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Verhandeln in Corona-Zeiten

Wie kommt man zusammen?

Illu_WiM_05-2021-web © Anton Atzenhofer

Telefon- oder Videokonferenz statt persönlichem Treffen: Praxis-Tipps für “virtuelle“ Verhandlungen.

Viele der Gespräche und Verhandlungen, die aktuell online stattfinden, werden wohl auch nach dem Ende der Corona-Pandemie so geführt werden. Viele denken bei Verhandlungen nur an Preis- oder Vertragsverhandlungen. Tatsächlich verhandeln wir aber in viel mehr Situationen – bei der Anbahnung von Geschäften, im Service, bei der Planung von Projekten, innerhalb von Unternehmen und Teams und so weiter. Für all diese Situationen hat die Entwicklung hin zu mehr Video-Verhandlungen auch positive Seiten: Denn im Vergleich zu Verhandlungen, die früher “nur“ per Telefon geführt wurden, erhält man mehr Informationen über sein Gegenüber.

Unterschied zu Präsenzverhandlungen

Was ist bei Verhandlungen per Video-Chat oder Telefon anders, als wenn die Verhandlungspartner persönlich am Tisch sitzen? Diese Frage sollten sich Unternehmen stellen, wenn sie sich überlegen, ob sie diese Instrumente auch nach Corona nutzen wollen. Entscheidend für Kommunikation ist immer, wie viele Informationen übertragen werden. Beim Verhandeln per Mail sinkt das Vertrauen, es wird nachweislich häufiger gedroht, Emotionen werden schwerer erkannt und das Eskalationspotenzial steigt. Eine Verhandlung per Telefon ist da sicher schon gehaltvoller, aber per Video bekommt man natürlich noch mehr Informationen von seinem Gegenüber (z. B. Körperhaltung und Körpersprache). Allerdings fehlen bei der Video-Kommunikation auch viele Signale im Vergleich zu einem persönlichen Gespräch. Man erhält also nur ein eingeschränktes Bild seines Verhandlungspartners. Zudem ist zu bedenken, dass selbst minimale Verzögerungen in der Übertragung den Gesprächsfluss beeinflussen können. Das führt dann zu den typischen Wortwechseln, die jeder aus Online-Meetings kennt: “Kannst du uns hören?“ “Wir können dich hören, sehen dich aber nicht.“ Das fühlt sich manchmal ein bisschen an wie eine moderne Séance.

Wenn es also darum geht, in Verhandlungen gemeinsame Perspektiven zu entwickeln, kooperativ zu verhandeln und Potenziale zu erarbeiten, ist die techniklose Verhandlung mit persönlicher Anwesenheit oder mindestens die Verhandlung per Video empfehlenswert. Je informationsärmer die Kommunikation ist, desto wahrscheinlicher ist ein Verhalten, das man als Basarverhandeln bezeichnet, also die klassische Verteilungsverhandlung.

Technik muss funktionieren

Die Bedeutung einer funktionierenden Technik für erfolgreiche Verhandlungen ist nicht zu unterschätzen. Empfehlenswert sind kabellose Headsets mit aktiver Geräuschunterdrückung und eine externe Kamera mit USB-Anschluss. Der Vorteil externer Kameras ist, dass sie direkt vor den Monitor gestellt werden können. Das ist zunächst ungewohnt, weil ein Teil des Bildes verdeckt wird, aber so ist eine Annäherung an den direkten Augenkontakt einfacher. Ansonsten sind Kameras meist oberhalb des Monitors angebracht, was dazu führt, dass der Blick immer am anderen vorbeigeht.

Allerdings muss auch der direkte Augenkontakt zur Zielsetzung passen. In der Forschung hat man beispielsweise Unterschiede zwischen Frauen und Männern festgestellt. Frauen hilft der Augenkontakt, um ein gemeinsames Verständnis aufzubauen und in der Folge kooperativ zu verhandeln. Wenn aber zwei sich fremde Männer verhandeln, führt der direkte Augenkontakt eher zu einem kompetitiven Verhalten und schlechteren Verhandlungsergebnissen.

Einen Effekt hat auch der Winkel: Wer eher von unten gefilmt wird, wirkt größer, wer von oben gefilmt wird, kleiner. In Experimenten hat sich gezeigt, dass die Kooperationsbereitschaft sinkt, wenn auf das Gegenüber hinabgeblickt wird.

Eine Sache hilft aber immer: den anderen gut verstehen zu können. Deshalb die Empfehlung, kabellose Headsets mit aktiver Geräuschunterdrückung zu verwenden. In Büros mit mehreren Kollegen sollte das zur professionellen Ausrüstung gehören. Zum einen werden so Störgeräusche minimiert und zum anderen werden virtuelle Gesprächssituationen mit Kopfhörern als realistischer erlebt.

Die größte Herausforderung bei virtuellen Verhandlungen ist der Aufbau gegenseitigen Vertrauens, wenn sich die Gesprächspartner bislang noch nie persönlich getroffen haben. In Studien konnte nachgewiesen werden, dass in einer Präsenzverhandlung leichter Vertrauen aufgebaut wird als in einer Verhandlung über virtuelle Kanäle. Allerdings dürfte es recht selten sein, dass bereits in der allerersten Sitzung die Verhandlung zu einem Abschluss kommt. Daher ist es am besten, über mehrere Sitzungen einen persönlichen Draht zum Gegenüber aufzubauen.

In vielen Calls wählen sich Teilnehmer zwar per Video ein, lassen die Kamera aber ausgeschaltet. Das ist eine versäumte Chance. Es sollten in der Regel auch keine voreingestellten Hintergrundbilder genutzt werden, weil das die Gesprächssituation unpersönlicher macht. Man fragt sich dann immer, wo der andere gerade wirklich ist. Natürlich sollte der Hintergrund auch nicht zu sehr ablenken. In Zeiten von Homeoffice ist es aber völlig in Ordnung, wenn der Hintergrund nicht immer ein klinisch sauberes Büro ist. Er sollte jedoch auch nicht zu unruhig sein. Ein unaufgeräumtes Bücherregal ist sicher nicht der ideale Hintergrund.

Wie bei der persönlichen Verhandlung ist es ratsam, nicht immer direkt mit dem eigentlichen Thema, sondern lieber mit etwas Small-Talk zu starten. Die Gegenseite sollte Gelegenheit haben, etwas über sich zu erzählen. Dabei kann auch auf die besondere Situation Bezug genommen werden. Vielleicht so: “Ich freue mich, dass wir heute miteinander sprechen können und ich freue mich darauf, Ihnen bald auch persönlich die Hand geben zu können.“

Wann sind persönliche Treffen nötig?

Alle Verhandlungen, deren Zielsetzung der Aufbau einer langfristigen verlässlichen Partnerschaft ist, sollten auch künftig in Präsenz durchgeführt werden. Gerade bei der Aufnahme von Geschäftsbeziehungen ist es von großer Bedeutung, sich einmal tatsächlich in die Augen gesehen zu haben. Das gilt in gleichem Maße, wenn Konflikte eine bereits existierende Geschäftsbeziehung belasten. Hilfreich ist es auch, sich die Frage zu stellen, wie ein Scheitern der Verhandlung zu bewerten wäre. Wenn man feststellt, dass die Alternativen sehr schlecht wären, lohnt es sich, doch eine Präsenzverhandlung zu vereinbaren – und zwar unabhängig von Corona. In der Beratungspraxis gibt es Fälle, bei denen Zeit und Geld für unnütze Verhandlungen verschwendet werden, als auch Fälle, in denen eine Seite unter Zugzwang gerät, weil sie einen Flug erreichen will und deshalb in letzter Sekunde fünfstellige Konzessionen macht. Dann sollte man lieber in ein Flex-Ticket investieren.

Drei Faktoren sind aber immer entscheidend bei Verhandlungen – unabhängig davon, ob diese “real“ oder virtuell durchgeführt werden: das richtige Verhandeln lernen, sich gut vorbereiten und sich auf die Verhandlungspartner einstellen.

Zum ersten Punkt: Viele meinen, man lerne Verhandeln aus Erfahrung. Aber nur, weil jemand etwas 100 Mal gemacht hat, heißt es nicht, dass er es auch richtig gemacht hat. “Man kann eine Sache auch 20 Jahre lang falsch machen“, sagte Kurt Tucholsky einmal treffend. Es geht darum, das Handwerk des Verhandelns zu lernen. Die erste Voraussetzung ist eine objektive Rückmeldung dazu, wie gut man eigentlich verhandelt. Denn hier unterscheidet sich das Verhandeln z. B. vom Verkaufen. Ob jemand gut verkauft hat, zeigt der Abschluss. Ob jemand gut verhandelt hat, lässt sich nur sagen, falls der Verhandlungspartner nach der Verhandlung verrät, wie viel drin gewesen wäre. Das macht in der Regel niemand. Das erfährt man aber z. B. durch Verhandlungssimulationen, wie sie in Trainings durchgeführt werden.

Punkt zwei: Gute Vorbereitung sollte beim Verhandeln immer heißen, dass man sich schriftlich vorbereitet: Was sind die eigenen Interessen und die der Gegenseite? Diese Fragen sollten nicht eben mal kurz vor der Verhandlung geklärt werden. Bei wichtigen Verhandlungen arbeiten wir mit sogenannten Verhandlungslandkarten, die keine genaue Route vorgeben, sondern dabei helfen, sich im unbekannten Terrain zu orientieren und sich für Überraschungen im Verlauf der Verhandlung zu wappnen. Denn Verhandlungen lassen sie sich nie von A bis Z planen, aber die “Landkarten“ helfen dabei, sich schon im Voraus auf unerwartete Wege einzustellen.

Der dritte Punkt gilt ebenfalls in Präsenz wie auch online oder telefonisch: Es geht darum, den “Suchscheinwerfer“ auf den anderen auszurichten. “Was ist sie oder er für eine Person?“, “Was bewegt sie oder ihn?“ usw. In Verhandlungen erkennt man die Profis daran, dass sie weniger reden als das Gegenüber und viele Fragen stellen.

Autor/in: 

Dr. Alexander Hoeppel ist in Nürnberg ansässiger Verhandlungstrainer und Unternehmer. Als Head of Training der nachnordosten GmbH unterstützt er Unternehmen und Einzelpersonen bei der Verbesserung ihrer Verhandlungsperformance. Zudem ist er Lehrbeauftragter für professionelles Verhandeln an der Universität Erlangen-Nürnberg und der Rheinischen Fachhochschule Köln (info@nachnordosten.de, www.nachnordosten.de).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 05|2021, Seite 29

 
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