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Äthiopien

Ein Land im Aufbruch

Bayerisches Afrika-Büro in Addis Abeba: Ministerpräsident Dr. Markus Söder und Wirtschaftsstaatssekretär Roland Weigert bei der offiziellen Eröffnung mit Büroleiterin Linda Schraml.

Delegationsreise zum Hoffnungsträger in Afrika: Welche Möglichkeiten ergeben sich für nachhaltige Wirtschaftskontakte?

Äthiopien ist auf dem Weg zum Vorzeigeland in Afrika, falls die politische Stabilität der jüngeren Vergangenheit anhält.“ Dies erklärte IHK-Präsident Dirk von Vopelius nach einem Besuch in dem Land am Horn von Afrika. Er war Mitglied einer Wirtschaftsdelegation, die Bayerns Ministerpräsident Dr. Markus Söder bei seiner Äthiopien-Reise Ende April begleitete. Rund 55 Unternehmensvertreter und Bildungsexperten gehörten der Delegation an, die von Bayerns Wirtschaftsstaatssekretär Roland Weigert angeführt wurde.

Das Land mit seiner schnell wachsenden Bevölkerung von derzeit über 100 Mio. Einwohnern wies in den letzten Jahren weltweit mit die höchsten Wachstumsraten auf. Zudem sorgen der neue reformorientierte Regierungschef Abiy Ahmed und dessen Friedensschluss mit dem Nachbarland Eritrea für Aufbruchsstimmung. Dennoch steht der Staat vor großen Herausforderungen wegen des hohen Bevölkerungswachstums, wegen ethnischer Konflikte und wegen des großen Nachholbedarfs in Bereichen wie Umweltschutz, Gesundheit, Ernährung, Entsorgung, Wasser und Energie. Deshalb ist Äthiopien stark an Investitionen aus dem Ausland und an intensiven Wirtschaftsbeziehungen mit Deutschland interessiert, wie bei den Gesprächen u. a. mit dem Wirtschafts- und dem Energieminister Äthiopiens sowie auf zwei großen Wirtschaftsforen deutlich wurde.

„Bei allen Ambitionen ist Äthiopien nach wie vor ein Entwicklungsland, das in der Vergangenheit daran litt, dass Hilfsgelder vielfach nicht zielgerichtet eingesetzt wurden. Bei den vielfältigen Herausforderungen ist das Land dringend auf nachhaltige Unterstützung gerade aus Europa angewiesen“, so Dirk von Vopelius. Gefragt seien deshalb weniger schnelle Geschäfte westlicher Unternehmen, sondern langfristig angelegte Investitionen, die am besten durch faire Betreibermodelle flankiert werden sollten. Chinesische Investoren hätten dies längst erkannt und agierten in Äthiopien – wie auch in anderen afrikanischen Ländern – sehr kreativ und strategisch. Die Zusammenarbeit mit China werde auch durch die beiderseitigen Erfahrungen mit staatswirtschaftlicher Lenkung erleichtert. Äthiopien erkenne jedoch die wachsende Bedeutung des privaten Sektors an und öffne – vom Finanzsektor abgesehen – die meisten Märkte nach und nach für private Investoren; ausländische Mehrheitsbeteiligungen seien nicht länger ein Tabu.

Angesichts des chronischen Devisenmangels müssten ausländische Unternehmen allerdings zu flexiblen Finanzierungskonditionen bereit sein – inklusive den Handel von Waren und Dienstleistungen auf Tauschbasis. Zum Ankurbeln der Wirtschaftsbeziehungen mit Afrika wünsche sich die bayerische Wirtschaft außerdem mehr Hilfen zur Absicherung und Finanzierung von Exportgeschäften. Ohne staatlich geförderte Instrumente der Risikoabsicherung sei das Afrika-Geschäft für viele Mittelständler kaum zu stemmen.

Äthiopien kann für bayerische Unternehmen ein guter Ausgangspunkt für ein weitergehendes wirtschaftliches Engagement in anderen ostafrikanischen Ländern sein. Dafür sprechen zum einen die wirtschaftliche Dynamik der letzten Jahre und die günstige geografische Lage am Horn von Afrika, zum anderen ist die Hauptstadt Addis Abeba der Sitz der Afrikanischen Union. Außerdem gibt es nun auch eine Anlaufstelle für bayerische Unternehmen: Während der Reise eröffneten Ministerpräsident Söder und Staatssekretär Weigert das Bayerische Afrika-Büro in Addis Abeba, das von Linda Schraml geleitet wird und mit der IHK-Organisation zusammenarbeitet. Zudem hat der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) vor Kurzem beschlossen, ein Delegiertenbüro in Äthiopien zu eröffnen – die Vorstufe einer deutschen Auslandshandelskammer (AHK).

Die IHK-Organisation will beim Engagement in Äthiopien einen Schwerpunkt auf die berufliche Bildung legen, so IHK-Präsident Dirk von Vopelius. Die bestehenden Hilfsprogramme für Afrika müssten besser aufeinander abgestimmt werden – gerade beim Thema Fachkräfteentwicklung. „Wir brauchen hier keine weiteren Pilotprojekte, sondern können unser bewährtes System der dualen betrieblichen Ausbildung einbringen“, sagte von Vopelius.

BIHK-Studie zum Afrika-Geschäft

Aktuell gehen nur 1,3 Prozent aller Exporte aus dem Freistaat nach Afrika – das entspricht lediglich den bayerischen Warenausfuhren in die Slowakei! Äthiopien führte im vergangenen Jahr Waren im Wert von nur 43 Mio. Euro aus Bayern ein und belegt damit in der Statistik der bayerischen Exportländer nur Rang 87. Die drei afrikanischen Spitzenreiter Südafrika (Platz 32 in der bayerischen Export-Rangliste), Ägypten (50) und Marokko (54) kauften im Vorjahr Waren für 1,6 Mrd. Euro aus Bayern. Aber auch dies ist relativ wenig, wenn man das gesamte bayerische Exportvolumen von 191 Mrd. Euro betrachtet. Doch Afrikas Gewicht in der Weltwirtschaft wird zwangsläufig stark zulegen, so eine aktuelle Studie des Ifo-Instituts im Auftrag des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags (BIHK). „Die traditionellen bayerischen Absatzmärkte in Europa werden in den kommenden Jahren und Jahrzehnten schrumpfen, während Afrika wächst“, heißt es dort. Gleichzeitig entwickle sich die Wirtschaft vieler afrikanischer Staaten positiver als vielfach wahrgenommen, mit Wachstumsraten deutlich über dem Durchschnitt der Industrieländer. Der Kontinent werde als Absatzmarkt und Produktionsstandort immer bedeutender.

Die Studie blendet aber die Hindernisse für Geschäfte in Afrika keineswegs aus: Genannt werden unzureichende Infrastruktur und politisch-institutionelle Risiken, darunter fehlende Doppelbesteuerungsabkommen. Außerdem kritisiert das Ifo-Institut Mängel im Bildungswesen, das in vielen Ländern Afrikas keine ausreichenden Voraussetzungen für eine betriebliche Fachkräfteausbildung schaffe. Der BIHK empfiehlt der Politik, afrikanische Initiativen zur wirtschaftlichen und regionalen Integration zu unterstützen. Dazu gehören die Afrikanische Union, das kurz vor der Ratifizierung stehende Afrikanische Freihandelsabkommen (AfCFTA) sowie der grenzüberschreitende Ausbau der Infrastruktur.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 05|2019, Seite 20

 
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