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Hochwasser

Den Fluten trotzen

Hochwasser Naturkatastrophe Sandsäcke © Marc Bruxelle/GettyImages.de

IHK-Webinar „Risikomanagement beim Hochwasserschutz“: Wie schützt man sich vor Überschwemmung?

Eine Kombination von Starkregen und Sturzflut löste im Juli die Hochwasserkatastrophe an Ahr und Erft aus. Extremwetter mit bis zu 93 Litern Niederschlag pro Quadratmeter hatte es seit Beginn der Wetteraufzeichnungen noch nicht in Deutschland gegeben. 220 Todesopfer sind zu beklagen, die Schäden waren verheerend, viele Gebäude wurden überflutet oder einfach weggespült. Die Bundesregierung beziffert die Schadenssumme der Juli-Flut mit einem Rekordbetrag von knapp 30 Mrd. Euro. Davon entfällt etwas mehr als die Hälfte auf Rheinland-Pfalz, aber auch die vergleichsweise geringen Flutschäden in Mittelfranken sind darin enthalten.

Angesichts der offensichtlich zunehmenden Gefahr von Wetterereignissen mit Starkregen hatte der Arbeitskreis Immobilienwirtschaft der IHK Nürnberg für Mittelfranken das Webinar „Risikomanagement beim Hochwasserschutz“ organisiert. „Wir wollten mit der Veranstaltung Vertreter aus Wirtschaft und Kommunen für die drohenden Gefahren sensibilisieren und über die verschiedenen Facetten eines optimalen Risikomanagements informieren“, so Martina Stengel, die bei der IHK für Standortfragen zuständig ist.

Hans-Dietrich Uhl vom Wasserwirtschaftsamt Nürnberg ist als Abteilungsleiter für die Städte Nürnberg, Fürth, Erlangen und Schwabach zuständig. Für ihn ist klar, dass der Klimawandel auch in Mittelfranken neue Wassergefahren mit sich bringt. Die staatliche Fachbehörde für Wasserwirtschaft und Bodenschutz sieht vor allem die Notwendigkeit, den Umgang mit Niederschlagswasser zu verbessern. Tendenziell prognostiziert die Behörde für die nächsten 30 Jahre zwar eine geringe Abnahme des gesamten Jahresniederschlags, allerdings dürfte es im Winter deutlich mehr regnen oder schneien, während die Sommer trockener werden. Damit einher gehen laut Uhl allerdings mehr Tage mit Hitze und eine höhere Luftfeuchtigkeit, was wiederum zu mehr – teils lokal begrenzten – Starkniederschlägen führen kann. Solche Wetterereignisse haben beispielsweise beim Juli-Hochwasser dazu geführt, dass der Pegel des Flüsschens Zenn innerhalb von vier Stunden um mehr als 1,30 Meter angestiegen ist. „Solche Ereignisse nehmen zu“, warnte Uhl bei der IHK-Veranstaltung.

Geringe Vorwarnzeiten

Die zusätzlichen Wassergefahren zeichnen sich zum einen durch sehr lokale Niederschläge mit kurzen Vorlaufzeiten aus. Zum anderen drohen gleichsam Überflutungen aus dem Nichts: Dies war laut Uhl im Juni der Fall, als der Regnitz-Zufluss Gründlach plötzlich Hochwasser führte, ohne dass es dort erkennbare Niederschläge gegeben hätte. Grund für den schnellen Pegelanstieg der Gründlach war ein nächtlicher Starkregen an anderer Stelle gewesen. 

In der Aisch-Region stellte das Wasserwirtschaftsamt im Juli ein Jahrhunderthochwasser fest. So ein sogenanntes „HQ100“-Ereignis tritt nach der Wahrscheinlichkeitsberechnung einmal alle 100 Jahre ein. In Adelsdorf-Weppersdorf zeigte sich laut Uhl, dass die vorliegenden Daten zu möglichen Überschwemmungsgebieten recht exakt waren. Deshalb sei es für Immobilienkäufer und Bauherren wichtig, sich auch präventiv mit der Risikovorsorge vor Hochwasser zu beschäftigen.

Bauliche Schwachstellen

Uhl wies beim Webinar zudem auch auf Gefahren hin, die baulicher Natur sind: Er nannte beispielsweise typische Wasserschäden durch den „Übeltäter Lichtschacht“. Wenn Wasser durch solche Gebäudeöffnungen eindringt, können Öltanks aus ihrer Verankerung gerissen werden, Pellet-Lager aufquellen, Gebäudewände weggesprengt werden oder Elektroanlagen einen Totalschaden erleiden. Nicht unterschätzen sollte man die Tücken des Schlamms, der – einmal angetrocknet – so hart wie Beton wird. Außerdem sollte man sich bei Hochwasser nicht auf die Kanalisation verlassen, denn sie ist nicht auf die Ableitung von Sturzfluten ausgelegt.

Daniela Bock, Inhaberin der Nürnberger Stadtplaner und Landschaftsarchitekten Grosser-Seeger & Partner mbH, plädiert angesichts des steigenden Überflutungs- und Hochwasserrisikos für eine „wassersensible Stadtentwicklung“. Sie begleitet bei dieser Frage auch Investoren und Bauherren, wenn diese neue Projekte planen. Denn für ein nachhaltiges Regenwasser-Management müssten Lösungen gefunden werden, die gleichermaßen „genehmigungsfähig, wirtschaftlich, funktional und sinnvoll“ seien. Auch sie warnt vor der Erwartung, dass Starkregen allein über das Kanalsystem abgeleitet werden kann. Die Kanalsysteme seien durch das Anwachsen der Städte, das mit zunehmender Bebauung und gleichzeitiger Flächenversiegelung einhergeht, „mittlerweile oft hydraulisch überlastet“. In stark nachverdichteten Neubaugebieten sei das Kanalsystem nicht ausreichend für hohe Regenmengen ausgelegt. Nur bedingt Abhilfe schaffe auch die Option, das Regenwasser in Zisternen oder in Becken zur Bewässerung von Pflanzen zu sammeln oder es in Betrieben als Prozesswasser zu verwenden. Einerseits sei hierfür ein enormer Flächenbedarf notwendig, andererseits bestehe oftmals ein zeitliches Missverhältnis zwischen Wasseranfall und Wasserbedarf.

Bei Neubauprojekten sind städtische Satzungen sowie etwa Vorgaben aus dem Bebauungsplan für das einzelne Projekt-Grundstück zu berücksichtigen. Häufig muss auf Projektebene so geplant werden, dass Regenwasser im Quartier verbleibt. Zur lokalen Bewirtschaftung des Regenwassers, das über Dächer und Oberflächen heranfließt, bieten sich zahlreiche Möglichkeiten an: Dazu zählen je nach Traglast begrünte Dächer mit Ab- und Überläufen, Fassadenbegrünung sowie Pflanz- und Rasenflächen. Hier lässt sich auch durch modellierte Ab- und Überläufe mit leichten Erhebungen und Mulden viel erreichen. In Tiefgaragen bieten sich auch Ab- und Überläufe sowie Versickerungsanlagen an. Ziel ist es immer, die Abflussgeschwindigkeit von Wasser möglichst zu bremsen.

Daniela Bock erinnerte auch daran, dass Bauherren beim Bauantrag an den Hochwasserschutz denken müssten. Das Risikobewusstsein sei aber noch begrenzt, die meisten Leute könnten sich die Dimension möglicher Schäden einfach nicht vorstellen: „Das Umdenken fängt erst an.“ Aus ihrer Berufspraxis weiß sie, dass schon viel mit einem Beratungsgespräch erreicht werden kann. Denn schon mit einem niedrigen vierstelligen Betrag könne man das Regenwasser-Management weit voranbringen.

Elementarschaden-Versicherung

Peter Meier, Vorstandsmitglied der Nürnberger Beteiligungs-AG und Vorsitzender des Ausschusses Gewerbe-/Industriekunden beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), betonte bei dem Webinar, wie wichtig eine Absicherung durch eine Elementarschaden-Versicherung sei. Damit ließen sich Gebäudeschäden durch Stark-
regen, Überschwemmung und Rückstau sowie Hochwasser und Schneedruck versichern. Ausgenommen seien allerdings beispielsweise Schäden durch drückendes Grundwasser. Schäden durch Naturkatastrophen ließen sich zwar nicht verhindern, dafür könnten aber die sogenannten Standardschäden minimiert werden. Das Wasserhaushaltsgesetz verpflichte jedermann zu allgemeinen Sorgfaltspflichten und geeigneten Vorsorgemaßnahmen. Dazu zählt Meier Barrieresysteme wie Bodenschwellen bei Gebäuden in Geländesenken oder Aufkantungen an Lichtschächten und Keller-
eingängen. Aber auch automatische Rückstauklappen oder die Abdichtung möglicher Wege, über die das Wasser eindringen kann, seien geeignete Präventionsmaßnahmen. Dagegen hält er mobile Schutzelemente wie Fensterklappen und Wasserbarrieren aufgrund der meist geringen Vorwarnzeit in der Regel als nicht geeignet. Zusätzlichen Schutz böten das Hochlagern von elektronischen Geräten im Keller, das Vermeiden von niedrig angebrachten Steckdosen oder die Absicherung von Ölheizungen und Heiztanks.

Gerade im Neubau oder bei Sanierung könnten gemäß dem Schutzkonzept VdS 6002 „Bauteilekatalog“ nachweislich widerstandsfähige Baustoffe und Baukonstruktionen gegen Durchnässung und Wassereinwirkung eingesetzt werden. Um mögliche Gefährdungen zu erkennen, empfiehlt Meier den „Hochwasser-Pass“ (www.hochwasser-pass.com), mit dem sich Gefahren für ein einzelnes Gebäude strukturiert erkennen ließen.

Erfahrungen von Unternehmern mit Hochwasser

Aus Unternehmersicht berichtete Dr. Norbert Teltschik, Vorstand der Richard Köstner AG aus Neustadt an der Aisch, von seinen Erfahrungen mit dem diesjährigen Juli-Hochwasser an der Aisch. Es sei ein „Aha-Erlebnis“ gewesen, denn wäre der Wasserpegel nur um ein paar Zentimeter weiter gestiegen, hätte es noch deutlich mehr Schäden gegeben. Deshalb sei sein Unternehmen, das vor allem Handwerk und Industrie unter anderem mit Stahl, Sanitärbedarf und Haustechnik beliefert, noch glimpflich davongekommen. Dieter Grötsch, Geschäftsführer der Franken Brunnen GmbH & Co. KG, war am Stammsitz in Neustadt an der Aisch vom Hochwasser nicht betroffen. Dafür gab es allerdings ein „Großschadensereignis“ bei der Tochter Sinziger Mineralbrunnen GmbH im Ahrtal, das den dortigen Betrieb mit seinen rund 70 Mitarbeitern komplett lahmlegte. Zwar ist der Betrieb rund 30 Meter von der Ahr entfernt und teils auf Stelzen gebaut, das hat allerdings beim Juli-Hochwasser nicht geholfen: Der Standort stand zweieinhalb Meter unter Wasser, alle Büros, Lager und Produktionsanlagen waren betroffen. Immerhin sei der Schaden in Höhe eines zweistelligen Millionen-Euro-Betrages „vernünftig versichert“ gewesen, berichtete Grötsch. Man könne den Standort wieder aufbauen, aktuell bremsten allerdings fehlende Handwerker und Materialien. Man habe aus der Flutkatastrophe die Lehre gezogen, alle Standorte einer noch genaueren Risikoanalyse zu unterziehen. Ziel sei ein „eigener Risikoplan für den Fall der Fälle“.

Autor/in: 

(tt.)

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 12|2021, Seite 22

 
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