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City-Werkstatt

Sommer in der Stadt

Einzelhandel Summer Street Adlerstraße 2021 © Thomas-Tjiang

Pilotprojekt in der Nürnberger Adlerstraße: Mehr Raum für Gaststätten und Händler.

„Summer Street“ in der Nürnberger Adlerstraße: Wie haben Gastronomie und Handel profitiert?

Durch die Corona-Beschränkungen hat die Diskussion über lebendige und attraktive Innenstädte einen neuen Schub bekommen. In den letzten zwei Jahren ist die Besucherfrequenz in den deutschen Innenstädten um ein Viertel zurückgegangen, wie der Nürnberger Konsumforscher GfK SE feststellte. Denn statt durch die Cities zu flanieren, gehen die Konsumenten verstärkt per Mausklick auf virtuelle Shopping-Touren. Vor diesem Hintergrund steht das Projekt „Summer Street“ der Nürnberger City-Werkstatt auch für eine „Rückeroberung der Innenstädte“, sagt Franziska Röder vom IHK-Geschäftsbereich Standortpolitik und Unternehmensförderung. „Wir wollen die Menschen wieder zurück in die Stadt bekommen.“

IHK und Nürnberger Wirtschaftsreferat hatten die Adlerstraße in diesem Sommer in eine „Summer Street“ verwandelt: In der Straße in der Lorenzer Altstadt wurden die Gastro-Außenbereiche erweitert, freie Sitzmöglichkeiten geschaffen und Pflanzenkästen aufgestellt. Vom Parkhaus Breuninger ab galt Tempo zehn, ein mobiler Baum verengte die Straße und bremste den Autoverkehr baulich aus. Ab dort wurden die Parkplätze bis zum Parkhaus am Ende der Sackgasse vorübergehend in Beschlag genommen.

Die „Summer Street“ gehört zu den Projekten der Nürnberger City-Werkstatt, die die IHK und das Wirtschaftsreferat zusammen organisieren und dabei viele weitere Akteure wie Gastronomen, Händler, Dienstleister und Künstler einbeziehen. Bei dem Projekt in der Adlerstraße ging es ausdrücklich auch darum, das Thema Parkraum neu zu denken und die gewonnenen Erkenntnisse auf andere Stadtteile zu übertragen. Der bislang selbstverständliche Vorrang von Verkehr und Parkraum steht angesichts begrenzter Innenstadtflächen in direkter Konkurrenz zu Aspekten wie Begrünung, Erlebnisraum und erweiterte Gastro-Flächen.        

Die Beteiligung der angrenzenden Gewerbetreibenden war positiv, so das Fazit von Franziska Röder: Ein Einzelhändler investierte aus eigener Tasche in eine Sitzgruppe vor seinem Laden. Andere bepflanzten die Blumenbeete in Eigenregie, übernahmen das Gießen oder entfernten Müll. Gerade den engagierten Gastronomiebetrieben vor Ort brachte die Sonderaktion zusätzliche Umsätze. Aber auch Anwohner nutzten den erweiterten Raum, um es sich mit eigenem Kaffeegeschirr vor der Haustüre gemütlich zu machen. Und von Einzelhändlern vor Ort kam das überraschende Feedback, dass ein Parkplatz vor der Tür nicht unbedingt notwendig sei. Allerdings war die Freude über umgenutzte Parkplätze nicht überall groß: Anwohner konnten zwar aus einem Kontingent von 15 Plätzen im Parkhaus Adlerstraße einen vergünstigten Stellplatz mieten, was allerdings nicht überall auf Wohlwollen stieß.

Zu den Projektbeteiligten gehörte auch Iris Wörnlein-Herbke, Geschäftsführerin der Nürnberger Messebau Wörnlein GmbH, deren Kerngeschäft durch die Messe-Lockdowns eingebrochen war. Das Unternehmen baute die Gartenmöbel und Hochbeete aus Holz und ermöglichte damit einen schnellen Start des Projekts im Juli. Zudem nutzte es einen leerstehenden Laden in der Adlerstraße für ein paar Wochen als Pop-up-Store. Dort bot die Unternehmerin, die sich auch im IHK-Handelsausschuss engagiert, nicht nur ihre eigenen Katzenmöbel aus der Messebauwerkstatt an. Auch vier regionale Start-ups bekamen vorübergehend Platz, um ihre Produkte – unter anderem besondere Fahrradgriffe oder nachhaltige T-Shirts aus Plastik – anzubieten.

Die Sorgen der Anwohner, dass durch das Projekt mehr Müll in der Straße anfallen könnte, teilte sie nicht: „Bei uns war es eher harmlos“, resümierte sie mit Blick auf mehr Zigarettenkippen vor der Tür. Sie entleerte auch manchmal selbst den Mülleimer vor dem Pop-up-Store oder goss die Blumen. Sie hält das Projekt für gelungen und wünscht sich, dass die „Summer Street“ in der Adlerstraße zum Vorbild für weitere Straßen in der Innenstadt wird.

Die Chancen, dass es eine Neuauflage geben wird, beurteilt Franziska Röder als durchaus hoch. Dieses Zwischenfazit zieht sie nach ersten Evaluierungsrunden, bei denen die Projektziele (z. B. Verkehrsberuhigung, höhere Attraktivität der Straße oder fußgängerfreundliche Gestaltung) überprüft wurden. Bei der Befragung von Passanten wurde ein mehrheitlich positives Feedback zu dem Projekt erfasst: Sie gaben an, dass sie Gastronomie und Handel gleich oft bzw. deutlich häufiger genutzt hätten. Insgesamt wurden auch die Aufenthaltsqualität und die Atmosphäre durch die zeitweise Umgestaltung überwiegend als gut oder sehr gut beurteilt. In der nicht-repräsentativen Befragung befürworteten fast drei Viertel der befragten Passanten eine erneute „Summer Street“ im nächsten Jahr. Bei der grundsätzlichen Frage, ob die Stadt Nürnberg künftig häufiger mobile und temporäre Umgestaltungen realisieren soll, war die Zustimmung sogar noch höher.

Anwohner frühzeitig einbinden

Allerdings registrierte Röder auch Kritik. So beklagten sich Anwohner über volle oder überquellende Mülleimer. Festgestellt wurde, dass Haushaltsmüll in die öffentlichen Mülltonnen gekippt wurde. Das Ordnungsamt wiederum konnte nicht feststellen, dass der Lärm zugenommen hätte. Die IHK-Expertin weiß auch, dass einzelne Anwohner gegen eine Fortsetzung im nächsten Jahr sind. Deshalb sollen sie im nächsten Jahr noch besser und frühzeitig eingebunden werden, um strittige Fragen von vornherein ausräumen zu können.

Unter dem Strich fällt Röders Zwischenbilanz aber positiv aus: „Es ist ein Erfolgsprojekt und Best-Practice-Beispiel“, deshalb sollte das Projekt aus IHK-Sicht unbedingt weitergeführt werden. Stimmt auch die Stadt zu, kann es in die Detailplanung für 2022 gehen. Denkbar wäre, freie Flächen noch aktiver zu gestalten. Aus den Evaluierungsrunden kamen Vorschläge wie Pop-up-Spielplätze oder temporäre Tischtennisplatten. Ein weiterer Schub für das Projekt könnte durch Fördergelder aus dem Sonderfonds „Innenstädte beleben“ vom Freistaat Bayern kommen. Dieser stellt für bayerische Städten und Gemeinden 100 Mio. Euro zur Verfügung, um den Folgen der Pandemie in den Innenstädten und Ortskernen aktiv entgegenzuwirken.

Autor/in: 

tt.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 12|2021, Seite 26

 
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