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Zukunftsagenda

Nachhaltigkeit trotz Corona

Welt Erde Kugel Horizont © themacx - GettyImages.de

Nachhaltigkeit bleibt das Thema der Zukunft. Das zeigt ein Blick auf geplante rechtliche Regelungen.

Anfang 2020 sah alles danach aus, dass das neue Jahrzehnt im Scheinwerferlicht der Nachhaltigkeit stehen würde. Das Thema Klimawandel und Klimaschutz bewegte die Gemüter. Weitere enorme Herausforderungen ergaben sich für die Unternehmen aus der Digitalisierung und aus geopolitischen Entwicklungen. Wenige Monate später hat sich die Welt schlagartig verändert: Das Corona-Virus ist omnipräsent und die erforderlichen Maßnahmen zu seiner Eindämmung haben gravierende Auswirkungen auf die Gesellschaft und auf die Wirtschaft. Aktuell stehen die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie, die daraus resultierenden Folgen für die Wirtschaft und die Suche nach Wegen aus diesem Dilemma im Mittelpunkt der Diskussion.

Doch damit ist die Trias aus Klimawandel/Klimaschutz, Digitalisierung und Geopolitik nicht vom Tisch. Vielmehr kommt die Corona-Krise als neue Herausforderung mit hinzu. Aus der Trias ist ein Quadrupel geworden. Auch aus rechtlicher Sicht sollte sich ein sorgfältiger Geschäftsleiter mit allen diesen Themenstellungen angemessen auseinandersetzen und das Thema Nachhaltigkeit nicht aus dem Auge verlieren.

Die Corona-Krise und das Bemühen um mehr Nachhaltigkeit in der Wirtschaft stehen sich nicht unversöhnlich gegenüber. Vielmehr wird klar, wie wichtig es ist, künftige Krisen, die durch ein nicht hinreichend nachhaltiges Wirtschaften ausgelöst oder begünstigt werden, nach Möglichkeit zu vermeiden oder abzumildern oder zumindest bestmöglich auf sie vorbereitet zu sein. Stichworte sind: Kosteneffizienz klimaschützender Maßnahmen, Resilienz gegenüber Auswirkungen des Klimawandels, Transparenz in der Lieferkette, wechselseitige Abhängigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft. Rechtliche Kardinalpflicht eines jeden Geschäftsleiters ist dabei die langfristige Bestandssicherung des Unternehmens. Gerade bei Strategie- und Investitionsentscheidungen ist es essenziell, diese auf Grundlage angemessener Information zu treffen. Nachhaltigkeitsaspekte können hierbei nicht einfach ausgeblendet werden.

European Green Deal

Die EU-Kommission und der Europäische Rat wollen auch angesichts der Corona-Krise weiterhin am European Green Deal festhalten. Entsprechendes hat die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina in ihrer Stellungnahme zur Covid-19-Pandemie Mitte April 2020 gefordert. Mit dem im Dezember 2019 vorgestellten European Green Deal zielt die EU-Kommission auf die Umgestaltung der EU-Wirtschaft für eine nachhaltige Zukunft ab.

EU-Klimagesetz: Anfang März 2020 hat die EU-Kommission einen Entwurf für das Herzstück des Green Deal, das EU-Klimagesetz, vorgelegt. Treibhausneutralität bis 2050 soll ein rechtsverbindliches Ziel werden. EU-Institutionen und EU-Mitgliedsstaaten sollen verpflichtet werden, die zur Erreichung dieses Ziels erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Zudem möchte die EU-Kommission die bisherige EU-Zielvorgabe für die Verringerung der Treibhausgas-Emissionen bis 2030 überprüfen und im Herbst 2020 eine neue Zielvorgabe vorlegen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat diese Pläne beim Petersberger Klimadialog 2020 unlängst begrüßt. Bereits zuvor hatte sie geäußert, dass man während der deutschen Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 weiterhin auch den Klimaschutz auf der Agenda habe.

Renewed Sustainable Finance Strategy: Im April 2020 hat die EU-Kommission die Konsultation zur Renewed Sustainable Finance Strategy gestartet, die sie im European Green Deal angekündigt hatte und mit der sie ihre bisherige Strategie für eine nachhaltige Finanzwirtschaft ergänzen will. Einen zentralen Punkt des Sustainable Finance-Aktionsplans der EU-Kommission aus dem Jahr 2018 hat der Europäische Rat jüngst in erster Lesung beschlossen: die Taxonomie-Verordnung. Anhand eines EU-weiten Klassifikationssystems soll sich ab 2022 bzw. 2023 einheitlich bestimmen lassen, ob eine Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig einzustufen ist. Seit Ende Februar 2020 läuft zudem die Konsultation zur Überarbeitung der sogenannten CSR-Richtlinie zur Offenlegung nichtfinanzieller Informationen im Jahresabschluss (RL 2014/95/EU). Beide Vorhaben sollen private Investitionen in nachhaltiges Wachstum fördern.

Eine mittlerweile fast schon omnipräsente Forderung ist, dass Konjunktur- und Investitionsprogramme zur Bewältigung der Corona-Krise nachhaltig ausgestaltet werden müssen. Nach EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (Stichwort: neuer Marshall-Plan) haben sich auch die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, der Sustainable Finance-Beirat der Bundesregierung, Bundeskanzlerin Merkel und zahlreiche namhafte deutsche Unternehmen entsprechend geäußert.

Nachhaltigkeitsrisiken und -chancen

Bestehende und künftige Nachhaltigkeitsrisiken werden sich infolge der Corona-Krise nicht grundlegend verändern bzw. reduzieren. Gleichzeitig nehmen die mit nachhaltigkeitsorientierten Geschäftsmodellen verbundenen Chancen weiter zu, nicht zuletzt auch aufgrund der Maßnahmen zur Förderung nachhaltiger Investitionen. Gemäß den geltenden rechtlichen Vorschriften muss sich die Geschäftsleitung angemessen (auch) mit Nachhaltigkeitsrisiken und -chancen auseinandersetzen. Das vieldiskutierte Merkblatt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken von Januar 2020 hat daher Fortbestand: Es soll gesetzliche oder aufsichtliche Vorgaben im Hinblick auf Nachhaltigkeitsrisiken weder abschwächen noch erweitern. Das Merkblatt gilt unmittelbar nur für Finanzunternehmen, ist aber auch für Unternehmen der Realwirtschaft interessant.

Einflussnahme der Investoren

Im Ergebnis ist zu erwarten, dass Investoren Nachhaltigkeitsaspekten künftig noch mehr Beachtung schenken. Stellvertretend dafür steht die aktuelle Erklärung von Larry Fink, Vorstandsvorsitzender des weltgrößten Vermögensverwalters Blackrock, dass sein Unternehmen an seinem nachhaltigkeitsorientierten Investmentansatz festhalte. Langfristiges Denken sei noch nie so wichtig gewesen wie heute. Purpose-orientierte Unternehmen und langfristig orientierte Investoren kämen besser durch die Corona-Krise und ihre Folgen.

Der US-amerikanische Business Roundtable hatte sich im Sommer 2019 vom strikten Shareholder Value-Ansatz abgewandt und die grundlegende Verpflichtung der Unternehmen gegenüber allen Stakeholdern betont. Seither reißt die Diskussion um das Thema nachhaltige Unternehmensführung (Sustainable Corporate Governance) nicht mehr ab. Daran wird sich auch infolge der Corona-Krise nichts ändern. Durch das Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) hielt das Thema Nachhaltigkeit bereits Einzug in die Regelungen zur Vorstandsvergütung. Die Präambel des neuen Deutschen Corporate Governance Kodex widmet sich u. a. dem Einfluss von Sozial- und Umweltfaktoren auf den Unternehmenserfolg. Die EU-Kommission möchte in den Unternehmen eine Kultur der nachhaltigen Unternehmensführung etablieren und treibt Untersuchungen hierzu weiter voran.

Auch beim diesjährigen Weltwirtschaftsforum im Schweizer Davos wurde intensiv über den sogenannten „Stakeholder Capitalism“ diskutiert. Klaus Schwab, Gründer des Weltwirtschaftsforums, fordert, dass in der Corona-Krise gerade Stakeholder-Unternehmen unterstützt werden müssten.

Nachhaltige globale Lieferketten

Spätestens seit den unbefriedigenden Ergebnissen der ersten Runde des Monitorings zum Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) wird erbittert über verbindliche Sorgfaltspflichten in der Lieferkette diskutiert. Entwicklungsminister Gerd Müller will weiter an dem Ziel nachhaltiger globaler Lieferketten (sogenanntes Sustainable Sourcing) festhalten. Ein deutsches Lieferkettengesetz steht jedenfalls dann im Raum, wenn auch die zweite Runde des NAP-Monitorings unbefriedigend verläuft. Unabhängig davon hat EU-Justizkommissar Didier Reynders für 2021 einen Entwurf für ein europäisches Lieferkettengesetz angekündigt.

Klagen gegen Unternehmen

Unternehmen sehen sich zunehmend Klagen wegen der vermeintlichen Verletzung von Menschenrechten ausgesetzt (Human Rights-Litigation). Insbesondere in den USA zeichnet sich ein Trend zu Gerichtsverfahren ab, die sich auf den Klimawandel beziehen (Climate Change-Litigation). Die Haftungsrisiken der Unternehmen wegen vermeintlicher Menschenrechtsverletzungen bzw. Mitverursachung des Klimawandels werden infolge der Corona-Krise also ebenfalls nicht abreißen.

Autor/in: 

Dr. André Depping (Mediator, M.L.E.), Dr. Matthias Etzel (Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht) und Dr. Daniel Walden sind bei der Beiten Burkhardt Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in München tätig (www.beitenburkhardt.com).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 05|2020, Seite 22

 
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