Telefon: +49 911 1335-1335

Marktführer bei Betriebssystemen für Kraftwerke

Die 1984 von dem Wirtschaftsingenieur Eckhard Haffmann gegründete „Gesellschaft für integrierte Systemplanung mbH“ (GiS) mit Sitz in Erlangen ist eine Unternehmensberatung und ein Softwarehaus, das bundesweit und in der Schweiz tätig ist. Hauptprodukt ist das „Integrierte Betriebsführungs-System“ (IBFS), das grundsätzlich für das gesamte Betriebsmanagement jeder Form von Industrieanlagen eingesetzt werden kann. Besonders erfolgreich ist das System im Bereich des Kraftwerksbaus, womit die Firmengeschichte vor rund 20 Jahren begann. Damals war GiS-Gründer und Geschäftsführer Haffmann für die KWU an Planung und Bau des Kernkraftwerkes Emsland beteiligt. Für die enorme Flut an Unterlagen und Tätigkeiten sowie die große Zahl von über 5 000 Lieferanten, die den Betrieb einer solchen Anlage begleiten, galt es, zunächst ein Dokumentationsmanagement- und Lagerwirtschaftssystem zu konzipieren.

Haffmann entwickelte einen „Ablaufmanager“, der die gesamte Ablauf-, Arbeits- und Wartungsorganisation abbildete und damit als einer der Ersten einen Workflow darstellte. Oberste Priorität kam dabei der Sicherheit zu; um diese zu gewährleisten, sind ein reibungsloser und lückenloser Betrieb unabdingbar. So sind nach Haffmanns Worten über 1 000 Vorschriften beim Betrieb eines Kernkraftwerks durch jeden der rund 300 Mitarbeiter zu beachten. Dies galt es ebenso zu berücksichtigen.

„Qualitätssicherung ist, wenn man nicht anders kann, als richtig zu handeln“, so Haffmann weiter. Von der exakten Planung allen möglichen Handelns hänge die Güte eines solchen Systems ab: „Mehr Planung heißt weniger Überraschung!“ Wenn bei planmäßigen Wartungen beispielsweise bis zu 1 500 fremde Arbeitskräfte in einer Anlage sind, so ist das Betriebsführungssystem in der Lage, alle Arbeitsaufträge interaktiv zu planen, bis hinunter zum Inhalt des Reparaturkoffers eines Monteurs und einschließlich der Rechnungslegung an Fremdfirmen. Da nach seinen Angabe etwa 85 Prozent aller Arbeiten in Kernkraftwerken vorbeugenden Charakter haben, muss sich ein Betriebsführungssystem hier besonders bewähren. „Unser System ist so etwas wie der Flugschreiber der Kraftwerksanlage. Es beinhaltet die gesammelte Betriebserfahrung über die gesamte Laufzeit und ermöglicht so einen dokumentierten Lebenslauf bis zu jeder Einzelkomponente“, so Haffmann. Man habe mit diesem System wesentlich dazu beigetragen, dass deutsche Kernkraftwerke heute sicher sind und für die Betreiber wirtschaftlich laufen. Jeder Ausfalltag kostet nach Haffmanns Worten rund eine Mio. Euro. Durch das Betriebsführungssystem konnten die durchschnittlichen Wartungstage bei Revisionen von ehemals 38 auf rund 15 Tage gesenkt werden.

Von den zwölf deutschen Kernkraftwerken kommt in neun das Betriebsführungssystem von GiS zum Einsatz, zusätzlich in zwölf konventionellen Kraftwerken. In der Schweiz ist Haffmann zuversichtlich, bald alle vier Kraftwerke mit seinem System ausgestattet zu haben. Damit ist man eigenen Angaben zufolge Marktführer in diesem Bereich. Da GiS auch Software für den Abriss solcher Großanlagen entwickelt hat, blickt Unternehmensgründer Haffmann optimistisch in die Zukunft, obwohl es ihn nach eigenem Bekunden ärgert, dass Deutschland seine weltweite Technologieführerschaft in der Kernkraft aufgegeben hat: „Wir haben damals ohne Not eine sichere Zukunftstechnologie und Experten aus der Hand gegeben“, so der Ingenieur, der aus wissenschaftlicher Sicht keine realistischen Gründe sieht, bei den enorm hohen deutschen Standards gegen die Kerntechnik zu sein. Im Nachbarland Frankreich mit seinen 57 Kernkraftwerksanlagen existiere ein enormes Wachstums-Potenzial für Betriebsführungssysteme.

Osteuropa hat Nachholbedarf
Gegenwärtig hat man bei GiS die osteuropäischen Staaten mit ihren etwa 80 Kernkraftwerken sowjetischer Bauart als möglichen Wachstumsmarkt im Visier. Bei einem Vortrag in Bulgarien vor den Instandhaltungs-Chefs fast aller osteuropäischen Kraftwerke stieß Haffmann mit seinem Produkt auf reges Interesse. Die dortigen Experten haben nach seiner Überzeugung ihre eigenen Schwachstellen erkannt und sind sehr an Normen und Standards interessiert. „Man hat dort ein hohes Problembewusstsein, es mangelt aber an Organisation, Vernetzung und Geld“, so die Einschätzung. Ein solches Kraftwerk des ehemaligen Ostblocks, das bisher mindestens 1 000 Mitarbeiter benötigt, könnte nach deutschen Standards mit rund 300 wie hierzulande gefahren werden. Die Rentabilität wäre mit einem modernen Betriebsführungssystem schon nach zwei Jahren zu erreichen – nicht zuviel bei Gesamtlaufzeiten von 30 und mehr Jahren, so seine Rechnung.

Potenziale bei Großanlagen und Chemie
Grundsätzlich bestünden noch große Potenziale im Großanlagenbau – Haffmann will als nächstes die Chemiebranche von den GiS-Lösungen überzeugen. Eine neues, „open JET“ genanntes, offenes Anwendungssystem macht maßgeschneiderte Entwicklungen für alle Branchen möglich. Hier sieht Haffmann einen Durchbruch. Generell bewertet er die Zukunftsaussichten positiv – besser als 1998/99, als der Strommarkt liberalisiert worden war. Aus bisher 13 Kunden seien vier geworden. Die Energieunternehmen hätten sich nur mit sich selbst und ihren Fusionsproblemen beschäftigt. „In dieser Zeit hat sich unser Umsatz halbiert, aber wir haben nicht entlassen, sondern unsere Innovationen weiterentwickelt“, so Haffmann rückblickend.

GiS erzielt eigenen Angaben zufolge einen Umsatz von rund neun Mio. Euro und beschäftigt 80 Mitarbeiter, davon 72 EDV-Spezialisten wie Programmierer und Organisatoren sowie acht Verwaltungskräfte. Das Software-Zentrum hat seinen Sitz in Weinheim.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 02|2003, Seite 40

 
Device Index

Alle Ansprechpartner/innen auf einen Blick