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Aus Beschwerden lernen

Erfolgreiche Organisationen haben eines gemeinsam: Sie konzentrieren sich in erster Linie auf das Wohl ihrer Kunden. Doch auch wenn der Kunde reklamiert oder sich beschwert, soll er sich als König fühlen.
„Die Maschine kann sich nicht irren“. „Was reden Sie für‘n Quatsch“. Barsche Antworten dieser Art mussten sich Wissenschaftler der Universität Kassel anhören, als sie die Reaktionen deutscher Unternehmen auf Reklamationen untersuchten. Auf schriftliche Beschwerden antworteten Firmen erst nach Wochen. Reklamationen und Beschwerden sind lästig und kosten manchmal auch Geld. Aber in jeder Beschwerde steckt auch eine Chance.
Kunden, die sich beschweren, fühlen sich eher als lästige Querulanten denn als Hinweisgeber behandelt. Da es um konkrete Probleme mit Produkten oder Dienstleistungen geht, hilft die Auswertung von Reklamationen und Beschwerden, Schwachstellen zu erkennen und das Angebot besser an Kundenwünsche anzupassen. Produkte und Dienstleistungen unterscheiden sich in vielen Branchen kaum. Die Chance, sich vom Wettbewerber zu unterscheiden, liegt vor allem im Service: Vor, während und nach dem Kauf dem Kunden individuell zur Seite zu stehen. Unter dem Stichwort Beschwerdemanagement haben sich daher in den letzten Jahren etliche Großunternehmen mit diesem Thema befasst.

Mit dem Kopf des Kunden denken
Wer sich mit dem Thema Reklamationen beschäftigen will, muss zunächst an seiner eigenen Einstellung arbeiten. Auch schwierige Kunden sind leichter zu ertragen, wenn Sie eine positive Einstellung pflegen. Versetzen Sie sich daher in die Lage des Kunden! Er ist ärgerlich, weil er nicht die erwartete Leistung erhalten hat. Er wählt oft den falschen Ton, reagiert emotional und sehr empfindlich auf Widerspruch. Deshalb gilt: Zuhören, den Kunden mit Geduld ausreden lassen. Sprechen Sie die Gefühle des Kunden an: „Ich verstehe Ihren Ärger.“ Bedanken Sie sich dafür, dass der Kunde auf den Fehler aufmerksam gemacht hat. Dies bedeutet noch keine Anerkennung des Sachverhalts, sondern trägt dazu bei, die Situation zu entspannen. Der Kunde soll spüren, dass sein Anliegen ernst genommen wird. Denn es spricht sich herum, wenn ein Kunde von der Behandlung seiner Beschwerde enttäuscht ist. Ein Imageverlust, den sich kein Unternehmen leisten kann.

Gesprächskiller vermeiden
Diejenigen Mitarbeiter, die Reklamationen entgegennehmen, sollten für diese Fälle geschult werden, damit folgende Reaktionen nicht mehr vorkommen.
1. Die Reklamation in Zweifel ziehen: „Das ist noch nie passiert“. „Das kann ich mir nicht vorstellen.“
2. Anderen die Schuld geben: „Das ist die Spedition gewesen.“ „Das kann nur am Lieferanten liegen.“
3. Den Kunden beruhigen wollen: „Jetzt beruhigen Sie sich mal!“ „Machen Sie mal langsam!“
4. Voreilig zur Sache kommen: „Geben Sie mir mal die Auftragsnummer.“ „Das müssen wir gar nicht erst prüfen.“
5. Widersprechen und belehren: „Das gibt es nicht – ausgeschlossen!“ „Ihre Mitarbeiter haben die Maschine falsch bedient.“

Für positives Gesprächsklima sorgen
Sicher ist es schwierig, im Gespräch mit einem aufgebrachten Kunden ein gutes Klima herzustellen. Wer im Reklamierer den Nörgler sieht, wird nicht den richtigen Ton finden. Entscheidend ist, richtig zuzuhören, dem Kunden das Gefühl zu vermitteln, dass es im Augenblick nichts Wichtigeres gibt als sein Problem. Das beginnt mit der Wortwahl: Statt „Sie müssen“ besser „Bitte bedenken Sie“, statt „warten“ besser „gedulden“, statt „Das muss ich erst mal prüfen“ besser „Ich will mich noch informieren“. Wirkungsvoller als „Das stimmt nicht“ ist die Formulierung „Nach meinen Unterlagen stellt sich der Fall so dar“.

Den Sachverhalt klären
Zunächst muss der Sachverhalt geklärt werden. Wer hat den Schaden verursacht? Muss Ihr Lieferant Ersatz leisten oder hat Ihre Fertigung einen Fehler gemacht? Der Kunde kann das Problem zudem falsch darstellen oder hat es gar nicht richtig erkannt. Und nicht jeder Fall, den ein Kunde vorträgt, ist eine echte Beschwerde. Manchmal hat er nur eine Frage, die er aber als Reklamation vorträgt. In Zweifelsfällen sollten Sie einen Rechtsbeistand hinzuziehen. Bedenken Sie aber: Einen neuen Kunden zu gewinnen, ist meist teurer als bei einer Reklamation großzügig zu sein.

Ihr eigenes Problem
Der Kunde erwartet keine Schuldzuweisungen, sondern eine Lösung für sein Problem. Wer technische Pannen oder Lieferverzögerungen verursacht hat, interessiert ihn nicht. Denn es ist Aufgabe des Unternehmens, für eine pünktliche Lieferung, eine einwandfreie Leistung zu sorgen. Daher ist eine Reklamation nicht nur das Problem des Kunden, sondern Ihr Problem, für das Sie eine Lösung anbieten sollten.

Wenn der Fehler beim Kunden liegt
Liegt der Fehler eindeutig beim Reklamierenden, erfordert die Lösung Fingerspitzengefühl. Den meisten Kunden ist ein solcher Fall eher peinlich. Sorgen Sie dafür, dass Ihr Kunde sein Gesicht wahren kann. Im Gespräch oder in der schriftlichen Antwort sollte zunächst der Sachverhalt beschrieben werden, erst dann die Wertung folgen. Sagen Sie also nicht: „Wenn Sie schon bei einer Temperatur von … °C mit der Verarbeitung beginnen, muss das Material brüchig werden.“ Sondern besser: „Beginnen Sie erst mit der Verarbeitung, wenn das Material die Temperatur von … °C erreicht hat. Unser Labor hat Ihre Materialprobe geprüft und ermittelt, dass diese Temperatur nicht eingehalten wurde.“ Der Kunde muss die Gründe der Absage nachvollziehen können.

Eigene Fehler zugeben
Wenn Ihr Unternehmen für den Schaden verantwortlich ist, geben Sie den Fehler zu. Warten Sie nicht, bis der Kunde Ihnen beweist, dass die Fakten gegen Sie sprechen. Vielleicht hat die Beschwerde Sie sogar auf ein Problem aufmerksam gemacht, dass Ihnen bisher noch nicht bekannt war. Schreiben Sie dem Kunden, wie Sie diesen Fehler in Zukunft vermeiden wollen, und danken Sie ihm für den wertvollen Hinweis.

Reparatur – nur mit Bestätigung
Müssen Kosten für eine Reparatur berechnet werden, empfiehlt sich ein genauer Kostenvoranschlag. Nennen Sie also keine Pauschalen. Teilen Sie dem Kunden Kosten und Reparaturdauer schriftlich mit und lassen Sie sich den Auftrag per Brief oder Fax bestätigen. Dadurch lässt sich neuer Ärger vermeiden.

Halten, was man verspricht
Alles, was Sie schriftlich zusagen, garantieren oder versprechen, muss stimmen. Geben Sie beispielsweise keine Termine an, die Sie nicht halten können. Der Kunde hat Ihren Brief immer als Beweismittel in der Hand. Sollten Sie trotz aller Bemühungen keine Lösung finden, die der Kunde akzeptiert, so muss nicht gleich jeder Streit vor Gericht ausgetragen werden. Für viele Branchen gibt es Schlichtungsstellen, die sich bemühen, bei Streitigkeiten auf einen Gütevergleich hinzuwirken. Voraussetzung: Alle Beteiligten müssen diesem Verfahren zustimmen.

Auswertung nicht vergessen
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 07|2002, Seite 16

 
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