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Künstliche Intelligenz

Prozesse schlau machen

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Unternehmen können Künstliche Intelligenz auf vielfältige Weise nutzen – wenn das Datenmaterial entsprechend aufbereitet ist.

Der Begriff „Künstliche Intelligenz“ (KI) ruft unterschiedliche Assoziationen hervor – oft denkt man an dystopische Zukunftsbilder mit selbstdenkenden Robotern und weltverbessernden Maschinen. Für ein Unternehmen kann KI jedoch einen ganz praktischen Nutzen haben, z. B. die Wertschöpfung erhöhen, Prozesse optimieren und Abläufe vereinfachen. Doch wie kann das aussehen?

Wie kann KI ein Unternehmen unterstützen?

Konkret soll KI helfen, ein bestimmtes Anwendungsproblem zu lösen, das es zu identifizieren und klar abzugrenzen gilt. So ist es beispielsweise möglich, mit KI den Zustand von Maschinen zu überwachen und entsprechend Wartungsintervalle zu optimieren. Lagerbestände können an den voraussichtlichen Verbrauch und Wareneinkäufe an zu erwartende Preisschwankungen angepasst werden. Es lassen sich Muster im Kundenverhalten und -aufkommen erkennen, sodass man sich darauf entsprechend einstellen kann, zudem kann man automatisch Preise im Online-Handel anpassen. Nicht zuletzt lassen sich Anomalien in Produktionsprozessen erkennen. Die Liste ist nur ein geringer Auszug der Möglichkeiten, die KI zu bieten hat.

Obwohl sich die Anwendungsbereiche stark unterscheiden, sind die Funktionsweisen von KI-Methoden sehr ähnlich. Ein Computerprogramm soll Zusammenhänge lernen und Empfehlungen oder Entscheidungen zu einer Frage abgeben, die vom Nutzer vorher definiert wurde. Das Lernen kann entweder überwacht oder unüberwacht erfolgen. Überwachtes Lernen bedeutet, dass anhand von bereits kategorisierten Daten der KI-Algorithmus entscheidet, in welche Kategorie neue Daten fallen. Zur Verfügung stehende Daten werden gezielt mit Information angereichert, damit die KI ihre Entscheidungen im Sinne des Nutzers treffen kann.

Beispielsweise könnte das Wetter durch Temperatur und Bewölkung in einem Datensatz abgebildet werden. Ein Experte schaut sich pro Eintrag die Kombination aus Temperatur und Bewölkung an und entscheidet, ob er das Wetter als gut, okay oder schlecht befindet. Diese Bewertung wird zusätzlich im Datensatz hinterlegt. Eine KI nutzt diese Zusatzinformation, um sich selbst zu trainieren. Kommen neue Wettereinträge (Temperatur, Bewölkung) dazu, kann die KI anhand der bereits bewerteten Daten entscheiden, ob der Nutzer das neue Wetter gut, in Ordnung oder schlecht findet. Das unüberwachte Lernen erfordert hingegen keine vorherige Einteilung in Kategorien. Die KI versucht in diesem Fall, Daten unvoreingenommen nach Ähnlichkeit zu klassifizieren.

Beim Beispiel der Wetterdaten könnten Datenbankeinträge über 20 Grad (Temperatur) und sonnig (Bewölkung) in der ersten Kategorie, zehn bis 20 Grad und bewölkt in der zweiten Kategorie sowie unter zehn Grad und regnerisch in einer dritten Kategorie klassifiziert werden. Ein unüberwachter Ansatz hängt stark von den Eigenschaften des Datensatzes ab, weshalb sich das Ergebnis nur schwer vorhersagen lässt. Ein Vorteil des unüberwachten Lernens ist die einfachere Vorverarbeitung: Daten müssen nicht mit zusätzlichem Wissen versehen bzw. annotiert werden, damit die KI-Information bereitstellen kann.

Was benötigt eine KI?

Trotz der unterschiedlichen Anwendungsbereiche und Methoden ist das Fundament einer erfolgreichen KI immer dasselbe, nämlich Daten. Vor allem die Datenqualität hat einen maßgeblichen Anteil daran, ob eine KI helfen kann, einen Mehrwert für ein Unternehmen zu schaffen. Dafür muss eines der am meisten verbreiteten Probleme für Unternehmen angegangen werden, nämlich fehlende Kompetenzen, um digitale Daten überhaupt verarbeiten zu können. Oftmals ist man sich als Unternehmen bewusst, dass möglichst viele Abläufe in Daten dokumentiert werden sollten. Dadurch entstehen Datenschätze, denen man aufgrund ihrer Größe, unpraktischen Ablagestruktur (Excel-, CSV- oder Text-Dateien in unterschiedlichen Ordnern) und fehlender Verwendungsideen keine weitere Beachtung schenkt.

Wenn ein Team aus Datenwissenschaftlern damit beauftragt wird, mit diesem Datenschatz eine KI zu entwickeln, ist die Ernüchterung schnell groß. Ein Großteil der Arbeit dieser Fachleute besteht aus dem Suchen, Bereinigen, Organisieren, Strukturieren und Bereitstellen der Daten. IBM schätzt, dass Datenwissenschaftler 80 Prozent der Arbeitszeit für die Vorverarbeitung eines Datensatzes verwenden. Nur etwa ein Fünftel der Arbeitszeit kann für das Entwickeln der KI aufgewendet werden, weshalb man auch von der 80-20-Regel spricht. Zum einen kann durch den hohen Aufwand bei der Datenvorverarbeitung und die dadurch reduzierte Entwicklungszeit die Erwartung an die KI selten erfüllt werden. Zum anderen steigen die Kosten für einen KI-Auftrag, wenn die Datenverarbeitungsinfrastruktur erst entwickelt werden muss.

Wie die Entwicklung einer KI-Lösung konkret ablaufen kann, lässt sich an einem Projekt veranschaulichen, bei dem eine automatisierte Erkennung von Wälzlagerschäden ausgearbeitet werden sollte. Wälzlager (oft Kugellager genannt) kommen bei Bewegungen zwischen Maschinenelementen zum Einsatz, die eine geringe, variable Drehzahl besitzen, hohe Lasten erfordern und reibungsarm sein sollen (z. B. in Riesenrädern, Baggern, Drehkranen, Seilwinden, Windkraftanlagen, Fördertechnik und Bohrgeräten). Ein Großteil der Projektarbeit (mindestens 80 Prozent) wurde auf die Entwicklung der Datenverarbeitung und -analyse aufgewendet, wohingegen die eigentliche Entwicklung der KI vergleichsweise unkompliziert war. 

Ohne aufwändige Datenprozessierung wäre das Entwickeln einer KI-basierten Methode zur Erkennung von Lagerschäden schwer möglich gewesen. Durch eine flexible und effiziente Gestaltung der Dateninfrastruktur konnten Daten mit unterschiedlichen Methoden analysiert und Muster innerhalb der Daten verstanden werden. Die Erkennung von Lagerschäden hat zum Abschluss des Projekts auf verschiedenen Einteilungen in Trainings- und Testdatensatz mit einer Genauigkeit von 100 Prozent funktioniert und kann nun automatisiert erfolgen. Der größte Mehrwert des Projekts war jedoch die Entwicklung der Dateninfrastruktur, die nicht nur einen massiven Leistungszuwachs brachte, sondern auch neue und weiterführende Analyse- und Auswertungsmöglichkeiten eröffnete.

Dateninfrastruktur überprüfen

Mittlerweile gibt es unzählige Anwendungsbeispiele für KI im Mittelstand, was die Hoffnungen von Unternehmen auf unmittelbaren Erfolg einer KI-Integration weckt. Die Umsetzung scheitert aber oft schon einen Schritt vorher bei der Datenverarbeitung. Auf der Suche nach einer KI-Lösung sollte deshalb geklärt sein, ob das Unternehmen über eine stabile und zukunftsfähige Dateninfrastruktur und die nötige Expertise dafür verfügt. Wenn nicht, dann ist das die erste Herausforderung. Schon 2016 hat IBM in einer Studie festgestellt, dass schlecht gepflegte Daten zu jährlichen Einbußen beim US-Bruttoinlandsprodukt in Höhe von 3,1 Bio. US-Dollar führen. Selbst unabhängig von revolutionären Analyse- und Vorhersagemethoden haben Daten dementsprechend ein enormes Wertschöpfungspotenzial. Behandelt man sie als kritische Infrastruktur, lässt sich sowohl dieses Potenzial als auch die riesige Vielfalt von KI ausschöpfen. Denn eines vereint sämtliche Künstliche Intelligenzen, sowohl in der Science-Fiction als auch im Mittelstand: Eine KI ist nur so schlau, wie es die Daten erlauben.

Autor/in: 

Sebastian Wussow ist Berater, Data Scientist (Datenwissenschaftler) und KI-Experte beim Erlanger IT-Dienstleister Astrum IT GmbH (www.astrum-it.de).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 06|2022, Seite 34

 
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