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Max-Planck-Zentrum

Physiker lösen Rätsel der Medizin

2019_03_12_MPZPM_neues Gebäude Visualisierung © MPZPM

Das neue Institutsgebäude soll 2024 auf dem Gelände der Uni-Klinik eröffnet werden.

Das Max-Planck-Zentrum für Physik und Medizin in Erlangen geht den grundlegenden Prozessen im Körper auf den Grund.

Die Europäische Metropolregion ist ein führender Standort der Medizintechnik: Im „Medical Valley“ sind über 500 Medizintechnik-Unternehmen sowie zahlreiche Hochschulinstitute und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen in den Bereichen Medizin, Pharma und Biotechnologie tätig. Gestärkt wird diese Kompetenz durch das Max-Planck-Zentrum für Physik und Medizin (MPZPM) in Erlangen, das im Jahr 2017 gegründet wurde. Es gilt als weltweit einmalig, weil hier stärker als in vergleichbaren Einrichtungen physikalische Prozesse in den Blick genommen werden, die bei der Entstehung von Krankheiten eine Rolle spielen und – so das Ziel – neue Therapien ermöglichen. Derzeit arbeiten die Forscher noch in der Erlanger Staudtstraße im Gebäude des Max-Planck-Instituts für die Physik des Lichts sowie in den Räumen von Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und Uni-Klinikum. Anfang 2024 will die Max-Planck-Gesellschaft dann das neue, 5 700 Quadratmeter Nutzfläche umfassende Gebäude auf dem Gelände der Uni-Klinik eröffnen.

Prof. Dr. Vahid Sandoghdar, Direktor des 2009 gegründeten Max-Planck-Instituts für die Physik des Lichts und Mitinitiator des neuen MPZPM, gehen die Superlative nicht aus, wenn er von diesem wissenschaftlichen Projekt spricht, das der Bayerischen Staatsregierung eine Förderung von immerhin 57 Mio. Euro wert ist. In Erlangen entstehe dadurch eine europaweit einzigartige Kooperation von Universität, Universitätsklinikum und Max-Planck-Gesellschaft.

Ein zentraler Erfolgsfaktor sei die unmittelbare Nähe zum Universitätsklinikum, die eine enge Zusammenarbeit der Physiker und Mathematiker am MPZPM mit den Medizinern garantiert. Das unterstreicht auch Prof. Dr. Heinrich Iro, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des Universitätsklinikums: Das Zentrum verknüpfe auf exzellente Weise die Grundlagenforschung mit patientenrelevanten Fragestellungen. Die Patienten des Uni-Klinikums profitierten als erste von den Forschungsergebnissen. Es gebe kurze Wege zu den Kopfkliniken mit den Fächern Neurologie, Psychiatrie, Neurochirurgie sowie der Augenklinik und dem Internistischen Zentrum und damit einen engen Austausch zwischen Forschung und Klinik. Prof. Dr. Jürgen Schüttler, bis 2019 Dekan der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität (FAU), formuliert die Zusammenarbeit der verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen folgendermaßen: „Es wurstelt nicht jeder vor sich hin, sondern jeder bringt seine besonderen Fähigkeiten, seine spezielle Expertise, seine innovativen Ideen ein – jenseits des immer noch weitverbreiteten, fachbezogenen Schrebergarten-Denkens.“

Physikalische Fragen in der Medizin

Tatsächlich war die Physik bislang ein eher stiefmütterlich beachteter Faktor, wenn es um die Entstehung von Krankheiten geht – natürlich nicht, wenn man an Röntgengeräte, Magnetresonanz- oder Kernspintomografen denkt, wohl aber bei Forschungen im Mikro- und Nano-Bereich. Denn auch die Physik muss stimmen, damit ein Organismus funktioniert. Mediziner beobachten, dass sich Zellen eines Entzündungsherdes und eines Tumors extrem effizient bewegen und so für die Ausbreitung der Krankheit sorgen. Wie sie das in dem dichten Zellverband ihrer Umgebung schaffen, ist aber noch nicht bekannt. Warum sich Steifigkeit und Elastizität von Zellen verändern, wenn sie krank werden, und wie man einen Gesundungsprozess einleiten kann, sind deshalb herausragende Fragestellungen, denen sich die Erlanger Forschergruppe stellt.

Dabei helfen Apparaturen, die bis zu tausend Zellen pro Sekunde messen – „zehntausendfach schneller als alle anderen Verfahren, die es bisher gegeben hat“ (Sandoghdar). Zur Ausstattung gehören auch Endoskope im Millimeterbereich, die bis in die Herzkranzgefäße hineinreichen. Kleinste biologische Strukturen lassen sich mit Hilfe eines neuartigen Mikroskops sichtbar machen. Dieses erlaubt es beispielsweise, in höchster räumlicher und zeitlicher Auflösung zu untersuchen, wie das Corona-Virus lebende Zellen befällt. Ein weiteres langfristiges Ziel der Forscher: Sie wollen verhindern, dass sich Krebszellen vermehren oder im Körper wandern.

Max-Planck-Direktor seit Oktober 2018 ist der Oberfranke Prof. Dr. Jochen Guck, zuvor leitender Direktor des Biotechnologiezentrums der TU Dresden. Guck (Jahrgang 1973) hatte zuvor in Würzburg studiert, an der Universität von Texas in Austin promoviert und an der Universität in Cambridge/Großbritannien gearbeitet. Er gilt als einer der international innovativsten Forscher auf dem Gebiet der Biophysik an der Schnittstelle zur Biologie und Biomedizin. Für ihn hat die neue Einrichtung „das Zeug dazu, ein Leuchtturm zu werden, der weit über Erlangen und Deutschland hinaus strahlt“. Zum Leitungsgremium des MPZPM gehören außerdem der Nervenexperte Prof. Dr. Kristian Franze, der zuvor in Cambridge aktiv war, der aus Russland stammende Prof. Dr. Vasily Zaburdaev (Lehrstuhlinhaber für „Mathematik in den Lebenswissenschaften“ an der FAU), Prof. Dr. Vahid Sandoghdar, Prof. Dr. Florian Marquardt (Geschäftsführender Direktor des Max-Planck-Instituts für die Physik des Lichts) und Prof. Dr. Markus F. Neurath (Dekan der Medizinischen Fakultät der FAU).

Autor/in: 

Udo B. Greiner

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 11|2021, Seite 28

 
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