Telefon: +49 911 1335-1335

Materialeffizienz

Weniger ist mehr

Materialeffizienz Erdöl © malerapaso/GettyImages.de

Der weltweite Rohstoffverbrauch explodiert: Materialeinsparung ist deshalb ein ökologisches und ökonomisches Muss.

Materialeffizienz ist und bleibt ein wesentlicher Baustein zur Kostensenkung in Unternehmen.“ Mit dieser klaren Ansage eröffnete Dr.-Ing. Robert Schmidt, Leiter des IHK-Geschäftsbereichs Innovation | Umwelt, die Veranstaltung „Materialeffizienz in der Metallverarbeitung – so kann’s gehen“. Zu diesem Unternehmerfrühstück hatte die IHK vor Kurzem gemeinsam mit dem Ressourceneffizienz-Zentrum Bayern (REZ) eingeladen. Am Beispiel eines Kleinwagens machte Schmidt deutlich, wie sich der Materialverbrauch in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat: Der Golf I brachte 1974 rund 750 Kilogramm auf die Waage; heute wiegt er je nach Ausführung zwischen 1 200 und 1 500 Kilogramm.

Global betrachtet zeigt sich dieser Trend noch dramatischer: Weltweit lag der Rohstoffverbrauch im Jahr 1970 bei 27 Mrd. Tonnen, im Jahr 2017 waren es 89 Mrd. Tonnen. Um gegenzusteuern, ist die Verbesserung der Rohstoffproduktivität essenziell. Diese Kenngröße setzt die Rohstoffentnahme ins Verhältnis zum Wirtschaftswachstum. Was die Entwicklung dieses Nachhaltigkeitsindikators anbelangt, schneide Bayern etwas besser ab als Gesamtdeutschland, erklärte Schmidt. Ausgehend vom Jahr 1994 (Index = 0) liege der Zielindex für 2020 bei 200.

Diese Marke zu erreichen, ist ein zentrales Anliegen des 2016 gegründeten Ressourceneffizienz-Zentrums Bayern. Das REZ ist ein Projekt des Bayerischen Umweltministeriums und wird durch das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) umgesetzt. Kooperationspartner sind die neun bayerischen IHKs. Aktuell ist das REZ an den Standorten München, Nürnberg und Augsburg präsent. Zielgruppe sind vor allem kleine und mittlere Unternehmen des produzierenden und verarbeitenden Gewerbes, die bei der Ressourcen-Einsparung beraten werden.

Rohstoffpreise steigen

Wie REZ-Expertin Claudia Bieloch unterstrich, gehen bei der Steigerung der Materialeffizienz ökologische und ökonomische Vorteile Hand in Hand: Der Umwelt bleiben die Belastungen bei der Entnahme und Verarbeitung von Rohstoffen erspart. Unternehmen können Kosten senken und ihre Versorgungssicherheit erhöhen. Immerhin gab in einer Befragung des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags (BIHK) mehr als die Hälfte der teilnehmenden Unternehmen an, mit steigenden Rohstoffpreisen konfrontiert zu sein. Insbesondere Basismetalle würden immer teurer, so der „Rohstoff-Report Bayern 2019“. 

Wie Bieloch berichtete, sei das Thema Materialeffizienz bereits in der Praxis der Unternehmen angekommen. Zur Illustration stellte sie drei Beispiele vor: Der in Heroldsberg ansässige Schreibwarenhersteller Stabilo hat einen „Greenpoint“-Filzschreiber entwickelt, der zu 87 Prozent aus recyceltem Kunststoff hergestellt wird. Multivac, ein auf Verpackungslösungen spezialisiertes Unternehmen mit Sitz in Wolfertschwenden, legt bei der Konstruktion von Verpackungsmaschinen größten Wert auf eine Verringerung des Materialverbrauchs. Beispielsweise werden die Abstände zwischen den Verpackungen möglichst knapp gehalten; die Zuschnitte sind so ausgelegt, dass der Folienabfall minimiert wird. Nach der Devise „Rework and Repair“ handelt die BMK Group, ein Auftragshersteller für elektronische Baugruppen und Systeme mit Sitz in Augsburg. Wenn machbar, setzt das Unternehmen auf die Reparatur und Umarbeitung elektronischer Baugruppen, anstatt diese zu entsorgen. 

Der sorgsame Umgang mit Ressourcen gehört seit vielen Jahren zu den Aufgaben von Norbert Hörauf, Leiter Umweltschutz & EHS Managementsystem bei der Schaeffler AG & Co. KG. Mit über drei Jahrzehnten Erfahrung ist der Ingenieur ein altgedienter Experte im betrieblichen Umweltschutz. Der global agierende Technologiekonzern mit der Zentrale in Herzogenaurach ist an allen 72 Produktionsstandorten weltweit nach dem Umweltmanagement-System Emas zertifiziert. „Unser Ziel ist die stete Verbesserung unserer Umweltleistung“, erklärte Hörauf bei der IHK-Veranstaltung. Er plädierte dafür, das Thema Ressourceneffizienz strategisch anzugehen und warnte vor „Klein-Klein-Denken“. Bei Schaeffler sei die Verbesserung der Materialeffizienz fester Bestandteil des Nachhaltigkeitsmanagements und eingebettet in das Konzept „Factory for Tomorrow“. Diese „Fabrik von morgen“ berücksichtigt das Prinzip geschlossener Stoffkreisläufe und andere Maximen nachhaltiger Produktion, etwa die Minimierung des Energieverbrauchs und die Energieerzeugung aus regenerativen Quellen. 

Schon heute spielt das Recycling bei Schaeffler eine wesentliche Rolle, beispielsweise beim Stahl. Davon verarbeitet das Unternehmen weltweit rund 1,1 Mio. Tonnen pro Jahr – ein enormes Potenzial für Recycling. Um es auszuschöpfen, sei die sorgfältige Trennung unabdingbar, erklärte Hörauf. So werden bei Schaeffler 60 verschiedene Fraktionen von Stahlabfällen gesammelt, die sich nach Güteklassen und Aggregatszuständen unterscheiden.

Dr. Norbert Werner, Geschäftsführer der in Nürnberg beheimateten SSF Verbindungsteile GmbH, brachte zum Unternehmerfrühstück als Anschauungsmaterial einen Ecklagerbolzen für Fenster mit. Das Besondere an diesem fast 80 Millimeter langen Teil: „Bei der Herstellung entstehen null Prozent Materialabfall“, erläuterte Werner. Dies sei dem Produktionsverfahren zu verdanken, da die Werkstücke durch Kaltmassivumformung produziert werden. Das heißt, sie werden nicht erwärmt, sondern bei Raumtemperatur bearbeitet. Dabei wird ein endlos gewickelter Draht durch mehrstufiges Pressen in die gewünschte Form gebracht. In der Regel sei die Kaltmassivumformung nur für größere Stückzahlen geeignet, weil hohe Investitionen in die eingesetzten Pressen erforderlich sind. Allerdings habe dieses „kalte“ gegenüber den „warmen“ Verfahren den Vorteil, dass die Werkstücke eine größere Maßgenauigkeit und Formhaltigkeit aufweisen. Werner betonte, dass die Weichen für die Verbesserung der Materialeffizienz bereits in der Entwurfsphase gestellt werden: „Wir überlegen gemeinsam mit dem Kunden, wo man Gewicht sparen kann.“ 

Einen Einblick in die Materialeffizienz bei der Additiven Fertigung – auch bekannt als 3-D-Druck – vermittelte Gerhard Wolf vom Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik („Umsicht“) beim Unternehmerfrühstück. Der Leiter der Abteilung Kreislaufwirtschaft am Standort Sulzbach-Rosenberg befasst sich mit Recyclingkonzepten und -technologien sowie Materialien für die Additive Fertigung. Eine ihrer wesentlichen Zutaten ist Pulver. Diesem Werkstoff gilt das besondere Augenmerk am Umsicht-Institutsteil in Sulzbach-Rosenberg. Dort stehen drei Anlagen mit verschiedenen, patentierten Möglichkeiten zur Pulverherstellung (Gas- und Heißgasverdüsung; Rotationszerstäubung). Geforscht wird auch an Recyclingtechnologien. Unter ökologischen Aspekten sind vor allem Lösungen gefragt, die einen erneuten Einsatz des Pulvers in der Additiven Fertigung oder zumindest in einer Ersatzanwendung ermöglichen. Dazu bedarf es der Pulverauffrischung und -aufbereitung, wobei klassische mechanische Verfahren, thermomechanische und thermochemische Verfahren sowie Schmelztechnologien angewendet werden.

Zu den Innovationen aus der Forschung des Umsicht-Instituts gehört der sogenannte iCycle-Prozess. Ein wichtiges Anwendungsfeld für dieses thermochemische Verfahren zur Stofftrennung ist die Aufbereitung von Schredderrückständen beim Elektroschrott-Recycling. Mit dieser Technologie lassen sich in sauerstofffreier Atmosphäre Kunststoffe und andere organische Bestandteile thermisch zersetzen. Dabei werden die im E-Schrott enthaltenen Fasern und Metalle schonend freigelegt. Zugleich lassen sich heizwertreiche Energieträger in Form von Öl und Gas gewinnen.

Autor/in: 

(aw.)

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2019, Seite 16

 
Device Index

Alle Ansprechpartner/innen auf einen Blick