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Via optronics

Berührende Technik

Via optronics © Thomas Tjiang

Display-Spezialisten: Die Vorstände Jürgen Eichner (l.) und Dr. Markus Peters.

Mit ihren Entwicklungen macht das Nürnberger Unternehmen Display-Systeme leistungsfähiger.

Im vorletzten Jahr passierte der Nürnberger Display-Veredler Via optronics AG einen Meilenstein in seiner Firmengeschichte: Damals ging das Unternehmen erfolgreich an die Börse. Für das Debüt wurde allerdings nicht Frankfurt gewählt, sondern die New York Stock Exchange in den USA. Firmengründer und Vorstand Jürgen Eichner schätzt sie als technologieoffener ein, dies bringe auch eine bessere Bewertung des Geschäftsmodells mit sich. Zudem hat Via optronics in den USA zahlreiche Kunden, die für ihre Laptops auf die Displays der Deutschen setzen. Auch wenn der Börsengang eher jenseits des Atlantiks für Aufmerksamkeit sorgt, ist das Unternehmen das einzige aus Mittelfranken, das in den USA gelistet ist.

Diese Entwicklung hatte der gelernte Radio- und Fernsehtechniker, der später noch ein Ingenieurstudium an der Technischen Hochschule Nürnberg draufsattelte, bei Weitem nicht im Sinn, als er 2005 seinen eigenen Betrieb gründete. Mit reichlich Branchenerfahrung im Rücken konzentrierte er sich auf eine Technologie für Displays, damit diese auch bei ungünstiger Sonneneinstrahlung lesbar bleiben. Mit seinem ersten Mitarbeiter nahm er sich vor, diesen Nischenmarkt für Industrie-Displays zu bedienen. 2006 firmierte das Einzelunternehmen zur GmbH um und im thüringischen Hermsdorf entstand ein kleiner Fertigungsbetrieb. Dort werden importierte Displays durch ein eigenes Verfahren so veredelt, damit man z. B. Displays für Autos, Baumaschinen, Geldautomaten oder große Reklame an der Straße auch bei direktem Sonnenlicht noch gut lesen kann.

Ein Herzstück des Know-hows ist das patentierte "Optical Bonding". Das ist ein besonderes Klebeverfahren, bei dem ein Display mit einem sogenannten Deckglas optimal verbunden wird – optional auch mit einem Touch-Sensor. Durch das Optical-Bonding-Verfahren werden Reflexionen vermieden, zusätzlich erhöhen spezielle Zwischenfilme die Lichtstärke des Geräts. Außerdem werden die Geräte mechanisch robuster, falls sie einmal herunterfallen sollten. Für dieses Geschäftskonzept erhielt Via optronics 2007 den IHK-Gründerpreis Mittelfranken. Ein Jahr später folgte für das Start-up mit seinen inzwischen 55 Mitarbeitern der Deutsche Gründerpreis. "Wir hatten die längste Erfahrung im Markt", erklärt Eichner seinen Erfolg mit Blick auf Material, Prozesse und Equipment. Das junge Unternehmen machte sich einen Namen in der Branche und erschloss sich zwei amerikanische Laptop-Hersteller als Kunden. Daneben etablierte sich Via optronics bei industriellen Anwendungen und in der Automobilindustrie.

Zahlreiche Patente

Die Firma profitiert nicht nur von ihrem patentierten Verfahren beim Optical Bonding, das es bei der Display-Veredlung einsetzt. Sie investiert auch kontinuierlich in Forschung und Entwicklung und verfügt heute über 135 Patente, weitere 20 waren zum Jahreswechsel im Anerkennungsverfahren. Darunter findet sich auch eine Touch-Sensor-Technologie mit einem feinen Metallgitter aus Kupfer ("Kupfer Metal Mesh"). Das ist heute eine Grundlage für klein- und großformatige Display-Anwendungen oder ganze Systeme. Das Spektrum reicht von Displays ab einem Zoll bis zu großen Bilddiagonalen mit bis zu 100 Zoll. Das Know-how erlaubt sehr dünne Displays mit geringem Stromverbrauch und exzellenter Lesbarkeit selbst bei hoher Sonneneinstrahlung. Zusätzlich entwickelt das Unternehmen für Kunden auch individuelle Display-Anwendungen. Dazu gehören auch gebogene, sogenannte Curved-Display-Panels.

Zu der Fertigung in Thüringen kam 2011 das Werk im chinesischen Suzhou dazu, womit die Wertschöpfungstiefe ausgebaut wurde und asiatische Kunden besser und schneller bedient werden können. 2016 löste die philippinische Integrated Micro-Electronics (IMI) die vorhandenen Investoren ab, darunter auch die Bayerische Beteiligungsgesellschaft (BayBG). IMI sicherte sich 76 Prozent der Anteile, der Rest verblieb bei Firmengründer Eichner. Zur Erweiterung der Touchscreen-Fähigkeiten wurde 2018 die VTS Touchsensor in Japan gegründet. Dort werden an zwei Standorten Kupfer-Metal-Mesh-Touch-Sensoren entwickelt und produziert. Ein Jahr später erweiterte Via optronics das Automotive-Portfolio mit interaktiven Anzeigesystemen und Sensoriklösungen für Automobilkameras. Zu den Vertriebsbüros in den USA und Taiwan kam 2021 noch ein Standort auf den Philippinen dazu.

Ende 2017 wurde der moderne Stammsitz im Nürnberger Norden bezogen. In dem Gebäude findet sich eine neu aufgebaute, halbautomatische Fertigungslinie mit Reinräumen. Damit werden derzeit rund 12 000 Einheiten im Monat produziert. Firmenchef Eichner hat aber für die Zukunft schon vorgebaut, denn die Produktionskapazität lässt sich auf monatlich 50 000 Einheiten hochfahren. Von der Dachterrasse aus hat man einen Blick auf eine weitere Produktionsstätte, die im letzten Jahr fertiggestellt wurde. Denn die Menge in Thüringen war mit 2 000 bis 5 000 Einheiten vergleichsweise klein. Und die räumliche Trennung zwischen der Nürnberger Entwicklungsabteilung und dem Hermsdorfer Werk sei im Tagesgeschäft zu groß gewesen. Die Fertigung in Nürnberg ist für automatisierte Produktionslinien ausgelegt. Noch allerdings sind manuelle Schritte bei der Warenanlieferung sowie der Eingangs- und Ausgangskontrolle notwendig.

Lieferkette nach Asien verlagert

"Wir können in Deutschland so günstig produzieren wie in China", so Eichner. Er freue sich, dass er an seinem Heimatsitz diesen Beweis erbringen kann. Allerdings sind am alten Industriestandort Nürnberg viele Bestücker von Leiterplatten längst vom Markt verschwunden. Die Lieferkette habe sich gerade durch die Autobauer nach Asien verlagert. Vielleicht ändere sich an dieser Entwicklung etwas, wenn die Nürnberger Kapazitäten weiter steigen. Immerhin seien die Entwicklungen von Via optronics nicht einfach zu ersetzen.

Das Geschäft des Display-Spezialisten verteilt sich ungefähr zu gleichen Teilen auf die Sparten Automotive, Industrie und Verbraucher. Durch die wachsende E-Mobilität sieht Eichner in diesem Segment das größte Wachstumspotenzial. 2021, dem ersten vollen Geschäftsjahr an der Börse, kletterte der Umsatz von knapp 153 Mio. auf rund 181 Mio. Euro. Die Zahl der Beschäftigten weltweit erhöhte sich gegenüber dem Vorjahr um ca. 150 auf rund 850. Davon arbeiten zuletzt gut 200 in Nürnberg. Mit dem negativen Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) in Höhe von 3,4 Mio. Euro ist Dr. Markus Peters, seit letztem Jahr Finanzvorstand, nicht zufrieden. Einerseits litt die Fertigung unter Corona-bedingten Störungen, vor allem hinsichtlich Quarantäne und Reisebeschränkungen. Andererseits erhöhten sich u. a. die Logistikkosten erheblich. In diesem Jahr bremst der Lockdown in Shanghai vor allem die Beschaffung von Vorprodukten der dortigen Zulieferer.

Die AG hat 2021 aber auch schon die Weichen für die Zukunft gestellt, als sie die Firma Germaneers aus dem Ingolstädter Raum übernahm. Diese ist in der Entwicklung digitaler Fahrzeuginnenräume tätig und erweitert damit die Kapazitäten und das Know-how der Nürnberger Gruppe. Germaneers entwickelt und realisiert Bedientechnik an der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine sowie Sensor- und Kameraanwendungen. Zudem ermöglicht eine Beteiligung am US-Unternehmen Sigmasense, das auf Berührungssensorik spezialisiert ist, eine Zusammenarbeit bei der Entwicklung neuer Berührungstechnologien für Automobilanwendungen, industrielle Displays und Unterhaltungselektronik.

Autor/in: 

(tt.)

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 06|2022, Seite 70

 
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