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Europa-Wahl 2019

Mehr Mut zu Europa!

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Wie geht es weiter mit der EU? Bei der Europa-Wahl am 26. Mai werden die Weichen für die Zukunft gestellt.

Die Europa-Wahl dürfte weitreichende Veränderungen des Europäischen Parlaments mit sich bringen: Umfragen zufolge könnten die klassischen Volksparteien bei der Abstimmung vom 23. bis 26. Mai (in Deutschland am Sonntag, 26. Mai) Stimmen und Sitze verlieren, während für europakritische Parteien Zuwächse zu erwarten sind. Die Ausrichtung des neuen EU-Parlaments spielt auch für die Wirtschaft in Deutschland eine erhebliche Rolle. Denn über einen großen Teil der wirtschaftsrelevanten Regulierungen werde nicht in Berlin, sondern in Brüssel entschieden, so der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK), der vor Kurzem die Ergebnisse des „IHK-Unternehmens-Barometers“ zur Europa-Wahl veröffentlicht hat.

„Die Diskussionen über den Brexit verdeutlichen anschaulich, wie groß die Errungenschaften des Binnenmarktes sind – und wie wenig selbstverständlich“, so DIHK-Präsident Dr. Eric Schweitzer. Auch wenn europäische Gesetze mitunter zu Belastungen und erheblichem Frust bei den Unternehmen führten, bleibe die EU unter dem Strich das weltweit größte Projekt zum Abbau von Bürokratie und Handelshemmnissen. Daran müsse die EU weiter arbeiten. Sie sollte beispielsweise verstärkt auf die Vermeidung unnötiger Dokumentations-, Berichts- und Nachweispflichten achten, damit auch kleine und mittlere Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben und nicht in der Papierflut untergehen.

In einer multipolaren Welt mit aufstrebenden Schwellenländern werde ein einzelner Mitgliedsstaat allein keine prägende Rolle spielen, so der DIHK-Präsident. Eine starke und geschlossene EU könne das aber durchaus. Aus Wirtschaftssicht ist dies besonders bei internationalen Verhandlungen wichtig, zum Beispiel beim Ringen um Handelsregeln oder Klimapolitik sowie für den Schutz von Daten und von geistigem und materiellem Eigentum. Hier müsse sich die EU grundlegend einigen, für welche Werte und Prinzipien sie steht – im Rat und im neuen EU-Parlament. „Lassen sich die Mitgliedstaaten und Institutionen stattdessen von Drittländern auseinanderdividieren, können wir unsere Prinzipien nicht durchsetzen und überlassen somit anderen die globale Gestaltungshoheit in wirtschafts- und handelspolitischen Fragen“, so der DIHK-Präsident.

Friedensprojekt Europa

Das sieht auch Dirk von Vopelius, Präsident der IHK Nürnberg für Mittelfranken, so und ergänzt: „Rechtssicherheit und Arbeitnehmerfreizügigkeit sind zwei weitere herausragende Standortvorteile der Europäischen Union. Glücklich schätzen dürfen wir uns vor allem über das Friedensprojekt EU, das Europa die längste Friedensperiode seiner Geschichte beschert hat.“ Er verwies auch auf die enge wirtschaftliche Verflechtung der EU-Mitgliedsstaaten, die ein wesentlicher Garant für Arbeitsplätze und Wohlstand sei – gerade auch in der Exportnation Deutschland. Dies gelte nicht zuletzt für die Wirtschaftsregion Nürnberg mit ihrer starken Industrie und ihrer überdurchschnittlichen Exportquote von rund 50 Prozent.

Gerade wegen der großen Bedeutung Europas hat die deutsche Wirtschaft aber auch klare Vorstellungen von den politischen Prioritäten. Das wird auch im IHK-Unternehmens-Barometer zur Europa-Wahl deutlich: Höchste Dringlichkeit hat für die Betriebe, dass sich die EU nach der Wahl verstärkt um die Krisenresistenz der Wirtschafts- und Währungsunion kümmert. Rund die Hälfte der deutschen Unternehmen wünscht sich der Umfrage zufolge darüber hinaus Initiativen, die die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft stärken. Dazu gehören aus ihrer Sicht vor allem die Sicherung von Fachkräften durch eine stärkere Berufsbildung in der EU, verbesserte internationale Handelsregeln und die Vereinheitlichung der steuerlichen Bemessungsgrundlagen. Unter den „Top 5“ der Prioritäten findet sich zudem der Wunsch, die EU möge bei neuen Regulierungen die Auswirkungen auf kleine und mittlere Unternehmen verbindlich berücksichtigen.

Notwendig sei ein klares Bekenntnis der Mitgliedsstaaten zu ihrer Europäischen Union, fordert der DIHK. Die Verantwortung für unpopuläre Entscheidungen fast schon reflexartig auf die EU abzuwälzen, erweise sich am Ende stets als politischer Bumerang. Dies mache nicht zuletzt der Brexit-Prozess deutlich. Aber auch die Wirtschaft sei gefragt, die Bedeutung der EU für Wohlstand und Arbeitsplätze deutlicher zu kommunizieren und sich zusammen mit anderen Akteuren aktiv in die Gestaltung der zukünftigen EU einzubringen.

 

Wirtschaftsfaktor EU

Kampagne der IHK-Organisation

Hier will die IHK-Organisation mit gutem Beispiel vorangehen und hat im April ihre Kampagne „#GemeinsamEuropaGestalten“ gestartet. Damit wirbt sie – auch über die Europa-Wahl hinaus – für ein europäisches Engagement der deutschen Wirtschaft sowie für eine handlungs- und zukunftsfähige EU. Auf dem Online-Portal www.ihk.de/Europa sind umfangreiche Informationen zur Europäischen Union abrufbar sowie Statements von Unternehmern, die die Bedeutung der EU für ihre Betriebe erläutern.

Auf dem Portal stehen auch die „Europapolitischen Positionen der IHK-Organisation 2019“ zum Download bereit. Unter dem Motto „Für ein Europa – das gemeinsam stärker ist“ werden 21 wirtschaftliche Handlungsfelder vorgestellt (u. a. Binnenmarkt, Finanzmärkte, Innovation, Wettbewerbsrecht, Beihilfenrecht) und konkrete Lösungsvorschläge für die europäische Wirtschaftspolitik unterbreitet.

Zusammenfassen lassen sich die Vorschläge mit diesen zentralen zehn Forderungen:

  • Binnenmarkt vorantreiben, EU als Investitionsstandort fit machen / Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen stärken
  • freien Handel stärken, Handelshemmnisse verringern, Bürokratie abbauen
  • geeignete digitale Rahmenbedingungen schaffen / hochleistungsfähige Breitbandnetze (drahtlos und drahtgebunden) in ganz Europa zügig ausbauen
  • Innovationskraft Europas stärken, um zur weltweiten Innovationspitze aufzuschließen
  • europäische Verkehrsinfrastruktur an den wachsenden Bedarf anpassen / Engpässe zügig beseitigen und marode Anlagen sanieren
  • krisenfeste Währungsunion schaffen, Staatsschulden und faule Kredite in den Mitgliedsstaaten beseitigen
  • Fachkräfte ausbilden: Ausbildungsreife verbessern, berufliche Aus- und Weiterbildung gemeinsam mit der Wirtschaft attraktiv gestalten
  • in den Regionen auf Innovationen und Digitalisierung setzen / Kompetenzen der kleinen und mittleren Betriebe stärken
  • Wettbewerbsfähigkeit des Standortes im Blick behalten und Steuersystem vereinfachen
  • neue wirtschaftliche Beziehungen mit dem Vereinigten Königreich frühzeitig entwickeln

DIHK-Büro in Brüssel

Die IHK-Organisation will Europa mitgestalten und ist deshalb seit 1961 mit einem eigenen DIHK-Büro im Herzen Brüssels vertreten. 17 Mitarbeiter kümmern sich dort um Themen wie Europäischer Binnenmarkt, Handels- und Regionalpolitik sowie Umwelt- und Energiepolitik. Das Team verfolgt neue Gesetzesinitiativen, bringt die IHK-Positionen in die Diskussionen in Kommission und Parlament ein. Außerdem bereitet des Brüsseler Büro Informationen für die IHKs und deren Mitglieder auf. Aus der Feder des Brüsseler Brexit-Experten stammt beispielsweise die Brexit-Checkliste, die Unternehmen bei der Vorbereitung auf den britischen EU-Austritt unterstützen soll. Darüber hinaus setzt sich der DIHK für eine effiziente europäische Energie- und Klimapolitik ein. Diese hilft Deutschland dabei, bei seiner Energiewende die Kosten im Zaum zu halten. Auch auf Drängen des DIHK hat Europa vor Kurzem Regeln verabschiedet, die langfristig zu einer günstigeren Energieversorgung für die Industrie in ganz Deutschland beitragen können.

Ein wichtiges Arbeitsfeld ist die Handelspolitik, die vollständig in der Kompetenz der EU liegt. So enthält das gerade in Kraft getretene Freihandelsabkommen zwischen der EU und Japan auf Initiative des DIHK ein eigenes Mittelstandskapitel, das erstmals in ein solches Abkommen eingefügt wurde. Einfachere Regeln für den Mittelstand – das ist ein wichtiges Ziel des DIHK-Büros in Brüssel, das dabei eng mit dem europäischen Kammerdachverband Eurochambres zusammenarbeitet, der sein Büro in direkter Nachbarschaft hat.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 05|2019, Seite 12

 
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