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Preisrisiken absichern

Rohstoffe waren lange Zeit das Stiefkind der Derivatmärkte. Dabei gibt es zahlreiche Möglichkeiten, sich gegen Preissteigerungen zu wappnen.

Die Zins- und Währungsmärkte bieten seit Jahren mannigfaltige Möglichkeiten, sich gegen Unwägbarkeiten von Zinsen, US-Dollar oder Yen abzusichern. Dagegen wurden Diesel, Zellstoff oder Aluminium von den Sicherungsmärkten nahezu ignoriert. Dies ist verwunderlich, bilden Rohstoffe doch den ältesten Markt der Welt: Sie werden seit Menschengedenken getauscht und gehandelt. An den Rohstoffmärkten mussten Preisschwankungen von Produzenten und Käufern in Ermangelung von Alternativen hingenommen werden.

Stellschraube, an der gefeilscht und optimiert wurde, war in fast allen Fällen die Marge. Der Einkauf musste sich im Benchmark-Vergleich daran messen lassen, welche Marge mit den Lieferanten ausgehandelt wurde. Nachdem es aber in vielen Bereichen üblich ist, die Tagespreise plus/minus einer definierten Marge des Lieferanten abzurechnen, fand an dieser Stelle ein sehr effizientes Margen- und kein Preismanagement statt. Das heißt, den zunehmenden Preisausschlägen der Rohstoffmärkte konnten sich die Unternehmen nicht entziehen.

Erst als in der jüngeren Vergangenheit Ängste über Versorgungsengpässe und Diskussionen über die Endlichkeit der Ressourcen an den Rohstoffmärkten aufkamen und dies einher ging mit einer Zunahme der Preisschwankungen, wurden die Chefetagen der Unternehmen sensibilisiert. Die dramatischen Preisanstiege konnten plötzlich von den Unternehmen nicht mehr in Gänze auf die Verkaufspreise umgelegt werden. Eine vormals „statische“ Größe in der Kalkulation entwickelte eine Eigendynamik, die die Kalkulationen und Kostenrechnungen massiv durcheinander wirbelten und über Gewinn oder Verlust entschieden.

Die deutlichen Preisanstiege am Ölmarkt beeinflussen in erster Linie Transportunternehmen wie Airlines, Schifffahrtsgesellschaften, Speditionen, Busunternehmen, Konzerne mit eigenen Fuhrparks oder öffentlichen Personennahverkehr. Aber auch energieintensive Unternehmen (z. B. Nahrungsmittel-/Getränkehersteller, Papierproduzenten und Energieunternehmen) können gestiegene Heizöl- bzw. Erdgaspreise nur selten in vollem Umfang in die Verkaufspreise einrechnen.

Ähnlich gelagert sind die Probleme bei Industriemetallen. Hatte sich z. B. der Kupferpreis in den Jahren 2001 bis 2003 noch in einer engen Bandbreite zwischen 1 500 und 2 000 Euro pro Tonne bewegt, so kannte er fortan nur noch eine Richtung: nach oben. Aktuell bewegen wir uns um 4 375 Euro pro Tonne und dies zeigt sehr deutlich die Problematik der verarbeitenden Industrie, wenn gestiegene Material-/Rohstoffkosten nicht in vollem Umfang an Kunden weitergegeben werden können. Betroffen von den gestiegenen Metallpreisen sind Kabel- und Rohrherstellung, Autoindustrie und Automobilzulieferer, Gießereien, Bauzulieferer, Stahlveredler, Hersteller von Alufolien, Batterien, Glas, Edelstahl, Reinigungsgeräten, um nur einige zu nennen.

Am Derivatmarkt wurden Absicherungsinstrumente für Unternehmen entwickelt, die diese vor den starken Preisschwankungen der Rohstoffe schützen können. Ein wesentlicher Aspekt dabei ist, dass die physische Beschaffung des Rohstoffes von der Absicherung unberührt bleibt. Das heißt, die Lieferantenstrukturen, die spezifischen Anforderungen an den zu liefernden Rohstoff, Liefermengen und -zeitpunkt verändern sich nicht.

Je nach Erfordernis oder Markteinschätzung des Unternehmens kann ein fester Preis für den jeweiligen Rohstoff oder eine Preisober- oder -untergrenze vereinbart werden. Dies bewirkt eine stabile, verlässliche Planbasis und nimmt dem Rohstoffgeschäft den spekulativen Charakter. Denn nicht abgesichert zu sein, eröffnet Chancen, von fallenden Marktpreisen zu profitieren – sofern dann die Verkaufspreise nicht nachgebessert werden müssen. Nicht abgesichert zu sein und den Marktpreis zu akzeptieren, birgt aber auch das Risiko steigender Preise, die eben nicht gänzlich auf die Verkaufspreise umgelegt werden können. Da dies zwangsläufig zu Beeinflussungen des Gewinnes führt, ist es fraglich, ob man sich diesen Unwägbarkeiten aussetzen möchte.

Besonders häufig finden Rohstoffpreisabsicherungen Anwendung, wenn Lieferverträge über einen längeren Zeitraum ausgehandelt werden und keine Preisgleitklauseln enthalten. Dann kann z. B. durch die Vereinbarung eines Festpreises das Preisänderungsrisiko nahezu eliminiert werden. Unternehmen, die sich in der Praxis häufiger auf Tagespreise beziehen, können sich z. B. mit Caps, also Preisobergrenzen, vor steigenden Marktpreisen schützen und dadurch zusätzlich Wettbewerbsvorteile erlangen.

Den Unwägbarkeiten der Rohstoffmärkte ausgeliefert zu sein, ist in den meisten Rohstoffklassen ein Relikt der Vergangenheit. Durch die Entwicklung der Derivatmärkte gibt es moderne Instrumente, mittels derer Unternehmen aller Couleur sich gegen fallende oder steigende Preise absichern können. Die Absicherungen werden dabei für jedes Unternehmen maßgeschneidert. Das Preisänderungsrisiko wird ausgelagert und eine höhere Kalkulationssicherheit erzielt.

Externer Kontakt: Alexandra Stelzer, Leiterin Rohstoffpreisabsicherungen & Wetter-Derivate, HypoVereinsbank AG, alexandra.stelzer@hvb.de
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2006, Seite 32

 
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