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Region Nürnberg wieder zentral in Europa

Schon bisher und auch weiterhin heben sich Wirtschaftswachstum und Fortschritt gerade in den östlichen EU-Beitrittsländern positiv ab. Als Folge dieser Entwicklung hat sich der deutsche Osthandel im abgelaufenen Jahr 2002 vorläufigen Zahlen zufolge insgesamt um rund fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr erhöht. Und speziell in den EU-Beitrittsländern sogar um rund sieben Prozent, was weit über dem Durchschnittswachstum des gesamten deutschen Außenhandels liegt.

Die Wirtschaft der Region Nürnberg ist voll mit von der Partie. Und wenn Wachstumsmärkte wie Tschechische Republik, Polen oder Ungarn deutsche Ostpartner Nummer 1 sind, so hat auch die mittelfränkische Wirtschaft dort die Nase vorn. Besonders in den 90er Jahren hat die mittelfränkische Wirtschaft ihren geographisch, historisch und strukturell begründeten Standortvorteil im Osten gut genutzt. Rein statistisch gesehen (IHK-interne Datei) sind von insgesamt 2 500 mittelfränkischen Außenhandelsunternehmen über 1 000 in Mittel- und Osteuropa aktiv; das sind ein Fünftel mehr als Mitte der 90er Jahre, und der Zuwachs liegt damit im Vergleich der Weltregionen am höchsten.

Wie ausgeprägt die wachstumsstarken EU-Beitrittsstaaten Mittelosteuropas (MOE) im Fokus der mittelfränkischen Exportwirtschaft liegen, wird aus folgenden Zahlen deutlich: So stehen Ungarn (470 mittelfränkische Firmen), Polen (512), Tschechien (614) und Slowakei (325) ganz oben auf der Liste jener Boom-Länder, mit denen die regionale Wirtschaft die (nach der Firmenzahl) meisten Wirtschaftskontakte unterhält. Und in all diesen Fällen sind die Zuwachsraten im Zehn-Jahres-Vergleich zwei- oder sogar dreistellig.

Mit Kooperationen Lohnvorteile nutzen
Auch gemessen an der Intensität der Marktbearbeitung liegt die Region Nürnberg gut im Rennen: Über 200 mittelfränkische Unternehmen (gegenüber 150 Mitte der 90er Jahre) haben in Mittel- und Osteuropa rund 670 (vorher: 425) Vertretungen eingerichtet. Auch hier also ein Rekordwachstum um ein Drittel (Firmenzahl) bzw. sogar um mehr als die Hälfte (Zahl der Vertretungen).

Noch deutlicher lässt sich die Nachhaltigkeit der Marktpräsenz und der ausgeprägte, die Wettbewerbskraft stärkende Kooperationswille in der Zahl mittelfränkischer Niederlassungen und Produktionsstätten sowie Joint Ventures ablesen: Rund 220 mittelfränkische Unternehmen (gegenüber 150 Firmen Mitte der 90er Jahre) haben in Mittel- und Osteuropa insgesamt rund 470 (280) dauerhafte Engagements dieser Art eingerichtet, was einem Zuwachs von fast 50 Prozent (Firmenzahl) bzw. zwei Drittel (Zahl der dauerhaften Engagements) in nur zehn Jahren entspricht. Eine gute Ausgangslage also, um durch grenzüberschreitende Zusammenarbeit Lohnvorteile (vor allem bei arbeitsintensiven Fertigungsprozessen) zu nutzen, die Wettbewerbskraft zu stärken und durch Marktnähe rasch zu handeln.

„Go East“ auf breitem Fundament
Betrachtet man das „Go East“ nach Branchen und Betriebsgrößen, so fällt auf, wie breit das Fundament der mittelfränkischen Exportwirtschaft mit Ost-Engagement ist: Über zwei Drittel aller Außenhandels-Unternehmen sind Betriebe mit weniger als 50 Beschäftigten, und legt man die Obergrenze bei 500 Beschäftigten fest, sind es der Zahl nach sogar 99 Prozent.

Für eine stabile Ausgangsbasis der mittelfränkischen Exportwirtschaft im benachbarten östlichen Wirtschaftsraum sorgt auch der ausgewogene, facettenreiche Branchenmix. So gut wie alle Industriezweige der Region sind im Osten erfolgreich tätig. Vor allem gilt das für Unternehmen mit kapitalintensiven Produktionsverfahren und hoher Wertschöpfungsquote sowie für die Herstellung technologisch fortgeschrittener Güter.

Der allgemein so aufstrebende Dienstleistungssektor erweist sich mit seinen außenwirtschaftlichen Aktivitäten erfreulicherweise sogar als eine Art „hidden champion“ unter den „Ost-Aktivisten“. Denn von den rund 1 300 außenwirtschaftlich tätigen Dienstleistern der Wirtschaftsregion Nürnberg haben schon 500 Osterfahrung gesammelt; über 150 davon sind in MOE sogar durch Vertretungen, Niederlassungen und Joint Ventures dauerhaft präsent. Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist, dass sich bereits 50 außenwirtschaftlich tätige Verkehrsunternehmen hier niedergelassen und damit die Bedeutung der Region Nürnberg als Verkehrsdrehscheibe zwischen Ost und West untermauert haben. Es fehlen exakte Vergleichszahlen, aber nach IHK-Einschätzung entspricht das einer schlichten Verzehnfachung der Ostaktivitäten des Tertiären Sektors innerhalb von zehn Jahren. Es steigert den Wert dieser Entwicklung zusätzlich, wenn man sich vor Augen führt, dass im grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr noch viele Hemmnisse zu überwinden sind.

NürnbergMesse nutzt neue Mittellage
Hervorhebenswert ist auch der Messeplatz Nürnberg als Standort zahlreicher Kongress- und Messeveranstaltungen mit hoher Ausstrahlungskraft und Ausrichtung nach Mittel- und Osteuropa. Ob Nischen- oder internationale Leitmessen, ob im rasch wachsenden Kongresssektor – überall hat die Messe Nürnberg mehr als nur Fleißkärtchen gesammelt und profiliert sich dank der wiedergewonnenen zentralen Lage Nürnbergs und dank guter Marktstrategie als Begegnungsstätte gerade für Messebesucher aus den östlichen Nachbarstaaten.

Für die ausgewiesene Osteuropa-Kompetenz der NürnbergMesse spricht, dass inzwischen über zwölf Prozent der internationalen Aussteller und über 30 Prozent der internationalen Fachbesucher aus Mittel- und Osteuropa stammen. Insgesamt gesehen ist das Wachstum der NürnbergMesse im letzten Jahrzehnt – Verdreifachung des Messeumsatzes, fast Verdoppelung der Ausstellerzahlen – ohne die Öffnung nach Osten nicht vorstellbar.

Zahlreiche IHK-Aktivitäten
Die IHK Nürnberg für Mittelfranken hat früh die Initiative zur Förderung des Osthandels ergriffen und kann nunmehr eine stolze Bilanz vorweisen. Über 100 Osteuropa-Veranstaltungen in den letzten zehn Jahren – „Kammergespräche“, Ländersprechtage, Informationsseminare, Unternehmertreffen, Delegationen, Kongresse und Firmengemeinschaftsstände auf Auslandsmessen – legen ein beredtes Zeugnis ab vom „Schwerpunktdenken“ in der IHK.

Mit einiger Genugtuung nimmt die IHK die positiven Auswirkungen dieser Bemühungen auf das Standortmarketing (Internationalität der Region) beziehungsweise auf das „Nürnberg-Bewusstsein“ der Mittel- und Osteuropäer zur Kenntnis. Aufmerksamkeit im Osten fanden insbesondere IHK-Pionierleistungen bei der Organisation von Kongressen mit bis zu 550 Teilnehmern, die Einrichtung so genannter „Ständiger Kontaktbüros“ für die damalige CSFR und die Ukraine, die Langzeitschulungen für Nachwuchskräfte aus Mittel- und Osteuropa, die Unterstützung bei der Einrichtung von „Nürnberger Häusern“ und „Erlanger Häusern“ in den Partnerstädten Charkiw und Wladimir, die Partnerschaften mit den IHKs in Krakau und Charkiw sowie die daraus entstandenen Gemeinschaftsbüros und -aktivitäten.

Auch ist es kein Zufall, dass unter den 13 (Honorar-)Konsulaten in Nürnberg mit kräftiger IHK-Unterstützung vier eingerichtet worden konnten, die wichtige Partnerstaaten in Mittel- und Osteuropa repräsentieren und die Brücke dorthin verbreitern: nämlich für Polen, Russland, die Tschechische Republik und Ungarn.

Staatliche Förderinstrumente
Diese und weitere Ostaktivitäten der IHK sind erleichtert oder erst ermöglicht worden durch praxisnahe Förderinstrumentarien der Bayerischen Staatsregierung. Neben der Auslandsmesseförderung ist hier vor allem das Außenwirtschaftsberatungs-Programm zu nennen. Mehr als 50 Prozent der über 100 Kontaktbesuche und intensiven Beratungen durch Außenwirtschaftsexperten sind für die Förderung und Beratung mittelständischer Unternehmen bei der Markterschließung Osteuropas eingesetzt worden.

Über das Anfang 2001 mit großer Unterstützung durch die Bayerische Staatsregierung in Nürnberg eingerichtete „Außenwirtschaftszentrum Bayern“ werden mittelständischen Firmen derzeit fünf Osteuropa-Projekte (für die Tschechische Republik und Russland) angeboten, und zwar für die Bereiche Maschinenbau/Elektrotechnik sowie die Herstellung hochwertiger Konsumgüter.

Noch zahlreiche ungenutzte Marktchancen
Die Wirtschaft der Region Nürnberg ist in Mittel- und Osteuropa in der Tat gut aufgestellt. Doch viele Marktchancen sind nach wie vor ungenutzt. Ein markantes Beispiel liefert der von der OECD entwickelte Indikator „Export-Performance“, mit dem die Position eines Landes im globalen Wettbewerb bewertet wird. Wenn z.B. das Volumen der deutschen Exporte schneller wächst als das Gesamtvolumen des belieferten Absatzmarktes, so verbessert das die deutsche „Export-Performance“ (bzw. die deutschen Marktanteile).

Gerade in den mittelost- und osteuropäischen Wachstumsmärkten hat die deutsche Wirtschaft ihre „Performance“ zwar weiter verbessern können. Dass aber mehr „drin“ ist, zeigen Messzahlen wie diese: So liefern deutsche Exporteure beispielweise pro Kopf der Bevölkerung bei weitem nicht so viel gen Osten (mit Ausnahme Tschechische Republik) wie beispielweise nach Österreich, die Schweiz oder die Benelux-Länder – was auf noch unausgeschöpfte Exportpotenziale hindeutet. Vermehrte Anstrengungen hinsichtlich Marktpräsenz, Vertrieb und Marketing sind also der Mühe wert.

Schließlich bietet auch die Innovationskraft der Region Nürnberg gute Gründe für besondere weitere Anstrengungen: Bekanntlich liegt Mittelfranken in der Spitzengruppe der High-Tech-Regionen in Deutschland und sogar in Europa, und diese hohe technologische Leistungsfähigkeit macht die High-Tech-Hochburg zum Eldorado für die innovationshungrigen EU-Anwärterstaaten.

Technologie-Kooperationen
Hinzu kommt, dass es auch eine Art Erfolgs-Paradoxon gibt: Mittelfranken ist nicht allein im High-Tech-Sektor vorn, sondern auch als Standort „alter“ Industrien oder in der Fertigung von technologisch weniger anspruchsvollen Erzeugnissen. Auch auf diesem wenig beachteten und nicht selten zu Unrecht gering geschätzten Produktionsgebiet sind die mittelfränkischen Unternehmen in den östlichen Partnerländern gefragte Lieferanten und haben gute Aussichten auf überdurchschnittliche Erfolge. Denn der Nachholbedarf auch bei „Middle-„ und „Low-Tech“-Produkten ist auf diesen ungesättigten Wachstumsmärkten im Osten auf breiter Front groß, und er ist trotz geringerer Wertschöpfungsquoten für längere Zeit durchaus gewinnträchtig.

Ungenutztes Entwicklungspotenzial bietet schließlich auch die grenzüberschreitende Forschungskooperation. Dies- und jenseits der früheren Trennlinie zwischen den Blöcken gibt es technologisch aktive und erfahrene Unternehmen einerseits sowie unternehmensnahe Wissenschaftler und Forschungseinrichtungen andererseits.

Nutzen die mittelfränkischen Außenhandelsfirmen wie bisher das aufgezeigte und absehbare „Gateway-Plus“, dann wird die Region Nürnberg aus ihren Ost-Aktivitäten wohlstandsmehrenden Vorteil ziehen können. Wenn Mittelfranken im Standortwettbewerb die Rolle als Kraftzentrum auf Ostkurs weiter voran bringt, dann wird sie mit neuem Glanzprofil für absehbare Zeit verstärkt aufleuchten.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 02|2003, Seite 8

 
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