Telefon: +49 911 1335-1335

Nur wirtschaftliche Reformen bringen mehr Lehrstellen

Die Lehrstellensituation in Deutschland und in Mittelfranken hat sich in diesem Herbst spürbar entspannt. Die häufig prophezeite Lehrstellenkatastrophe wird auch in diesem Jahr nicht eintreten. Dennoch fordern Gewerkschaften und Teile der Regierungskoalition als "Strafmaßnahme" für angeblich ausbildungsunwillige Unternehmen weiter unverdrossen eine Zwangsabgabe.

Dabei ist klar, dass eine Ausbildungsplatzabgabe die Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen nicht erhöht, sondern im Gegenteil massiv gefährdet. Offenbar wollen die Kritiker nicht sehen, dass die Qualität des Dualen Berufsausbildungssystems in Deutschland auf dem freiwilligen Engagement der Unternehmen fußt. Deutschland ist zusammen mit Österreich, Schweiz und in Grenzen den Niederlanden das einzige wirtschaftlich starke Land, das eine betriebliche Ausbildung kennt, die zwei Drittel aller Jugendlichen erfolgreich durchlaufen. Hier engagieren sich die Unternehmen freiwillig in der Ausbildung, stellen auf eigene Kosten Ausbildungspersonal und betriebliche Einrichtungen und zahlen eine Ausbildungsvergütung. Insgesamt investiert die deutsche Wirtschaft jährlich 28 Mrd. Euro in die Berufsausbildung. Länder, die die berufliche Ausbildung im Wesentlichen staatlich finanzieren und organisieren, haben eine eklatant höhere Jugendarbeitslosigkeit. Der bürokratische Moloch „Ausbildungsplatzabgabe“ würde in eine Verstaatlichung der Berufsausbildung mit öffentlicher Finanzierung außerbetrieblicher Ausbildungsgänge führen. Ihr Nutzen für den Arbeitsmarkt und für die auf diese Weise ausgebildeten jungen Leute wäre weit geringer als in unserem jetzigen System.

Und noch eines wird beharrlich übersehen: Konjunkturschwäche, hohe Abgabenbelastung und Überregulierung lassen der Wirtschaft schlichtweg keine Luft zum Atmen. Deshalb wird vielfach nicht ausgebildet.

Ein weiteres Ausbildungshemmnis ist die mangelnde Eignung vieler Bewerber, insbesondere der hohe Anteil von zwölf Prozent Schulabgängern ohne Abschluss. Die Gewerkschaften, die übrigens selbst kaum ausbilden, verhindern jedoch eine flexiblere Tarifpolitik und vereinfachte Berufsbilder für mehr praktisch begabte Jugendliche. Die beste Ausbildungspolitik wäre es, wenn die dringend notwendigen Reformen in Wirtschaft, Arbeitsmarkt und Sozialsystem endlich umgesetzt würden. Dann würde mehr investiert, mehr Personal benötigt und damit auch mehr ausgebildet.

Wenn wir in diesem und im nächsten Jahr mehr Ausbildungsplätze schaffen wollen, muss das Gerede über die kontraproduktive, verunsichernde Ausbildungsabgabe endlich aufhören!
Autor/in: 
Präsident Hans-Peter Schmidt
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 11|2003, Seite 3

 
Device Index

Alle Ansprechpartner/innen auf einen Blick