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Geschichte

"Jeden Tag Müh‘ und Plag‘": Arbeitszeit im historischen Rückblick

"Die Arbeit begann um ½ 4 Uhr morgens und endete um 10 Uhr abends. Um ½ 1 Uhr nachts wurden die Mälzer außerdem noch zum Darreumschlagen aus den Betten geholt. Die reine Arbeitszeit betrug 14 Stunden." So schrieb der 1884 bei Löwenbräu eingetretene Brauer Lorenz Gleissner in seinen Erinnerungen. In weiten Teilen der Industrie ging die durchschnittliche Zahl der Arbeitsstunden ab der zweiten Hälfte der 1860er Jahre auf 12 Stunden zurück. Die Gewerbeordnung von 1891 sah grundsätzlich einen arbeitsfreien Sonntag vor. Bis zum Ersten Weltkrieg sank die Arbeitszeit auf 10 Stunden. Ausschlaggebend für diese Entwicklungen waren technische Veränderungen, neue naturwissenschaftlich-medizinische Einsichten, aber auch neue Produktionsmethoden. Erst die Revolution von 1918 brachte den Achtstunden-Tag. Nach dem Zweiten Weltkrieg stand die Arbeitszeit in den Wirtschaftswunderjahren des Aufschwungs zunächst nicht zur Diskussion. Geld verdienen war angesagt. Um 1950 wurde 48 Stunden, verteilt auf sechs Tage, gearbeitet. Mit wachsendem Wohlstand wurde jedoch der Ruf nach mehr Freizeit laut. Mitte der 1950er Jahre starteten die DGB-Gewerkschaften ihre Kampagne "Samstags gehört Vati mir" mit der Forderung der 5-Tage-Woche und 40 Wochenstunden. 1959 war es dann im Steinkohlebergbau so weit. 1963 folgte die Holzverarbeitung und 1967 die Metallindustrie. In der westdeutschen Metall- und Elektroindustrie setzte sich 1995 die 35-Stunden-Woche durch.

Dreherei in der Maschinenfabrik J.A. Maffei, München, 1849

Dreherei in der Maschinenfabrik J.A. Maffei, München, 1849

Fasswäscherei bei Löwenbräu, um 1910

Fasswäscherei bei Löwenbräu, um 1910

Der erste Tarifvertrag in der bayerischen Metallindustrie vom 14. April 1919 mit Bestimmungen zum Urlaub

Der erste Tarifvertrag in der bayerischen Metallindustrie vom 14. April 1919 mit Bestimmungen zum Urlaub

Der erste Tarifvertrag in der bayerischen Metallindustrie vom 14. April 1919 mit Bestimmungen zum Urlaub

Bis Anfang des 20. Jahrhunderts gab es für Fabrikarbeiterinnen und Fabrikarbeiter keinen bezahlten Urlaub. Erst 1903 setzten Brauereiarbeiter diesen Anspruch erstmals durch. Ihr Tarifvertrag garantierte ihnen drei Tage im Jahr. Die Entwicklung der Arbeitszeit hat in den Beständen des Bayerischen Wirtschaftsarchivs vielfältigen Niederschlag gefunden.
Dr. Harald Müller, Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bayerischen Wirtschaftsarchivs

Fotos: Bayerisches Wirtschaftsarchiv BWA

 
 
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