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Vom Lückenbüßer zum Innovationstreiber

Mitarbeiter aus Zeitarbeitsfirmen haben im mittelständischen Unternehmen traditionell dort ihren Platz, wo kurzfristig niedrig qualifizierte Aushilfen benötigt werden. Seit der Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes vor über einem Jahr wandelt sich die Branche jedoch rasant: Grenzenlos mögliche Einsätze und die Tarifbindung machen aus den Zeitarbeitsunternehmen nun Personalstrategen erster Ordnung.

Erst drei Prozent aller deutschen Betriebe setzen derzeit Mitarbeiter aus Zeitarbeitsfirmen ein, zumeist sind das Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten. Die Politik wünscht sich viel mehr, verspricht sich der Gesetzgeber doch insgesamt mehr Beschäftigung von den flexiblen und bedarfsorientierten Einsatzmöglichkeiten. Im Rahmen der Arbeitsmarktreformen wurden dazu eigens die Personal-Service-Agenturen (PSA) gegründet. Ihr erklärtes Ziel war es, rund 500 000 Arbeitslose erst zu verleihen und dann durch den „Klebeeffekt“ zu vermitteln. Bislang sind die PSAs aber weitgehend wirkungslos geblieben, lediglich bei Hilfskräften spielen sie eine Rolle und hier in der Regel die des Preisdrückers.

Einen entscheidenden Impuls für die Förderung der flexiblen Beschäftigung durch die Zeitarbeit hat die Gesetzgebung dennoch gegeben: Seit dem 1. Januar 2004 können Unternehmen Mitarbeiter unbegrenzt lange ausleihen. Damit wird die Zeitarbeit für den Mittelstand zu einer echten Alternative – zumal die Möglichkeiten der befristeten Beschäftigung gleichzeitig beschnitten wurden, sofern sie nicht von vornherein per Tarifvertrag ausgeschlossen waren.

Leihen oder befristet einstellen?
Beispiel Elternzeit. Vor Jahresfrist noch kein Thema, ist Zeitarbeit heute oft die sinnvollere Alternative zum befristeten Vertrag. Denn das größte Problem der befristet eingestellten Vertreter ist ein Mangel an Perspektive, der zwangsläufig Auswirkungen auf die Motivation hat. Was außer dem Gehalt sollte jemand antreiben, sich für seine Firma zu engagieren, wenn er spätestens nach drei Jahren wieder draußen steht und anderenorts von Null anfängt. „Gerade im kaufmännischen Bereich, der von Routine geprägt ist, gibt es Viele, die aus Überzeugung in der Zeitarbeit tätig sind“, weiß Norbert Grünwald, Gründungsvorsitzender der Interessengemeinschaft Nordbayerischer Zeitarbeitunternehmen e. V. (INZ) und Inhaber der Personalhansa.

Dem INZ gehören rund 350 mittelständische Zeitarbeits-Personaldienstleistungsunternehmen an. Bundesweit umfasst die Branche rund 7 000 Betriebe, von denen etwa die Hälfte in Verbänden organisiert ist. Auch das ist ein Novum, denn vor zwei Jahren lag der Organisationsgrad noch unter einem Prozent. Insgesamt weist die Bundesagentur 26 Prozent Wachstum für die Branche innerhalb eines Jahres aus – von 327 000 Beschäftigten zum 30. Juni 2003 auf knapp 400 000 im Jahr 2004. Experten sehen diese Statistiken allerdings kritisch – sie sind stichtagsbezogen und weichen extrem von den Zahlen der Berufsgenossenschaften ab, die von einer halben Mio. Zeitarbeitern ausgehen. Außerdem finden sich inzwischen fast alle großen Transfergesellschaften (Personalabbau nach SGB III) als Erlaubnisinhaber in der Statistik nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG).

Hartz IV bringt Imagewandel
Seit Hartz IV ist die Zeitarbeit salonfähig geworden. Ihre Seriosität kann die Branche seither mit einem verbindlichen Tarifvertrag belegen. Experten gehen davon aus, dass sich das AÜG in naher Zukunft noch einmal entscheidend verändern wird. „Durch den Tarifzwang unterstehen wir jetzt schon der normalen Arbeitsgerichtsbarkeit, deshalb wird die Arbeitsagentur als Erlaubnisbehörde über kurz oder lang wegfallen“, weiß Grünwald.

Die direkte Konsequenz daraus ist die formalrechtliche Verschmelzung von Personalüberlassung und –vermittlung. Was der Gesetzgeber momentan noch trennt, lässt sich heute in der Praxis weder sauber abgrenzen noch sinnvoll begründen. Insbesondere für mittelständische Unternehmen ist die künstliche Trennung verwirrend – eine Übernahme widerstrebt, man wirbt doch schließlich keinem die Mitarbeiter ab. Eine Sichtweise, die moderne Personaldienstleistung konterkariert. Die Branche selbst will nichts dringlicher als den gesetzlichen Rahmen, um sich als Full-Service-Dienstleister positionieren zu können. Das Kerngeschäft der Unternehmen wird immer komplexer, Personalaktivitäten können intern gar nicht mehr sinnvoll abgebildet werden.

„Die meisten Unternehmen haben keine verlässlichen Kriterien, nach denen sie Bewerber auswählen sollen. Die Bewerber haben auf der anderen Seite keine Ahnung, was sich hinter dem Stellenprofil in der Anzeige tatsächlich verbirgt“, erklärt Grünwald. Diese Moderatorenrolle ist es, die die Personaldienstleister in der Zukunft verstärkt übernehmen wollen. Unabdingbar dafür ist die Spezialisierung auf bestimmte Branchen, Berufe oder Kundenkreise. „Referenzen, die zum eigenen Betrieb passen, Erfahrung in der Branche und eine Verbandszugehörigkeit“, empfiehlt Grünwald Unternehmern als Kriterien auf der Suche nach einem kompetenten Personaldienstleister.

„Die mittelständischen Unternehmen können auf Grund ihrer vorhandenen Auslastungsperspektive immer weniger langfristige personelle Verpflichtungen eingehen“, sagt Grünwald. Viele Berufsverbände haben daher mittlerweile mehr oder weniger offen Empfehlungen zur strategischen Personalpolitik ausgesprochen: Von einem Fünftel flexibler Kräfte wird da meist ausgegangen. Das sind Mitarbeiter, die in der Vergangenheit „vorrätig“ in den Unternehmen angestellt waren und für besondere Aufgaben oder Vertretungen zur Verfügung standen. Diese könnten und sollten nach Möglichkeit und Verbandsempfehlung durch flexible Zeitarbeiter ersetzt werden.

Eine Verdopplung der Zeitarbeit prognostiziert der INZ für die kommenden vier Jahre. Das entspräche noch nicht einmal dem europäischen Durchschnitt. Denn derzeit ist in Deutschland nur etwa ein Prozent aller Beschäftigten Zeitpersonal. In den meisten europäischen Ländern liegt diese Quote zwischen drei und vier Prozent, in den USA im zweistelligen Bereich. Fest im Unternehmen angestellt bleiben sollen – so die Verbände der Zeitarbeitsbranche - in Zukunft nur noch vier Fünftel der notwendigen Belegschaft. Dieser Personalstamm besteht einerseits aus den spezial Qualifizierten und andererseits aus den Trägern des firmenindividuellen Know-hows.

Ralf Holzapfel, ralf.holzapfel@ipn-nbg.de
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2005, Seite 16

 
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