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Ständige Gesetzesflut als 'ewige Krankheit'

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Weniger Normen und Gesetze würden Deutschland gut tun, so Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier, Präsident des Bundesverfassungsgerichts, beim „Kammergespräch“.

Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier (Foto: Fuchs)

„Es erben sich Gesetz und Rechte wie eine ewge Krankheit fort; sie schleppen von Geschlecht sich zu Geschlechte und rücken sacht von Ort zu Ort. Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage. Weh dir, dass du ein Enkel bist! Vom Rechte, das mit uns geboren ist, von dem ist leider! nie die Frage.“ Mit diesem Zitat aus Goethes „Faust“ eröffnete Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier, Präsident des Bundesverfassungsgerichts, seinen Vortrag beim 125. „Kammergespräch“. Seine Ausführungen hatte der 62-jährige Jurist mit der Frage „Mehr Recht, weniger Gesetze?“ überschrieben.

Zwar schneide Deutschland bei vielen internationalen Rankings und Umfragen in punkto Recht und Rechtssicherheit hervorragend ab, so Papier, „doch auch Gutes lässt sich bekanntlich verbessern“. In seinem Vortrag plädierte er für weniger Normen und Gesetze in Deutschland. Papier kritisierte vor allem die mangelnde Eigenverantwortung und Selbstbestimmung der Bürger. Papier: „Es ist häufig Bequemlichkeit und Furcht vor der eigenen Verantwortung, ja letztlich Furcht vor der Freiheit, die Menschen nach neuen Gesetzen rufen lässt.“ Aber je mehr Lebensbereiche „durchnormiert“ werden, so der Chef des höchsten deutschen Gerichts, desto mehr würden gerade diese Werte als Grundlage der persönlichen Entfaltung des Einzelnen erstickt.

Papier begrüßte daher die Pläne der Bundesregierung zu Deregulierung und Bürokratieabbau, doch gleichzeitig wies er darauf hin, dass solche Pläne nur im Zusammenhang mit einer kritischen Analyse der Staatsaufgaben umgesetzt werden könnten. Gerade in den letzten Jahrzehnten hätten sich diese ausgedehnt, und immer wieder werden in der Öffentlichkeit Rufe nach neuen Aufgaben für den Staat laut. Seine Kritik: „Bei jedem Skandal wird die Gesetzgebungsmaschinerie angeworfen.“

Dabei greifen nach Worten Papiers die vorhandenen Gesetze, vor allem im Verwaltungs-, Zivil- und Strafrecht durchaus. Noch mehr Gesetze verstärken lediglich die ohnehin zu beobachtenden Mängel und Lücken bei der Rechtsanwendung. „Mehr Gesetze“, so Papier, „sind nicht gleichbedeutend mit mehr Recht, führen aber nicht selten zu weniger Freiheit.“ Das Rechtsvertrauen der Bevölkerung sei ohnehin bereits geschwunden: „Die Bevölkerung bekommt den Eindruck, rechtstreu sind nur noch die Dummen.“

Autor/in: 

hpw.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 05|2006, Seite 13

 
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