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Internationale Steuergestaltungen

Bitte melden!

Neue Meldepflicht ab 1. Juli 2020: Der Gesetzgeber nimmt grenzüberschreitende Steuergestaltungen stärker ins Visier.

Unternehmen mit Auslandsaktivitäten werden im kommenden Jahr dazu verpflichtet, den Finanzbehörden „potenziell aggressive, grenzüberschreitende Steuergestaltungen“ mitzuteilen. Damit nimmt der Gesetzgeber internationale Steuermodelle ins Visier, die in erster Linie gewählt werden, um Steuerzahlungen zu verringern oder zu vermeiden. Das entsprechende Bundesgesetz soll noch in diesem Jahr verabschiedet werden. Damit setzt die Bundesrepublik die EU-Amtshilferichtlinie 2018/822/EU („DAC 6“) in deutsches Recht um, die am 25. Juni 2018 in Kraft getreten ist. Diese verpflichtet die EU-Mitgliedsstaaten, für einen automatischen Informationsaustausch bei meldepflichtigen grenzüberschreitenden Steuergestaltungen zu sorgen (siehe WiM 11/2019, Seite 46/47).

Nach aktuellem Stand müssen Unternehmen ab dem 1. Juli 2020 die entsprechenden Meldungen elektronisch mit einem amtlich vorgeschriebenen Datensatz an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) übermitteln. Gemeldet werden müssen auch entsprechende Steuergestaltungen, deren erster Schritt nach dem 24. Juni 2018 erfolgte und die bis zum 30. Juni 2020 umgesetzt wurden bzw. werden. International tätige Unternehmen müssen effiziente interne Prozesse einrichten, um mitteilungspflichtige Gestaltungen zu identifizieren und zu dokumentieren.

Welche Gestaltungen sind meldepflichtig?

Eine grenzüberschreitende Gestaltung ist grundsätzlich meldepflichtig, wenn sie mindestens eines der besonders geregelten sogenannten Kennzeichen („Hallmarks“) erfüllt und wenn es ein Hauptzweck der Gestaltung ist, einen Steuervorteil zu erlangen („Main benefit“). Im Gesetzentwurf der Bundesregierung (Entwurf für § 138e Abs. 1 Abgabenordnung AO) sind allgemeine und spezifische Kennzeichen genannt, die auf eine Steuervermeidung hindeuten.

Die allgemeinen Kennzeichen betreffen das Verhältnis zum sogenannten Intermediär: Als Intermediär gilt jede Person, die eine grenzüberschreitende Steuergestaltung für Dritte konzipiert, vermarktet, organisiert oder zur Nutzung bereitstellt oder ihre Umsetzung verwaltet. Dazu zählen beispielsweise Rechtsanwälte, Steuerberater, Vermögensberater und Banken. Von einer Steuergestaltung, die auf Steuervermeidung abzielt, wird insbesondere ausgegangen, wenn qualifizierte Vertraulichkeitsklauseln verwendet werden und eine erfolgsabhängige Vergütung vereinbart wird. Ein weiteres Kennzeichen ist, wenn der Intermediär standardisierte Strukturen oder Dokumentationen verwendet.

Laut dem Gesetzentwurf werden u. a. die folgenden spezifischen Kennzeichen als Indizien für „verdächtige“ Steuergestaltungen gewertet:

  • unangemessene Schritte zur Verlustnutzung
  • Umwandlung von Einkünften in Vermögen, in Schenkungen oder in niedriger bzw. nicht besteuerte Einkünfte
  • Zahlungen zwischen verbundenen Unternehmen, die beim Empfänger steuerbefreit oder besonders begünstigt sind

Der Referentenentwurf fasst den Begriff des steuerlichen Vorteils recht weit: Dazu zählen beispielsweise auch Steuererstattungen, die Verringerung oder Verhinderung von Steueransprüchen oder deren Verschiebung in andere Besteuerungszeiträume oder auf andere Besteuerungszeitpunkte.

Ins Visier nimmt der Gesetzgeber insbesondere steuerliche Vorteile, die im Ausland erzielt werden. Diese können entstehen, wenn in einem anderen Land gesetzliche Vorteile ausgenutzt werden, die es im Inland nicht gibt (z. B. sogenannte „Steuerferien“ in einem anderen Land). Wirkt sich der steuerliche Vorteil einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung ausschließlich in Deutschland aus und ist dieser gesetzlich vorgesehen, muss dieser nicht gemeldet werden. Rein nationale Gestaltungen sind deshalb entgegen früheren Diskussionen nicht im Gesetzesentwurf enthalten.

Bei einzelnen spezifischen Kennzeichen wird laut dem Gesetzentwurf grundsätzlich unterstellt, dass ein Steuervorteil vorliegt und deshalb eine Mitteilungspflicht besteht. Bei diesen Fallkonstellationen spielt es also keine Rolle, ob das betreffende Unternehmen diese Steuergestaltung mit der Absicht der Steuervermeidung gewählt hat.

 

Einige Beispiele:

  • Zahlungen zwischen verbundenen Unternehmen, bei denen der Empfänger nicht in einem EU-Land ansässig ist bzw. in einem Land, das von der EU oder der OECD in Steuerangelegenheiten als unkooperativ eingestuft wird;
  • Gestaltungen, bei denen derselbe Vermögenswert gleichzeitig in mehr als einem Land abgeschrieben wird, oder wenn dieselben Einkünfte bzw. dasselbe Vermögen in mehr als einem Land von der Doppelbesteuerung befreit werden sollen;
  • Übertragung von Vermögensgegenständen, deren Wert in den beteiligten Staaten sehr unterschiedlich angesetzt wird;
  • Versuche des steuerpflichtigen Unternehmens, die Mitteilungspflicht und die internationalen Meldestandards zu unterlaufen
  • spezifische Gestaltung von Verrechnungspreisen zwischen verbundenen Unternehmen einschließlich Funktionsverlagerungen.

Die Meldung an die Finanzbehörden umfasst einen abstrakten Teil und einen individuellen Teil. Zum abstrakten Teil gehören

  • Angaben zu den Intermediären,
  • die Kennzeichnen, die zu einer Meldepflicht führen,
  • eine Zusammenfassung des Inhalts der mitteilungspflichtigen grenzüberschreitenden Steuergestaltung,
  • der wirtschaftliche Wert der Gestaltung,
  • das (geplante) Datum, in dem der erste Schritt der Steuergestaltung umgesetzt wurde bzw. werden soll,
  • Einzelheiten zu den einschlägigen Rechtsvorschriften aller betroffenen Mitgliedsstaaten.

Der individuelle Teil der Meldung umfasst u.a. folgende Angaben: Nutzer der steuerlichen Gestaltung, die an der Gestaltung beteiligten verbundenen Unternehmen sowie (soweit bekannt) die wahrscheinlich betroffenen Personen und Mitgliedsstaaten.

Wenn ein Steuerberater, Rechtsanwalt oder ein anderer Intermediär mit Sitz in Deutschland an der Steuergestaltung beteiligt ist, muss stets er die abstrakten Angaben melden und nicht das von ihm betreute Unternehmen. Dagegen unterliegen Intermediäre, die in anderen EU-Staaten ansässig sind, keiner Meldepflicht in Deutschland.

Beim individuellen Teil der Meldung kann man dagegen zwischen zwei Alternativen wählen, wenn der Intermediär einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegt, wie dies hierzulande z. B. bei Steuerberatern oder Rechtsanwälten der Fall ist: Das Unternehmen kann den Intermediär von der Verschwiegenheitspflicht entbinden und dieser teilt der Behörde dann auch den individuellen Teil der Meldung mit. Wird der Intermediär dagegen nicht von seiner Verschwiegenheitspflicht entbunden, muss das Unternehmen die Meldung selbst vornehmen.

Die Frist für die Meldung ist laut Gesetzentwurf eng gesetzt, sie ist innerhalb von 30 Tagen vorzunehmen. Als Stichtag gilt der Tag, an dem die erste von diesen drei Handlungen getätigt wird: Die grenzüberschreitende Gestaltung wird zur Umsetzung bereitgestellt, der Nutzer ist zur Umsetzung der grenzüberschreitenden Gestaltung bereit oder mindestens ein Nutzer hat den ersten Schritt zur Umsetzung der grenzüberschreitenden Gestaltung gemacht.

Wer die Meldung unterlässt oder sie nicht rechtzeitig oder unvollständig übermittelt, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Unterbleibt die Angabe der Registrier- und der Offenlegungsnummer („DisclosureID“) in der Steuererklärung, in der sich der steuerliche Vorteil erstmals auswirken soll, liegt ebenfalls eine Ordnungswidrigkeit vor. Verstöße können mit Geldbußen von bis zu 25 000 Euro geahndet werden.

Noch viele Fragen offen

Auf steuerpflichtige Unternehmen, die im Ausland aktiv sind, und auf deren Berater kommt durch die neuen Regelungen viel Arbeit zu. Einer frühzeitigen und umfassenden Vorbereitung bis zum Inkrafttreten am 1. Juli 2020 steht aber entgegen, dass es noch viele offene Fragen gibt – auch zu grundsätzlichen Themen wie etwa zu den Kennzeichen der meldepflichtigen Steuergestaltungen und zur Art der Steuervorteile, die als steuervermeidend eingestuft werden. Das Bundesfinanzministerium (BMF) plant in den nächsten Monaten ein Schreiben, das weitere konkrete Hinweise zur Umsetzung geben soll. Es ist zu hoffen, dass dadurch eine übermäßige bürokratische Belastung der Unternehmen und eine Flut unnötiger Meldungen an das Bundeszentralamt für Steuern vermieden werden.

Autor/in: 

Dr. Wilfried W. Krauß und Jens-Christian Bielak

Externer Kontakt:
 
Dr. Wilfried W. Krauß ist Rechtsanwalt und Steuerberater bei PricewaterhouseCoopers (PwC) in Nürnberg (wilfried.krauss@pwc.com). Jens-Christian Bielak ist Rechtsanwalt und Steuerberater in Nürnberg und leitet die Steuerabteilung eines global tätigen Automobilzulieferers in Nordbayern (tax-consulting@gmx.de).
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 12|2019, Seite 34

 
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