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Lieferketten

Den Menschen gerecht werden

Puzzle Lieferkette © AndreyPopov/GettyImages.de

Beim Wirtschaften die Menschenrechte achten: Wie können sich Unternehmen auf das Lieferkettengesetz vorbereiten?

Das neue Lieferkettengesetz verpflichtet betroffene Unternehmen dazu, im Betrieb Prozesse zu verankern, um ihre menschenrechtlichen Risiken zu managen. Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (so der offizielle Titel) wurde im Juni 2021 von Bundestag und Bundesrat beschlossen und tritt am 1. Januar 2023 in Kraft – zunächst für Unternehmen mit mehr als 3 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ab 2024 gilt es dann auch für Unternehmen mit mehr als 1 000 Beschäftigten. Doch auch kleinere Unternehmen sind indirekt betroffen, denn sie werden von ihren Geschäftspartnern mit in die Pflicht genommen. Deshalb sollten auch sie sich intensiv mit den Neuregelungen beschäftigen.

Von den Unternehmen erwartet das Gesetz Folgendes: Sie müssen verstehen, wo und wie es im Zusammenhang mit ihrem betrieblichen Handeln – auch in der Lieferkette – zu negativen Auswirkungen auf Menschenrechte (z. B. Vereinigungsfreiheit oder Recht auf angemessene Entlohnung) und auf bestimmte Umweltaspekte kommen kann. Dann müssen sie die ermittelten Risiken priorisieren und Maßnahmen ergreifen, um sie abzumildern oder zu vermeiden. Der Umfang der Sorgfaltspflichten, die umzusetzen sind, ist dabei abgestuft: Mit Blick auf den eigenen Geschäftsbereich sowie direkte Zulieferer sind die Maßnahmen wie beschrieben umzusetzen. Mit Blick auf mittelbare Zulieferer müssen Unternehmen hingegen vor allem dann aktiv werden, wenn sie konkrete Kenntnis einer möglichen Menschenrechtsverletzung erlangen.

Darüber hinaus werden Unternehmen verpflichtet, Beschwerdemechanismen einzurichten oder sich an solchen zu beteiligen und jährlich über die Umsetzung der Sorgfaltspflichten zu berichten. Überwacht wird die Einhaltung des Gesetzes durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Bei Verstößen können ein Bußgeld sowie ein zeitlich begrenzter Ausschluss von der öffentlichen Vergabe verhängt werden.

Verantwortung übernehmen

Ein Unternehmen kann also nicht länger sagen, dass das, was bei einem Zulieferer passiert, es nichts angeht. Es muss Verantwortung dafür übernehmen, wie es mit Menschenrechtsverstößen in seiner Lieferkette in Verbindung steht und wie es seinen Einfluss nutzt, um diesen entgegenzuwirken. Das Gesetz schreibt insofern einen Verhaltensstandard fest – was jedoch nicht gleichzusetzen ist mit einer Pflicht, die Einhaltung der Menschenrechte entlang internationaler Lieferketten zu jeglichem Zeitpunkt zu garantieren. Darin orientiert es sich eng an den maßgeblichen Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte (UN-Leitprinzipien). Auch die „Zehn Prinzipien“ des UN Global Compact formulieren diesen Anspruch: Achte die Menschenrechte und mache dich nicht an Menschenrechtsverletzungen mitschuldig.

Die Frage, ob freiwillige Ansätze ausreichen, um die Achtung der Menschenrechte durch Unternehmen sicherzustellen, ist nicht neu und wurde auch in Deutschland spätestens seit Beginn des Entwicklungsprozesses des Nationalen Aktionsplans Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) diskutiert. Die UN-Leitprinzipien sagen hierzu: Es braucht beides – verbindliche und freiwillige Ansätze und zwar auf nationaler und internationaler Ebene. Oftmals wird in diesem Zusammenhang der Begriff des „Smart Mix“ (intelligenter Mix von Maßnahmen) gebraucht.

Mit dem NAP – dessen Ziel die Umsetzung der UN-Leitprinzipien ist – hatte die Bundesregierung beschlossen, zunächst auf einen freiwilligen Ansatz zu setzen und nachzusteuern, wenn sich zeigen sollte, dass die Umsetzung menschenrechtlicher Sorgfalt durch Unternehmen auf dieser Basis unzureichend ist. Die Überprüfung erfolgte im Rahmen des NAP-Monitorings, das erhebliche Umsetzungslücken aufdeckte: Gerade einmal knapp 20 Prozent der deutschen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern setzten demnach Sorgfaltspflichten in einem angemessenen Maße um. Das ist deutlich unterhalb der in NAP und dem damaligen Koalitionsvertrag definierten Zielmarke von 50 Prozent und begründete folglich den gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Deutschland ist aber nicht allein, wenn es um zunehmende Verbindlichkeit beim Thema Wirtschaft und Menschenrechte geht. Seit einigen Jahren lassen sich solche Trends in zahlreichen Ländern beobachten. Auch auf EU-Ebene wird eine entsprechende Regelung erwartet.

Wie können sich Betriebe vorbereiten?

Ein wesentlicher Teil der Arbeit zum Thema Wirtschaft und Menschenrechte im Deutschen Global Compact Netzwerk (DGCN) besteht darin, auch kleine und mittlere Unternehmen zu sensibilisieren. Es ist oft zu hören, dass das Thema Menschenrechte nicht so intuitiv greifbar sei wie beispielsweise Umweltschutz oder Antikorruption. Dabei ist es viel weniger abstrakt, als man zunächst denkt – schließlich geht es um Menschen und deren ganz grundlegenden Rechte – also etwas, mit dem sich alle identifizieren können. Wenn das verstanden ist und die Bezüge zum Handeln des eigenen Unternehmens hergestellt und akzeptiert sind, fallen erfahrungsgemäß auch die nächsten Schritte deutlich leichter.

Aktuell sind viele Fragen hinsichtlich der Auslegung spezifischer Anforderungen des Gesetzes noch offen. Das bedeutet jedoch nicht, dass Unternehmen sich nicht schon jetzt mit menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten auseinandersetzen und eine erste Bestandsaufnahme im eigenen Betrieb durchführen können und sollten: Worum geht es eigentlich beim Thema menschenrechtliche Sorgfalt? Was ist besonders oder neu daran? Die Unternehmen sollten verstehen, was genau die Anforderungen an einen Sorgfaltsansatz sind – und was aber auch nicht. Das ist ein wichtiger Schritt, um in der Folge planvoll und systematisch an die Umsetzung zu gehen: Was tun wir bereits? In welchen unserer Prozesse sind Menschenrechte aktuell explizit oder implizit abgedeckt? Erheben wir beispielsweise menschenrechtliche Risiken oder berücksichtigen soziale Aspekte konsequent bei der Auswahl von Geschäftspartnern? Welche Lücken sind uns schon jetzt bekannt bzw. wo vermuten wir Handlungsbedarf? Ein solch proaktives Vorgehen hat den Vorteil, dass das Unternehmen frühzeitig die nächsten Schritte skizzieren und die hierfür erforderlichen Ressourcen mobilisieren kann. Das DGCN bietet zahlreiche Hilfestellungen an, um sich dem Thema zu nähern und es umzusetzen (siehe Info-Kasten).

Mit entscheidend für den Erfolg ist, dass die Geschäftsführung hinter dem Thema steht und die Belegschaft einbindet. Sie muss allen Beteiligten klar machen, weshalb menschenrechtliche Sorgfaltspflichten für das Unternehmen wichtig sind, was die Ziele des Engagements sind und wie die eigene Tätigkeit zu deren Erreichung beiträgt. Deshalb sollte man das Gesetz auch als Chance verstehen: Die Beschäftigung mit dem Thema Menschenrechte kann die Lieferketten verlässlicher machen, verschafft einen besseren Zugang zu Finanzmitteln und stärkt die Positionierung gegenüber Kunden, Konsumenten und potenziellen Mitarbeitern. Nicht zuletzt kommt dadurch zum Ausdruck, welche Werte das Unternehmen lebt.

Rahmenbedingungen müssen stimmen

Das Gesetz ist ein essenzieller Schritt, wenngleich es natürlich nicht alleine und nicht ein für alle Mal Menschenrechtsverstöße in Lieferketten beenden kann. Denn oft handelt es sich um sehr komplexe Situationen, deren Ursachen nicht effektiv und legitim durch einen Akteur allein behoben werden können. Aber mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz gibt es nun einen verbindlichen Mindeststandard. Und es sollte zum Nachdenken darüber führen, welche Maßnahmen über die bestehenden Compliance-Pflichten hinaus ergriffen werden können.

Auch für die Politik ist die Arbeit mit dem Inkrafttreten des Gesetzes nicht beendet: Eine wichtige Aufgabe wird sein, gleiche Bedingungen herzustellen („level playing field“). Denn es dürfen nicht diejenigen Unternehmen wirtschaftliche Nachteile haben, die das Thema Menschenrechte ernst nehmen. Wichtig sind deshalb die Pläne der EU-Kommission, einen verbindlichen Standard beim Thema menschenrechtliche Sorgfalt zu erarbeiten. Um ein stimmiges Gesamtkonstrukt zu schaffen, müssen verschiedene Ansätze sinnvoll ineinandergreifen – beispielsweise auch die Bereiche Sustainable Finance (nachhaltige Unternehmensfinanzierung) und internationale Handelspolitik. Bei alledem sollten wir aber nie vergessen, dass es letzten Ende immer darum geht, positive Veränderungen für die Menschen vor Ort zu erreichen.

Autor/in: 

Laura Curtze ist Leiterin des Bereichs "Menschenrechte und Arbeitsnormen" beim Deutschen Global Compact Netzwerk. Das DGCN ist mit über 800 Unterzeichnern aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Politik eines der führenden Netzwerke des UN Global Compact – der weltweit größten Initiative für unternehmerische Verantwortung und Nachhaltigkeit, die auch von der IHK Nürnberg für Mittelfranken unterstützt wird (laura.curtze@giz.de).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 02|2022, Seite 14

 
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