunüblichen Preisen überlassen werde. Der EuGH hatte also zu prüfen, ob die bisherige Besteuerung mit dem Europarecht vereinbar war oder ob eine Ungleichbehandlung gegenüber einem vergleichbaren inländischen Verrechnungsfall vorlag.

Die Europa-Richter gaben der Hornbach Baumarkt AG recht und schränkten die Anwendung des Außensteuergesetzes in diesem Fall stark ein. Begründung: Hätte die Muttergesellschaft die Patronatserklärung für eine inländische Tochtergesellschaft unentgeltlich abgegeben, hätte dies nicht zu einer Steuernachzahlung geführt. Damit sei eine Ungleichbehandlung gegeben, die einen Verstoß gegen die europarechtlich garantierte Niederlassungsfreiheit (gemäß Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV) darstelle. Eine Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung unter dem Aspekt der Wahrung ausgewogener Besteuerungsrechte zwischen den EU-Mitgliedstaaten sei nicht möglich. Jedoch sei die Ungleichbehandlung zulässig, wenn das Unternehmen keinen nachvollziehbaren „wirtschaftlichen Grund“ dafür anführen könne, dass die Leistung oder Lieferung nicht zu Marktpreisen erbracht wurde.

„Wirtschaftliche Gründe“ 

Das Urteil des EuGH besitzt erhebliche Tragweite für den internationalen Lieferungs- und Leistungsverkehr innerhalb von Unternehmen und Unternehmensgruppen sowie mit deren Tochtergesellschaften und Betriebsstätten in EU- und EWR-Ländern. Steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten ergeben sich insbesondere deswegen, weil der Begriff der vom Gericht geforderten „wirtschaftlichen Gründe“ sehr weit ausgelegt werden soll und deshalb zahlreiche Gründe in Betracht kommen, um einen niedrigen oder keinen Verrechnungspreis für bestimmte Lieferungen und Leistungen anzusetzen. Kurzum: Das Risiko, dass die Finanzverwaltung Steuernachzahlungen durchsetzen kann, dürfte sich durch die neue Rechtsprechung erheblich reduzieren.

Nach Auffassung der Europa-Richter kommen nämlich vielfältige „wirtschaftliche Gründe“ in Betracht, auf deren Basis „nicht fremdübliche“ Verrechnungspreise vereinbart werden können. Beispielsweise, wenn eine ausländische Tochtergesellschaft, die sich in einer Krisensituation befindet, durch andere Gesellschaften eines Konzerns gestützt werden soll. Oder wenn beabsichtigt ist, den Geschäftsbetrieb einer ausländischen Tochtergesellschaft zu erweitern. Dann können Wirtschaftsgüter (auch immaterielle Wirtschaftsgüter wie Marken, Patente usw.) unter Marktpreis oder unentgeltlich überlassen werden. Auch Finanzierungen oder die Erbringung gruppeninterner Dienstleistungen zu vergünstigten Konditionen sind laut EuGH-Urteil denkbar.

Für Unsicherheit, inwieweit diese Möglichkeiten tatsächlich von den Finanzämtern anerkannt werden, hat nun jedoch das Bundesministerium für Finanzen (BMF) gesorgt: Auf das EuGH-Urteil reagierte es am 6. Dezember 2018 mit einem Schreiben, in dem es den Spielraum aus dem EuGH-Urteil wieder einschränkt. In dem Schreiben vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, „wirtschaftliche Gründe“, die ein Abweichen vom Fremdvergleichsgrundsatz rechtfertigen könnten, seien grundsätzlich nur gegeben, wenn eine „sanierungsbedingte Maßnahme“ notwendig sei. Solche sanierungsbedingten Maßnahmen lägen nur dann vor, wenn die wirtschaftliche Existenz der Unternehmensgruppe insgesamt oder einer Konzerngesellschaft bedroht sei und deren Fortbestand z. B. durch Vermeidung der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit gesichert werden solle. Außerdem müsse der Steuerpflichtige nachweisen, dass die Unternehmensgruppe oder die Konzerngesellschaft sanierungsbedürftig und sanierungsfähig seien.

Diese Auffassung würde die Möglichkeiten aus dem sehr weit formulierten EuGH-Urteil erheblich einschränken und es dem Steuerpflichtigen deutlich erschweren, weitere „wirtschaftliche Gründe“ aus anderen Bereichen (z. B. die geplante Erweiterung des Geschäftsbetriebs von Konzerngesellschaften) geltend zu machen. Deshalb wird wohl die finanzgerichtliche Rechtsprechung klären müssen, wie das EuGH-Urteil zu bewerten ist.

Trotz des BMF-Schreibens sollten Unternehmen Steuerbescheide aus zurückliegenden Jahren prüfen, um möglicherweise zu viel gezahlte Steuern zurückzuerhalten. Das Urteil des EuGH wirkt auf Sachverhalte bis in das Jahr 2003 zurück, denn damals wurde die nun beanstandete Regelung des Außensteuergesetzes eingeführt. Zudem sollten europaweit tätige Unternehmen prüfen, welche steuerlichen Handlungsmöglichkeiten sich aus der neuen Rechtslage für künftige Geschäftsabläufe ergeben. Sie sollten aber auch im Auge behalten, inwieweit der Gesetzgeber ebenfalls auf das EuGH-Urteil reagiert und weitere rechtliche Anpassungen vornimmt, um eine Verrechnungspreiskorrektur durch die Finanzverwaltung auf europarechtskonforme Art vorzunehmen. Diskutiert wird dabei auch, die Korrekturmöglichkeiten der Verrechnungspreise auf Fälle im Inland (gemäß §1 AStG) auszuweiten.

Autor/in: 

Rechtsanwalt und Steuerberater Dr. Wilfried W. Krauß ist bei der Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) in Nürnberg tätig, Steffen Ritter in der Steuerabteilung der Brose Fahrzeugteile-Gruppe in Bamberg (wilfried.krauss@pwc.com, steffen.ritter@brose.com).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2019, Seite 32

 
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