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Kreditvergabe mit System

Zum 1. Januar 2007 sind in Europa die neuen Eigenkapitalregeln für Banken, die unter dem Schlagwort „Basel II“ bekannt sind, in Kraft getreten. Was ändert sich für Kreditnehmer?

Der Kern der neuen Regelungen: Die Höhe des erforderlichen Eigenkapitals, das die Banken im Zuge der Kreditvergabe hinterlegen müssen, wird von der Risikosituation der Kreditnehmer abhängig gemacht. Die Bonität des Kunden bzw. die Gefahr des Kreditausfalls wird dabei unabhängig von möglichen Sicherheiten durch bankinterne Rating-Verfahren ermittelt. Die Folge: Wenn die Kreditvergabe mit einem höheren Risiko verbunden ist, steigt bei der Bank die Eigenkapitalanforderung und für den Kunden verteuert sich damit der Kredit. Die so genannte Mittelstandskomponente, die aufgrund der Interventionen Deutschlands in das Baseler Regelwerk Eingang fand, erlaubt jedoch den Banken bei einem Kreditvolumen unter einer Mio. Euro („Retail Portfolio“) eine verringerte Vorhaltung von Eigenkapital. Von dieser Regelung wird künftig ein Großteil der kleinen und mittleren Unternehmen profitieren.

In Deutschland wurden die EU-Vorgaben („Capital Requirement Directive“) jetzt durch die Änderung des Kreditwesengesetzes (KWG) sowie durch die Neufassung zweier Rechtsverordnungen (Solvabilitätsverordnung sowie Großkredit- und Millionenkreditverordnung) in nationales Recht umgesetzt.

Die Banken und deren Kunden haben ein hohes Interesse an einer möglichst genauen Bonitätseinschätzung des einzelnen Kreditnehmers. Da sich viele Unternehmen hinsichtlich Größe und Struktur deutlich voneinander unterscheiden, werden sie von den Banken in unterschiedliche Kundengruppen eingeteilt, um eine angemessene und objektive Beurteilung zu gewährleisten. Die Institute verwenden deshalb in der Regel für jedes Kundensegment ein eigenes Rating-Verfahren. Aus diesem Grund weichen auch die von den Banken beim Kreditantrag geforderten Unterlagen hinsichtlich Art, Anzahl und Detaillierungsgrad stark voneinander ab.

Kriterien der Rating-Verfahren
Aufbau und Inhalt der Rating-Verfahren der einzelnen Kreditinstitute sind aber aufgrund der aufsichtsrechtlichen Vorgaben durchaus vergleichbar: So bilden die quantitativen Faktoren („hard facts“) und qualitativen Faktoren („soft facts“) neben individuellen Rating-Komponenten („Warnsignale und Überschreibungsmöglichkeiten) das Grundgerüst aller Systeme. Abweichungen können sich allerdings dadurch ergeben, dass die einzelnen Rating-Verfahren einerseits auf die jeweilige Klientel zugeschnitten sind und andererseits auf Basis der dem jeweiligen Institut vorliegenden Daten entwickelt wurden. Zudem liegen nicht jeder Bank die gleichen Informationen und Beobachtungen vor (z.B. über die Kontoführung). Von daher können trotz objektiver Bewertung die Rating-Ergebnisse eines Unternehmens bei verschiedenen Kreditinstituten voneinander abweichen. Die kontinuierliche Weiterentwicklung der Rating-Systeme und der zunehmende Wettbewerbsdruck dürften künftig insbesondere bei Instituten mit ähnlicher Kunden- und Portfoliostruktur eine Angleichung der Rating-Ergebnisse bewirken.

Der einzelne Kreditnehmer wird aufgrund des ermittelten Ergebnisses in Rating-Klassen eingestuft. Die Einteilung erfolgt auf Basis der so genannten einjährigen Ausfallwahrscheinlichkeit. Da jedes Kreditinstitut Anzahl und Bezeichnung seiner Rating-Klassen individuell festlegt, ist ein Vergleich der Rating-Ergebnisse nur über die dahinter stehende Ausfallwahrscheinlichkeit möglich. Um einen Vergleich der unterschiedlichen Einstufungen zu ermöglichen, haben sich die in der „Initiative Finanzstandort Deutschland (IFD)“ zusammengeschlossenen Banken, Sparkassen und Verbände auf eine einheitliche Rating-Skala geeinigt. Diese Skala ist zusammen mit anschaulichen Erläuterungen in einer Broschüre enthalten, die bei der IFD kostenlos zu erhalten ist oder aus dem Internet heruntergeladen werden kann (www.finanzstandort.de).

Kreditentscheidung
Das Rating-Ergebnis stellt einen wichtigen, keineswegs aber den einzigen Bestandteil von Kreditentscheidungen dar. Daneben sind u.a. der aktuelle Liquiditätsstatus, Art und Höhe der verfügbaren Sicherheiten und weitere individuelle, unternehmensspezifische Faktoren neben der strategischen Ausrichtung der einzelnen Bank ausschlaggebend. Wenngleich also das Rating-Ergebnis nur eine Messgröße im Rahmen der Kreditentscheidung darstellt und die unmittelbaren Adressaten der neuen Eigenkapitalrichtlinien die Kreditinstitute sind, haben die daraus erwachsenden Anforderungen an Banken und Sparkassen direkten Einfluss auf die Kreditnehmer und damit die mittelständische Wirtschaft. Von daher sind kreditnachfragende Unternehmen und deren Berater – ob sie nun wollen oder nicht – gezwungen, sich intensiv mit dem Rating-Prozess auseinanderzusetzen.

Neue Wege der Mittelstandsfinanzierung
Auch bei der Suche nach neuen Finanzierungsquellen außerhalb des Bankensektors, wie Leasing, Factoring, Mezzanine- und Beteiligungskapital werden Unternehmen von Seiten der potenziellen Kapitalgeber in zunehmendem Maße mit Fragen der Bonitätseinschätzung konfrontiert. Insbesondere im derzeit boomenden Bereich der mezzaninen Finanzierungen, die in Form von Nachrangdarlehen, stillen Beteiligungen und Genussrechtsvereinbarungen eine Verbesserung des wirtschaftlichen Eigenkapitals bewirken sollen, spielt die Beurteilung der zukünftigen Zahlungsfähigkeit eines Kapitalnehmers eine zentrale Rolle. Auch aus dieser Sicht dürfte es somit unbestritten sein, dass fundierte Rating-Kenntnisse für alle an Finanzierungsprozessen Beteiligten unverzichtbar sind.

Die Unternehmen werden stärker als bisher in den Prozess der Kreditvergabe eingebunden werden. Das von den Kreditgebern geforderte intensivere und professionelle Kommunikationsverhalten sowie die erhöhten Transparenzanforderungen im Rahmen des Ratings, erfordern ein erhebliches Umdenken vor allem im Mittelstand. Ähnlich wie beim Börsengang muss es dem Unternehmer gelingen, ein verlässliches Bild des Ist-Zustandes und der Zukunftsperspektiven des Unternehmens zu vermitteln. Um im Rating-Prozess „auf gleicher Augenhöhe“ mit den internen bzw. externen Ratern zu stehen, ist es also unerlässlich, über das erforderliche Know-how zu verfügen. Dies gilt in ähnlicher Weise auch für die Inanspruchnahme alternativer Finanzierungsinstrumente.

Mit zunehmendem Druck möglicher Fremd- oder Eigenkapitalgeber auf die Unternehmen, sich und ihre Potenziale offen zu legen, wird auch der Bedarf an qualifizierter Beratung größer werden. Die notwendige Unterstützung bei der Bewältigung der Herausforderung „Rating“ findet der Unternehmer im ausgebildeten Rating-Advisor. Auch wenn in der beruflichen Praxis streng zwischen den Tätigkeiten zu trennen ist, so sind doch die Anforderungen an das Know-how und die Urteilsfähigkeit der beiden Berufsfelder nahezu identisch, so dass konsequenterweise in der Ausbildung beide Aspekte berücksichtigt werden müssen. Insbesondere für den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer und vereidigten Buchprüfer, der Steuer- und Unternehmensberater zeichnet sich hier ein neuer Aufgabenbereich ab.

Rating-Ausbildung
Die Anforderungen an Rating-Berater sind also hoch. Das erforderliche Wissen lässt sich mit einer qualifizierten Ausbildung erwerben, wie sie in Deutschland von verschiedenen Bildungseinrichtungen, so auch vom Georg-Simon-Ohm Management Institut der FH Nürnberg, angeboten wird. Das Nürnberger Ausbildungskonzept richtet sich speziell an mittelständische Unternehmen und deren Berater. Die Initiative für diese Weiterbildung ging vor fünf Jahren von einem bei der IHK angesiedelten „Kernteam Rating“ aus, dem u.a. Experten aus der regionalen Wirtschaft, den beratenden Berufen, den örtlichen Banken und der Wissenschaft angehörten.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 02|2007, Seite 12

 
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